01.11.2019

Auf dem Weg zueinander

Festgottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche: Fünf christliche Kirchen feierten den 20. Jahrestag der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre.

Fünf christliche Konfessionen feiern 20. Jahrestag der Gemeinsamen Erklärung

Stuttgart. Mit einem zentralen Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche haben Vertreter von fünf christlichen Konfessionen am Abend des Reformationstages an die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre vor genau 20 Jahren erinnert.

Die Gemeinsame Erklärung wird inzwischen von den lutherischen, katholischen, methodistischen, reformierten und anglikanischen Kirchen getragen. Während des Gottesdienstes würdigten ihre Vertreter besonders die Entwicklung von einer zunächst nur bilateralen Einigung zwischen der lutherischen und römisch-katholischen Kirche zu einem multilateralen Grundstein in der Ökumene.

Dabei betonten sie ihren Willen zu einer noch stärkeren Zusammenarbeit. Ebenfalls schlugen sie vor, um den 31. Oktober herum verstärkt Gottesdienste zum Taufgedächtnis und der Feier der Rechtfertigung anzubieten.

Das Gleichnis vom Senfkorn

Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July blickte in seiner Predigt auf das Gleichnis vom Senfkorn. Er erinnerte an die Pionierinnen und Pioniere der Ökumene, die sich „trotz Verboten, trotz Kopfschütteln oder Verdächtigungen auf den Weg gemacht haben. Die den gemeinsamen Acker suchten und sich die Samenkörner zeigten".

Inzwischen sei das Miteinander der Kirchen viel selbstverständlicher - auch dank der Gemeinsamen Erklärung. „Sie lässt uns gemeinsam auf dem Feld das Senfkorn auswerfen", sagte July. Er sieht die Kirchen aber noch lange nicht am Ziel: Er wünsche sich, dass „einstmals jener Baum wächst, in dessen Schatten Gottes geliebte Kinder in Vielfalt, aber versöhnter Verschiedenheit, zusammenkommen, um am Tisch in gemeinsamer Mahlfreude auf das rechtfertigende und gewiss machende Wort des Herrn zu hören“.

Einzug zum Festgottesdienst in der vollbesetzten Stiftskirche Stuttgart.
Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst unter anderem von den Hymnus-Chorknaben Stuttgart.
Festgottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche: Fünf christliche Kirchen feierten den 20. Jahrestag der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July (r.) und der römisch-katholische Bischof von Magdeburg, Dr. Gerhard Feige. July war als Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes Gastgeber der Feiern zum 20. Jahrestag der Erstunterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung.
Auszug nach dem Festgottesdienst.

Die Gnade als das Entscheidende

Der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige als Vorsitzender der Ökumenekommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz stellte in seiner Predigt die Leistungsgesellschaft in Frage. Die Botschaft, dass Gott dem Menschen mit der Gnade das Entscheidende schenke, könne auch im 21. Jahrhundert eine entlastende und befreiende Kraft sein.

„Damit verbunden wäre ja: Löst euch von der zwanghaften Vorstellung, erfolgreich sein zu müssen. Macht euer Selbstwertgefühl nicht davon abhängig, wie andere euch sehen“, so Bischof Feige. Er fügte hinzu: „Anstatt krampfhaft um sich selbst zu kreisen, sollte es vielmehr immer neu darum gehen, den Lebensschwerpunkt auf Gott hin zu verlagern.“

Empfang im Alten Schloss

Von der Evangelisch-methodistischen Kirche wirkte Bischof Harald Rückert am Gottesdienst mit. Pfarrer PD Dr. Hans-Georg Ulrichs vertrat den Reformierten Bund und Canon Christopher Jage-Bowler den Council of Anglican and Episcopal Churches in Germany.

Sie trugen Ausschnitte aus den Assoziierungserklärungen der drei Weltgemeinschaften zur Gemeinsamen Erklärung vor, die jeweils den besonderen Zugang zur Rechtfertigungslehre und der Erklärung verdeutlichten. 

Bei einem anschließenden Empfang im Alten Schloss würdigte Erzpriester Radu Constantin Miron, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, in einem Grußwort die Bedeutung der Gemeinsamen Erklärung.

Mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre hatten der Lutherische Weltbund und die römisch-katholische Kirche 1999 erstmals offiziell einen differenzierten Konsens über die Frage der Rechtfertigung erklärt, eine Kernfrage der Reformation. Damit konnten beide Seiten feststellen, dass die jahrhundertelang wiederholten gegenseitigen Verurteilungen in dieser Frage nicht länger Gegenstand der Lehre der beteiligten Kirchen sind. Im Jahr 2006 schloss sich der Weltrat Methodistischer Kirchen der Gemeinsamen Erklärung an, im Juli 2017 die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Die Anglikanische Gemeinschaft verkündete ihre inhaltliche Zustimmung am Reformationstag des gleichen Jahres.

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