Stuttgart. Das Männerwerk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg begeht am 2. Oktober im Paul-Gerhardt-Gemeindezentrum in Stuttgart-West sein 75-jähriges Bestehen. Um 14 Uhr beginnt ein Festgottesdienst mit dem württembergischen evangelischen Landesbischof Frank Otfried July in der Paul-Gerhardt-Kirche. Anschließend präsentieren Männerinitiativen ihre Arbeit mit Männern und für Männer in den Kirchengemeinden und Bezirken der Landeskirche. Ab 16.30 Uhr soll es bei einer Podiumsdiskussion, u. a. darum gehen, wie das Miteinander der Geschlechter künftig gestaltet werden kann und wie Männer in der Erziehung und in der Kirche mehr Raum gewinnen können.
Die Anfänge des Männerwerkes reichen zurück bis in die 30er-Jahre. Bei einer ersten Männertagung im September 1934 im Jugendhaus Schmie bei Heilbronn trafen sich 60 Männer, zu „gemeinsamer Besinnung über die Fragen der Schrift und Kirche“, außerdem ging es „um die Frage der verantwortlichen Mitarbeit im Aufbau der Gemeinde und in der Abwehr kirchenfremder Einflüsse“. Im Jahr 1936 bereits gab es in 41 der damals 49 Kirchenbezirke der Landeskirche Männerarbeitskreise. 1947 ging es bei einer „Heimkehrertagung“ darum, „was man zu leiden hatte unter Kameraden und Russen“, dass „man sich in der Heimat nicht mehr daheim fühlte“ und „zerrüttete Heimkehrerehen“. Im Jahr 1957 beklagte der damalige Landesmännerpfarrers Hermann Rieß, dass der Männerabeit die Männer „in den besten Jahren“ fehlten. Als Gründe wurden genannt: „einen übermäßige berufliche Belastung, eine starke Müdigkeit am Abend“. Viele Männer litten darunter, dass „für sie zwischen der Welt des Sonntagsgottesdienstes und der täglichen Arbeitswelt ein kaum überbrückbarer Gegensatz besteht“ (Zitate aus: Männer in der Kirche. 50 Jahre Männerarbeit in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, 1985).
„Männer brauchen Räume, in denen sie unter sich sind und ihre Kompetenzen in den Bereichen Familie, Beziehungen, Kommunikation, Glauben erweitern“, sagt Landesmännerpfarrer Markus Herb anlässlich des bevorstehenden Jubiläums. Männer täten dies auf ihre eigene Weise. „Freiheit, Selbstbestimmtheit, Leistung und Verantwortung sind dabei für Männer zentrale Werte. Eine Kirche, die für Männer attraktiv sein will, muss sich auf diese Färbung einlassen und Männern dabei auf Augenhöhe begegnen.“ Männer wollten eine Aufgabe in der Kirche übernehmen und sich mit Kompetenz und Erfahrung einbringen.
Das Evangelische Männerwerk veranstaltet u. a. Pilgerwege, Rad- und Bergtouren und Vater-Kind-Wochenenden. Zu den Arbeitskreisen des Männerwerks gehört der Arbeitskreis „Weißrußland“, der Hilfsgütertransporte organisiert und Spendengelder sammelt. In den Arbeitskreisen und durch die Zusammenarbeit mit der Katholischen Männerarbeit und der Männerarbeit der EKD werden gesellschaftlich relevante, Männer betreffende Fragen diskutiert: Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Männer und Pflege, Männer als Opfer und als Täter von Gewalt. Jungenförderung, männliche Erzieher in Kindergärten und Grundschulen sind aktuelle Themen.
Zum Evangelischen Männerwerk in Württemberg zählen etwa 400 Männerinitiativen in den Gemeinden, die meist zu so genannten „Männervesper“ einladen. In manchen Gemeinden wird am 3. Sonntag im Oktober der Männersonntag gefeiert. Das Männerwerk stellt dafür eine Arbeitshilfe zur Verfügung.
Zum Jubiläum soll die Broschüre: „Männern Raum geben“ präsentiert werden. Darin wird auf der Grundlage neuer Männerstudien beschrieben, wie Männer in der Kirche wieder mehr Raum gewinnen können.
Bei der Podiumsdiskussion am 2. Oktober im Paul-Gerhardt-Gemeindezentrum diskutieren der Geschlechterforscher Peter Döge, die Landespolitikerin Sabine Fohler, der Bundestagsabgeordnete Markus Grübel, Bundesgeschäftsführer der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Rosowski, und der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July. Der bisherige Vorsitzende des Männerwerkes Frieder Leube wird verabschiedet und sein Nachfolger Hans Kahlau ins Amt eingeführt.
"Seit 75 Jahren gestaltet das evangelische Männerwerk den Wandel der Männerwelten in Kirche und Gesellschaft mit und hat dabei selber manchen Wandel erlebt", sagt Landesbischof Frank Otfried July. "Ich bin dem Männerwerk dankbar für seinen geistlichen und geistigen Beitrag bis heute und wünsche ihm in allen Veränderungen der Zukunft im Blick auf das Evangelium den richtigen Kompass."
Christian Tsalos