Fellbach. „Dieser Tag soll ein Zeichen des Dankes, der Ermutigung und des Aufbruchs sein“, sagte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July zu den 1.100 Kirchengemeinderätinnen und -räten, die am Samstag, 23. März, zum ersten Kirchengemeinderatstag in der Geschichte der württembergischen Landeskirche in die Fellbacher Schwabenlandhalle gekommen waren. „Was Sie tun, ist unersetzlich. Sie zählen zu den rund 150.000 Ehrenamtlichen, die in unserer Landeskirche mitarbeiten. Ohne Sie wären wir um einiges ärmer. Ohne Sie wären wir nicht evangelische Landeskirche.“ Der Kirchengemeinderatstag galt als Auftakt zur Kirchenwahl am 1. Advent.
Das Amt eines Kirchengemeinderats erfordere viel Mut und Kraft, so July. Manche würden sich fragen, ob sie das schaffen. Doch bei allen Problemen beobachte er, „dass in Württemberg vieles wachse und gedeihe“. Bei seinen Visitationsbesuchen erfahre er, wie „konstruktiv, sachorientiert und entschieden“ in den Kirchengemeinderäten gearbeitet werde. „Das ist auch für eine Kirchenleitung gut zu sehen.“
Kirche werde sich verändern, sagte der Landesbischof. „Sie werden das wesentlich mitgestalten“, so July. „Ich habe keine Angst um den zukünftigen Weg unserer Kirche. Und schon gar nicht, wenn ich Sie hier sehe und mir noch die anderen 7.000 Menschen dazu denke, die in Kirchengemeinderäten treu und verantwortungsbewusst ihren Dienst tun.“
Die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Professor Dr. Dr. h. c. Margot Käßmann, rief den Kirchengemeinderätinnen und -räten zu: „Wir sind Papst.“ In ihrem Vortrag „Ehrenamt als reformatorisches Erbe“ sagte sie, in der evangelischen Kirche gebe es keine Hierarchie zwischen ordiniert und nicht ordiniert. Jeder getaufte Christ sei nach lutherischem Verständnis Priester, Bischof und Papst. Es sei geradezu ein Kennzeichen der Kirche der Reformation, dass sie auf allen Ebenen von Haupt- und Ehrenamtlichen geleitet werde. Kirche müsse gemeinsam gestaltet werden. Die ambulante Pflegekraft sei ebenso wichtig wie der Banker.
Nach Käßmanns Worten kann keine Zivilgesellschaft ohne Ehrenamt leben. „Aus christlicher Sicht ist das Engagement in Kirche und Gesellschaft schlicht eine Selbstverständlichkeit“, betonte sie. Gottvertrauen mache Spaß. Die Menschen suchten auch in einer Zeit der Säkularisierung nach Orientierung und Glauben. „Gegen das sich verfestigende Bild, die Kirchen seien leer, trete ich gern an mit der Zahl von fünf Millionen Gottesdienstbesuchern.“ In den Fußballstadien seien es dagegen nur 700.000 Menschen pro Wochenende. Das Christentum müsse widerständig bleiben, Mut zeigen und eine Orientierungsleistung erbringen.
Margot Käßmann erinnerte an das Erbe der Reformation. Martin Luther habe sich als erster öffentlich und vehement für Bildungsgerechtigkeit und Bildungsteilhabe eingesetzt. Denn Glaube sei nach seinem theologischen Verständnis immer gebildeter und eigenverantwortlicher Glaube. Beim Reformationsjubiläum 2017 solle es deshalb „keinen Kult um Luther“ geben, forderte sie. „Wir müssen deutlich machen, dass es um eine vielfältige Bewegung geht, die Staat und Kirche verändert hat und wirksam ist bis heute.“ Die Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 sprach sich dafür aus, dem Jubiläumsjahr „eine deutlich ökumenische Dimension“ zu geben, auch die Schatten der Reformation zu benennen und den Dialog der Religionen zu pflegen. „Das gilt auch mit Blick auf Muslime“, sagte sie. „Wetterte Luther wider die Türken, so leben wir heute gemeinsam in einem Land. Wir brauchen Dialog und Begegnung, damit Religion nicht zum Konfliktfaktor wird.“
In Workshops und auf einem Markt der Möglichkeiten diskutierten die Besucherinnen und Besucher erfolgversprechende Ansätze, die Wahlbeteiligung bei der bevorstehenden Kirchenwahl am 1. Advent zu steigern. Mit einem Konzert von „GiO gospel im osten“, dem Gospelchor der Stuttgarter Heilandskirche, klang der erste Kirchengemeinderatstag der württembergischen Landeskirche aus.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche