Stuttgart/Vaihingen an der Enz. „Nur eine Gesellschaft, die das Gedenken übt, wird frei, um Gegenwart und Zukunft zu gestalten.“ Daran hat der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July am Mittwoch, 27. Januar, erinnert. Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus sagte er bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Vaihingen an der Enz: „Wer sich um die Zukunft unserer Werte sorgt, sollte hier stehen, um zu verstehen, warum wir für eine offene Demokratie eintreten, für Meinungs- und Glaubensfreiheit, für Menschenrechte und Gleichberechtigung, für die Kostbarkeit des Asylrechts, aber auch gegen Gewalt, Rassismus, Terror und Krieg.“
Der württembergische Landesbischof erinnerte an die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, unter denen mehr als 2.000 Häftlinge schwer gelitten hätten. Er sprach vom Hunger und der Kälte, die vielen Insassen das Leben kostete, und von der Flecktyphus-Epidemie, an der jeden Tag viele Menschen gestorben sind. Und er erwähnte die Gleichgültigkeit der Ärzte. Sich daran zu erinnern, sei schambehaftet und unbequem, aber man dürfe über das Geschehene nicht schweigen und hinwegsehen, zumal immer noch an vielen Orten der Welt Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen gefoltert und gemordet oder zur Sklavenarbeit herangezogen würden.
July dankte den Engagierten und Unterstützern des Vereins KZ-Gedenkstätte Vaihingen Enz. „Sie setzen damit ein großes Zeichen und sorgen dafür, dass sich das Vergessen nicht breitmachen kann“, sagte er. Namentlich nannte er die Zeitzeugin Wendelgard von Staden, die Nichte von Hitlers Außenminister Konstantin von Neurath. Sie habe den unzumutbaren gesundheitlichen Zustand der Häftlinge und deren Kraftlosigkeit gesehen und es gewagt, diesen Menschen durch heimliche Lebensmittelübergaben zu helfen. „Diese kleinen Gesten waren für die Häftlinge sicher große Zeichen. Solche Zeichen können überlebenswichtig sein“, so der Landesbischof.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche