Zur globalen ungerechten Verteilung von Impfstoffen
Yasna Crüsemann (Geislingen) betonte, dass die Pandemie erst zu Ende sei, wenn alle Länder Zugang zu Impfstoffen hätten. Steigende Infektionszahlen, Schulschließungen, Ausgangssperren träfen gerade die Ärmsten besonders hart.Dass die reichen Länder Impfstoffe für sich behielten, sei unmenschlich und unvernünftig. Durch die globalen Märkte verbreiteten sich Virusvarianten in jede Region der Welt; die wirtschaftlichen und sozialen Folgen seien unabsehbar, unter anderem sei mit neuen Fluchtbewegungen zu rechnen.Spenden reichten nicht aus, es brauche auch Technologietransfer. Sie appellierte an die Kirchenleitung, die Regierungen von Bund und Ländern zu unterstützen, die örtlichen Gesundheitssysteme zu stärken.
Christiane Mörk (Brackenheim) erklärte, dass es in vielen Ländern des globalen Südens an grundsätzlicher Ausstattung wie Seife und Desinfektionsmitteln fehle, während in den reichen Ländern der beste Impfstoff diskutiert würde. Durch die Pandemie könnten andere Krankheiten nicht behandelt werden. Impfwohltätigkeit müsse zu Impfgerechtigkeit werden.
Hans-Ulrich Probst (Tübingen) nannte die bestehende Ungerechtigkeit eine Folge des Neo-Kolonialismus, der auf Rassismus beruhe und das Leben missachte. Die Evangelische Landeskirche stehe in der Verantwortung, derartige Strukturen zu unterhöhlen.
Die Frage der Aussetzung von Patenten für Impfstoffe als Voraussetzung für mehr Impfgerechtigkeit wurde kontrovers diskutiert. Mehrere Synodale betonten übereinstimmend, die Länder des globalen Südens müssten unterstützt werden, selbst zu produzieren, auch um einer Impfskepsis zu begegnen – so auch Dr. Gabriele Schöll (Aalen), die appellierte, ärmeren Ländern auf Augenhöhe zu begegnen, indem man sie zur Eigenherstellung von Impfstoffen befähige.
Angelika Klingel (Heimsheim) wies darauf hin. dass es um Gerechtigkeit gehe: Jetzt sei es der Impfstoff, sonst Wasser, saubere Luft, Nahrungsmittel, der Umweltschutz. Sie forderte dazu auf, als Kirche Mahnerin zu sein und Demokratie und Teilhabe zu stärken.
Anette Rösch (Wannweil) berichtete zur Kritik am Egoismus, der zunächst die eigenen Versorgung sicherstelle, von ihren Erfahrungen aus der Arbeit in einem Impfzentrum: Der Wunsch, möglichst schnell und mit dem besten Impfstoff geimpft zu werden, der sich hier zeige, verstärke die Verteilungsprobleme insgesamt. Kritik an einzelnen Impfstoffen sei nicht berechtigt.
Götz Kanzleiter (Ostelsheim) lenkte den Blick auf das hiesige Gesundheitssystem, das die Impfstoffe ebenfalls nicht gerecht verteile; auch hier seien Menschen – je nach Status – unterschiedlich gut versorgt. Die Landeskirche solle sich auch hier für ein solidarisches System einsetzen, und dann in den globalen Süden schauen.
Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July wies darauf hin, dass die Krise die ungerechte Verteilung von Ressourcen besonders deutlich zeige. An der Antwort auf diese Grundfrage müsse man weiterarbeiten. Er forderte dazu auf, jetzt schnell zu helfen und dabei auch an die Hersteller von Impfstoffen zu appellieren, diese zum Selbstkostenpreis zur Verfügung zu stellen. „Behalten wir den globalen Blick und handeln, wo wir handeln können“, sagte er.
Synodalpräsidentin Sabine Foth sagte zur Einführung ins Thema: „In den vergangenen Tagen ist durch die Delta-Variante in Europa auch über die Verteilung von Impfstoffen diskutiert worden. Auf die ungleiche Verteilung von Impfstoffen zwischen Industrienationen und dem globalen Süden verwies auch der Impfbeauftragte der Afrikanischen Union am 1. Juli, dass aus Europa trotz anders lautender Zusagen, bisher keine einzige Impfdosis an Afrika geliefert wurde. Während in den USA oder der Europäischen Union mittlerweile über 50 Prozent der Bevölkerung Erstimpfungen erhalten haben, liegt die Impfquote im globalen Süden bei durchschnittlich 0,5%. Diese Ungleichheit führt dazu, dass in zahlreichen Ländern weiter die Pandemie grassiert. Sie führt jedoch auch zu der Situation, dass weiter Corona-Mutanten entstehen, die auch in der westlichen Welt wieder auftreten. Gesellschaftlich wird aktuell diskutiert, wie diese Ungerechtigkeit der Impfverteilung behoben werden kann. Welche kirchliche Position wird dazu erhoben? Wie kann das globale Leben miteinander mit Blick auf neue Egoismen zukünftig gelingen?“