Stuttgart. Aufgrund rückläufiger Einnahmen und zugleich steigender Versorgungsaufwendungen muss die Landeskirche in den kommenden Jahren massiv sparen. Der Oberkirchenrat hat dazu am ersten Tag der Frühjahrssynode einen detaillierten Vorschlag, die sogenannte Priorisierungsliste, vorgelegt, mit dem die jährlichen Kosten im Haushalt der Landeskirche im engeren Sinne, das sind die zentralen Dienste, Werke und Einrichtungen sowie der Oberkirchenrat, um rund 100 Millionen Euro reduziert werden sollen. Nach der Einbringung der Sparpläne durch den Oberkirchenrat, der synodalen Aussprache und einigen gestellten Änderungsanträge aus der Landessynode werden diese in den kommenden Monaten in den Fachausschüssen beraten. Die Landessynode wird voraussichtlich im Sommer über die Maßnahmen und im Herbst über den Nachtragshaushalt und damit über das Inkrafttreten entscheiden.
Oberkirchenrat legt der Landessynode Priorisierungsliste vor mit dem Ziel, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen
Stefan Werner, Direktor im Oberkirchenrat, bezeichnete in seinem Bericht den vorgelegten Entwurf als „Zäsur im Finanzverhalten der Landeskirche und den daraus abzuleitenden Strategien.“ Die Kirche sei gezwungen, sich zu fokussieren. Das vorgelegte Einsparpaket solle auch in Zukunft die Handlungsfähigkeit erhalten und vor drastischen Kürzungsschritten, beispielsweise ruckartigen Schließungen von Arbeitsfeldern oder betriebsbedingten Kündigungen, bewahren. Werner hob hervor, es seien „Prioritäten gesetzt und doch auch gleichmäßig in den Arbeitsfeldern Konsolidierungsbeiträge erarbeitet“ worden. Weiter berichtete Werner, es habe in den Ausschussberatungen den Vorschlag gegeben, Kürzungen im Bereich der Jugendarbeit zu reduzieren und dies durch die Aufgabe aller Tagungshäuser zu kompensieren. Dem habe das Kollegium aber nicht zustimmen können, da man sonst „unsere Zusage, keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen zu müssen, hätte aufgeben müssen“.
Oberkirchenrat Dr. Fabian Peters, Finanzdezernent der Landeskirche, erläuterte, wie sich die im Haushalt einzusparenden 103,9 Millionen Euro pro Jahr aufteilen: 41,7 Millionen Euro würden auf befristete, auslaufende Planansätze entfallen sowie auf die 155 Planstellen in der Verwaltung, die kw-Vermerke (= künftig wegfallend) erhalten hätten und in den kommenden Jahren entfielen. Für die weiter einzusparenden 62,2 Millionen Euro schlage der Oberkirchenrat vor, ab dem Jahr 2028 jährlich 58,5 Millionen Euro des laufenden Aufwands zu reduzieren. Die dann noch fehlenden 3,4 Millionen Euro könnten im Bereich der Evangelischen Regionalverwaltungen erst nach 2030 umgesetzt werden. Peters wies darauf hin, dass die meisten Reduzierungen erst zeitversetzt, zum Beispiel ab 2028, greifen würden. Die genannten 58,5 Millionen Euro verteilen sich laut Peters folgendermaßen: 19,8 Millionen Euro durch Reduzierung von Sachmitteln, 15,4 Millionen Euro betreffen Zuweisungen an Dritte, 14,9 Millionen Euro wegfallende Haushaltsreste, 8,3 Millionen Euro Streichung landeskirchlicher Personalstellen.
Tobias Geiger, Vorsitzender des Finanzausschusses, äußerte in seinem Bericht, das Kollegium des Oberkirchenrats beweise “mit der Priorisierungsliste Führungsstärke und übernimmt Verantwortung für unsere Kirche. Aber nicht topdown, von oben herab, nicht aus dem konsistorialen Elfenbeinturm heraus, sondern in enger Abstimmung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Oberkirchenrat und im Austausch mit den synodalen Ausschüssen.” Das Ergebnis sei “alles andere als ein Grund zur Freude, denn unserer Kirche werden schmerzhafte Einschnitte zugemutet. Aber der Finanzausschuss würdigt die Kraftanstrengung, die hinter diesem Ergebnis steht und mit der das Kollegium einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftssicherung unserer kirchlichen Arbeit leistet.” Geiger würdigte, dass der Schwerpunkt der Einsparungen in der kirchlichen Verwaltung und nicht in der inhaltlichen Arbeit liege. Es sei “bemerkenswert, wie konsequent das Kollegium mit der Aufgabenkritik im eigenen Haus anfängt und Einsparmöglichkeiten markiert.” Geiger machte deutlich, dass die Landessynode Veränderungen an dieser Priorisierungsliste vornehmen könne. Aber es müsse bewusst sein, “dass die Gesamtsumme nicht zur Diskussion steht. Wenn wir an einer Stelle weniger einsparen, müssen wir woanders stärker kürzen. Dieses Kompensationsprinzip kann nicht außer Kraft gesetzt werden, da wir sonst hinter den Einsparnotwendigkeiten zurückbleiben.” Besonders schmerze der Verzicht auf Finanzmittel zur synodalen Maßnahmenplanung, so Geiger. Er erklärte, von 2009 bis 2019 sei die Maßnahmenplanung zumeist vollständig aus zusätzlichen Kirchensteuereinnahmen finanziert worden. In den kommenden Jahren müsse jedoch “jeder Euro, den wir zusätzlich ausgeben, aus der Ergebnisrücklage genommen werden”. Geiger wies darauf hin, dass andere Landeskirchen durch Besoldungskürzungen bei Pfarrerinnen und Pfarrern sparen bzw. diese künftig im Angestelltenverhältnis beschäftigen wollen. Der Oberkirchenrat sei der Meinung, dass der Pfarrdienst durch den Stellenabbau im Zusammenhang des PfarrPlans 2030 bereits einen angemessenen Beitrag zu den Einsparnotwendigkeiten erbringt. Der Finanzausschuss werde die Entwicklung außerhalb von Württemberg aufmerksam beobachten.
Maike Sachs, stellvertretende Vorsitzende des Sonderausschusses für inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunktsetzung, hob in ihrem Bericht die „Intensität der Beratungen“ und „das gemeinsame Vorgehen von Kollegium, Fachausschüssen und Sonderausschuss“ hervor: „Hier ist niemand im Alleingang unterwegs, auch wenn manches Anliegen beharrlich vorgebracht und mehrfach intensiv diskutiert wird.“ Sachs berichtete auch über Gespräche mit der badischen Landeskirche, die aber bislang keine weiteren Kooperationsmöglichkeiten über die beiden Beauftragten für den christlich-jüdischen Dialog bzw. für den Dialog mit dem Islam sowie den beiden Archiven ergeben hätten. Dies verzögere auch die Überlegungen zum weiteren Weg der Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen.
Synodale bringen Anträge zu den vorgeschlagenen Sparmaßnahmen des Oberkirchenrats ein
Britta Gall (Pfalzgrafenweiler) betonte, Spardiskussionen seien immer Kirchenbilddiskussionen. Einsparungen seien sicher auch in Zukunft weiter nötig. Niemand habe Freude an Kürzungen, es sei aber Fokussierung auf das Wesentliche der Kirche nötig. Gall brachte den Antrag 10/25 ein, alle vier Tagungsstätten, die unter dem Dach „Evangelische Tagungsstätten Württemberg“ zusammengefasst sind, abzugeben.
Angelika Klingel (Heimsheim) kritisierte die eingebrachten Vorschläge zu Kürzungen bei den Gemeinschaften im Diakonat und brachte den Antrag 12/25 ein, diese Kürzung auf 20 % zu deckeln.
Siegfried Jahn (Schrozberg) legt die große Bedeutung des Evangelischen Jugendwerks dar und brachte Antrag 13/25 ein, die Kürzung beim Jugendwerk von 31 % auf 10 % zu senken.
Dr. Antje Fetzer-Kapolnek (Weinstadt-Beutelsbach) plädiert hinsichtlich der Ev. Akademie für den Erhalt der Qualität. Zudem brachte sie Antrag 14/25 ein, der auf den Erhalt der Landesstelle der Psychologischen Beratungsstellen in der Landeskirche abzielt.
Christiane Mörk (Brackenheim) freute sich, dass der kirchliche Entwicklungsdienst unangetastet bleibe. Sie merkte zudem an, die Kirchenmusik sei nicht ausreichend bedacht worden, und brachte Antrag 15/25 ein, die Kürzungen bei der Hochschule für Kirchenmusik aufzuschieben, bis über eine solidarische Finanzierung bei der EKD entschieden sei.
Kai Münzing (Dettingen an der Erms) sprach sich für den Erhalt der inhaltlichen Arbeit der Tagungshäuser aus, aber für die Aufgabe der Häuser an sich. Es brauche auch Orte der geistlichen Einkehr, Münzing stellte aber infrage, dass dazu die wirtschaftliche Trägerschaft des Stifts Urach nötig sei. Zudem brachte Münzing Antrag 16/25 ein, der die Auflösung der Prälaturen zum Ziel hat.
Eckart Schultz-Berg (Stuttgart) kritisierte zum einen, dass in der Diskussion das EJW und die Akademie Bad Boll in einen Gegensatz gebracht würden. Beides gehöre aber zusammen und müsse zusammen gesehen werden. Er brachte zum anderen Antrag 17/25 ein, der fordert, die Kürzung für die Pfarrfrauen-, Pfarrmänner- und Pfarrfamilienarbeit von 31 % auf 15 % reduziert werden soll.
Ruth Bauer (Alfdorf) machte deutlich, dass sie die 50-prozentige Kürzung bei der Evangelischen Akademie Bad Boll für unverhältnismäßig hält. Dies werde „enorm schaden“. Sie brachte Antrag 18/25 ein, die Kürzung auf 31 % zu reduzieren.
Jörg Beurer (Heilbronn) stellte fest, man werde sich sicher auf die meisten Kürzungen verständigen können. Man dürfe aber „die Schraube nicht überdrehen“ und müsse auch über das Tempo der Kürzungen nachdenken. Zudem brachte Beurer Antrag 19/25 ein, der darauf zielt, das Friedenspfarramt zu erhalten und bei der Akademie Bad Boll anzusiedeln.
Die Anträge wurden in den Sonderausschuss für inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunktsetzung verwiesen.
Dan Peter
Sprecher der Landeskirche
HINWEIS: Bilder von der Synodaltagung finden Sie im Pressebereich unserer Website. Auf der Tagungsseite finden Sie zudem alle Dokumente zu den beratenen Themen, etwa die ausführlichen Berichte und Antragstexte.