„Die schrecklichen Ereignisse der Reichspogromnacht von 1938 dürfen nicht vergessen werden. Im Gegenteil: Auch 75 Jahre danach müssen wir sie zum Anlass nehmen, gemeinsam eine Mauer gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in unserem Land zu errichten. Das erfordert Einsatz, Mut und Geistesgegenwart. Nicht schweigen lautet das Motto, sondern widersprechen. Auch Flüchtlingsschicksale dürfen uns nicht gleichgültig lassen. Wir wollen in unserem Land ein Klima schaffen, das auch für Andersdenkende und Andersgläubige Respekt und Achtung aufbringt. Jedem Versuch, in Deutschland oder Europa neuen rassistischen Hass oder Fremdenfeindlichkeit zu schüren, haben wir entschieden entgegenzutreten.
Ich erinnere an den württembergischen Pfarrer Julius von Jan (1897-1964), der den Mut hatte, in seiner Oberlenninger Gemeinde unmittelbar nach der Pogromnacht von 1938 zur Buße für die am jüdischen Volk begangenen Verbrechen aufzurufen. Damals nannte er das für alle sichtbare Unrecht beim Namen:
‘Die Leidenschaften sind entfesselt, die Gebote Gottes missachtet, Gotteshäuser, die anderen heilig waren, sind ungestraft niedergebrannt worden, das Eigentum der Fremden geraubt und zerstört, Männer, die unserem deutschen Volk treu gedient haben und ihre Pflicht gewissenhaft erfüllt haben, wurden ins KZ geworfen, bloß weil sie einer anderen Rasse angehörten.‘
Seinen Mut bezahlte Julius von Jan mit Gefängnisstrafen. Auch bei seiner evangelischen Landeskirche hat er damals keinen Rückhalt gefunden. Deshalb brauchen wir immer wieder und so auch heute die Erinnerung an damals, damit sich auch um Gottes Willen nicht wiederholt, was sich nicht wiederholen darf.Denn Gott ist kein Gott der Gewalt und des Todes, sondern ein Gott der Liebe, des Friedens und des Lebens.“
Dr. h. c. Frank Otfried July
Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
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