Zum Jahreswechsel und zum neuen Jahr 2016 schreibt Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July:
„Geht das jetzt so weiter: Krieg in Nahost, Terroranschläge, Verfolgung, Vertreibung, Flüchtlinge, Zulauf für Menschenverächter am rechten Rand und damit verbunden ein Absinken der Gewaltschwelle? Das Karussell der schlimmen Nachrichten dreht sich scheinbar immer schneller. Und die Krisen dieser Welt kommen uns ganz nahe. Hunderttausende Flüchtlinge, die hierzulande Zuflucht suchen, zeigen das. Manche hier machen sich deshalb große Sorgen um die eigene Zukunft, Ängste ganz eigener Art suchen sich ihren Platz. Das birgt Konfliktpotenzial.
Gleichzeitig beobachte ich in unserem Land aber auch eine Hilfsbereitschaft, wie ich sie noch nicht erlebt habe – Menschen, die die Not sehen und die Überforderung eines Systems, das darauf nicht gut vorbereitet war, und die couragiert anpacken und helfen, wie sie es können.
Unterm Strich ist 2015 für mich deshalb nicht nur ein weiteres Jahr des Kriegs und des Terrors, sondern das Jahr der überwältigenden Hilfsbereitschaft. Ein Jahr des: ‚Ja, wir wollen das schaffen!’ Wir sind dabei nicht naiv. Vielleicht sind wir nicht immer furchtlos. Aber wir stellen uns der Aufgabe, die auch im neuen Jahr nicht kleiner werden wird.
Dieses Jahr bringt uns dazu, uns mit unseren eigenen Kraftquellen auseinanderzusetzen. Als Einzelne und als Gesellschaft. Aus welcher Kraft ’schaffen wir das’? Was trägt, was tröstet uns? Was hält uns als Gesellschaft zusammen? Wie werden wir eine Gesellschaft mit begründeter Hoffnung statt einer mit beschränkter Haftung?
Gerade haben wir Weihnachten gefeiert. Gott ist Mensch geworden, als machtloses Kind in unsere Welt gekommen. Das krasse Gegenprogramm zu waffenstarrender Gewalt, zur Erniedrigung anderer, zu Egoismus und geiferndem Hass. Christus hat diese ’Logik’ von Gewalt, Angst und Rücksichtslosigkeit, dem Recht des Stärkeren, durchbrochen. Indem er die anderen, die Schwachen und Hilflosen, angeschaut und aufgerichtet hat. Lieben und Vergeben gelehrt hat. Und schließlich aus Liebe zu den Menschen sein Leben gegeben hat.
Für mich heißt das: Wer sich von dieser Liebe Christi getragen weiß, kann andere tragen und ertragen. Und wenn trotz dieses Wissens die Kraft ausgeht, der Mut klein wird, uns Krankheit und Tod treffen, gilt, was Gott uns – und denen, die zu uns kommen – durch die Jahreslosung für 2016 zuspricht: ’Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet’ (Jesaja 66,13).
Dieses Wissen um Trost und Kraft aus dem Glauben wollen wir auch im kommenden Jahr in unserem Land weitergeben und Mut machen, uns gegenseitig zu helfen und zu stärken.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Jahr 2016, in dem Sie aus gutem Grund ganz bei Trost sind und bleiben: ’Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.’“
Ihr Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July