Zum bevorstehenden Weihnachtsfest schreibt Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July:
Ein Engel hat es mir angetan. Er braucht ganze drei Worte, um Weihnachten auf den Punkt zu bringen: „Fürchtet euch nicht!“ Was ungewöhnlich ist für ein Fest, das heutzutage von der Fülle lebt: der Fülle an Geschenken, an Essen, an Melodien und, ja, auch an Worten.
„Fürchtet euch nicht!“ Der das sagt, den nennt die biblische Weihnachtsgeschichte den „Engel des Herrn“. Dieser „Engel des Herrn“ hat festgehalten, um was es an Weihnachten geht: um eine Zeitenwende, ab der Menschen keine Angst mehr zu haben brauchen. Keine Angst vor dem Leben, aber auch keine Angst vor dem Tod. „Denn euch ist heute der Heiland geboren.“ Was so viel heißt wie: Das Kind im Stall von Bethlehem schenkt uns Leben inmitten der Ängste, in denen wir uns befinden. Der Angst um den Arbeitsplatz. Der Angst um die Gesundheit. Der Angst vor dem Versagen. Der Angst um die, die uns wichtig sind. Und der Angst vor dem, was kommt, wenn wir einmal nicht mehr sind. Der Engel sieht unsere Angst, aber sie soll nicht mehr Furcht und Schrecken verbreiten. Darum spricht er mitten in unsere angstvolle Wirklichkeit hinein: „Fürchtet euch nicht!“
Übrigens ergeht diese Anti-Furcht- und Anti-Angst-Botschaft zunächst einmal an die „draußen“, an die „Hirten auf dem Felde bei den Hürden“. Was Weihnachten auch und vor allem zu einer Sache für „Außenseiter“ macht, also für die, die nicht zur Mitte der Gesellschaft gezählt werden. Wie überhaupt die große weihnachtliche Freude „allem Volk widerfahren wird“. Und zu „allem Volk“ gehören doch auch die, die als Flüchtlinge darauf warten, bei uns eine Heimat zu finden. Und die, die in Ländern ohne Religionsfreiheit leben oder tägliche Gewalt erfahren, wo Krieg und Unterdrückung und mit ihnen Furcht und Angst herrschen. Waffen aus Deutschland dürfen zu diesen Kriegen und dieser Unterdrückung nicht beitragen!
Wie gesagt: Ein Engel hat es mir angetan. Und dieser „Engel des Herrn“ hilft auch mir, Weihnachten zu verstehen: als ein Fest, an dem die Fülle an Geschenken, Essen und so weiter sein darf, aber nicht im Mittelpunkt stehen soll, sondern wo es im Kern darum geht – persönlich wie weltweit: „Fürchtet euch nicht!“
Ich wünsche Ihnen und uns allen ein gesegnetes Weihnachten: „Fürchtet euch nicht! Denn euch ist heute der Heiland geboren.“
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche