Stuttgart. Am Abend des 27. Juni hat die Sommertagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode im Stuttgarter Hospitalhof mit einem Gottesdienst begonnen. Die Tagung dauert bis Samstag, 29. Juni.
Bericht des Landesbischofs
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl sprach am Freitag vor der Synode in seinem Bischofsbericht über die tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft. Themen seines Berichts waren unter anderem: Die Veränderungen in der Kirche, der Ukraine-Krieg, die ForuM-Studie, der Nahost-Konflikt, das Anwachsen der politischen Rechten und die Diskussion über die Reform des Paragrafen 218.
Gohl hob die Bedeutung der Hoffnung für die Zukunft der Kirche hervor. „Kirche im Umbau“ heiße, „wir haben ein Hoffnungsbild von der neuen Gestalt der Kirche“. Gohl verwies auf das Beispiel der kleinen Waldenserkirche in Italien: „Als Kirche im Umbau können wir von dieser kleinen Diasporakirche Großes lernen: Hoffen und Handeln stehen im Mittelpunkt.“ Eine in der Hoffnung gegründete Kirche auf dem Weg gebe „diesen Segen an andere Menschen weiter und wird zum Segen für andere.“ Wichtig bei allem Umbau sei es, im Kontakt mit Gott zu bleiben: „Entscheidend ist, dass Kirche Gotteserfahrungen ermöglicht und die Menschen, die diese Erfahrungen in ihr machen, nicht in die Abhängigkeit oder Passivität drängt, sondern sie aufbrechen lässt.
Landesbischof Gohl benannte in seinem Bericht klar die Spannung, die in der Landeskirche zwischen unterschiedlichen Haltungen zu Waffenlieferungen für die Ukraine herrsche. Er selbst vertrete nach wie vor die Auffassung, ohne Gerechtigkeit könne es keinen Frieden geben, weshalb Waffenlieferungen gerechtfertigt seien. Zugleich habe er jedoch wiederholt zum Frieden aufgerufen. Gohl betonte, ihm sei es wichtig, dass „die Argumente, die beide Seiten mit Verweis auf Jesus von Nazareth anführen, in unserer Kirche miteinander im Gespräch bleiben.“
Gohl sagte weiter, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche, die Hilfe für die Betroffenen und die Prävention seien ein kontinuierlicher Prozess und die Beteiligung der Betroffenen sei zentral. Er dankte den Betroffenen für ihre Mitarbeit unter anderem bei den bislang vier Betroffenen-Foren.
Neben der Erschütterung über den Angriff der Hamas auf Israel sprach Ernst-Wilhelm Gohl auch das Aufflammen des Antisemitismus in Deutschland an und betonte, es bleibe Aufgabe der Kirchen, „an der Seite unserer jüdischen Geschwister zu stehen. Wie kann es gelingen, jetzt mit Jüdinnen und Juden hier in Deutschland so solidarisch zu sein, dass sie ein Gefühl der alltäglichen Sicherheit zurückgewinnen können […]?“ Gohl sagte mit Blick auf die drohende humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen: „Jedem Menschen, der dort zu Schaden kommt oder gar sein Leben verliert, gehört unser Mitgefühl.“ Kirche habe die Aufgabe, „in einer gewalttätigen und friedlosen Welt für Frieden und Gerechtigkeit einzustehen.“ Sie solle Gesprächsräume eröffnen, wo „unterschiedliche Positionen zu Wort kommen, ohne die Person, die anders denkt, sofort abzuwerten oder gar niederzubrüllen.“
Gohl wiederholte seine theologische Überzeugung, dass „die Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens nicht mit den Werten und dem dahinterliegenden Menschenbild einer rechtsextremistischen Partei wie der AfD zusammenpassen“. Es gehe ihm jedoch nicht darum, „Menschen aus der Kirche auszuschließen, sondern umgekehrt, Christen, die die AfD wählen, zum Nach- und Umdenken zu bewegen.“ Maßstab für eine Prüfung, ob politische Positionen mit dem christlichen Glauben zu verbinden sind, sei die Bibel, in der es immer auch um das Thema Gerechtigkeit gehe: „Es stimmt eben nicht, dass wenn jeder an sich denkt, an alle gedacht ist. Es ist nicht egal, wie es meinem Nächsten geht! Damit haben die ersten Christen überzeugt. Sie haben sich um alle gekümmert: Ob es ein geborener Römer war, ein Christ, ein Jude oder einer, der an heidnische Götter geglaubt hat.“ Da die AfD eine demokratisch legitimierte Partei sei, bedürfe es einer weiteren theologischen Klärung der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Glauben und AfD-Wahl. Gohl verwies dafür auch auf die Barmer Theologische Erklärung. Er hält es für notwendig, für den Umgang mit Vertretern der AfD innerhalb der Kirche, zum Beispiel in kirchlichen Wahlgremien, klare Kriterien zu entwickeln, die es bislang noch nicht gebe – „auch als Lernprozess aus dem Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945“. Dafür wünsche er sich „in der Synode eine theologische Debatte darüber, welche politischen Positionen mit unserem Verständnis des Evangeliums unvereinbar sind und welche Konsequenzen das für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende hat.“
Die von der Bundesregierung geplante Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs nach § 218 StGB kündigt für Gohl den Konsens zum Schutz des ungeborenen Lebens auf, und die Neupositionierung der EKD in dieser Frage führe zu einer einseitigen Schwächung des Grundrechts des ungeborenen Kindes auf Leben. Er betonte, ein abgestufter Lebensschutz werde dem Leben als Gottes Geschenk nicht gerecht, und begrüßte die Einrichtung einer Arbeitsgruppe des Kammernetzwerks der EKD zur Erarbeitung einer gemeinsamen Position.
Synodale beziehen Stellung zu „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ in Kirche, Fußball und Gesellschaft
In der Aktuellen Stunde bezogen die Synodalen Position zur derzeitigen Debatte um die Herkunft der Spieler der Nationalmannschaft während der Fußballeuropameisterschaft „Einigkeit und Recht und Vielfalt“. Sie hoben die gottgegebene Würde eines jeden Menschen hervor und führten aus, wie Christinnen und Christen und die Kirche zu einer vielfältigen Gesellschaft beitragen und gegen Ausgrenzung einstehen können. Für menschenverachtende Haltung dürfe in der Kirche kein Platz sein. Weiterhin brauche es Strukturen, damit Migranten und Migrantengemeinden sichtbar würden und an der Kirche der Zukunft mitwirken könnten. Mehrere Synodale berichteten zudem von alltäglichen Rassismuserfahrungen und grenzüberschreitendem Verhalten im direkten Umfeld von Familie und Freunden.
Schutzkonzept für die Landessynode
Synodalpräsidentin Sabine Foth berichtete im Bericht des Geschäftsführenden Auschusses über die Schutzstruktur, die sich die Landessynode im Kontext sexualisierter Gewalt in Landeskirche und Diakonie selbst gegeben habe und die an das EKD-Konzept angelehnt ist. Der Synode sei „eine Haltung der Achtsamkeit, der Aufmerksamkeit, des Respekts und der Wertschätzung sowie der grenzachtenden Kommunikation durch Wahrung persönlicher Grenzen gegenüber jedem Mitmenschen“ wichtig. Die Synodalpräsidentin verwies dabei auf die herausgehobene Vorbildfunktion und Verantwortung der Leitungspersonen in der Landeskirche. Was längst für die gesamte Landeskirche gilt, wird jetzt auch ausdrücklich auf das Kirchenparlament übertragen. Für die Synode der Landeskirche ist künftig eine Melde- und Ansprechstelle für Verdachtsfälle und Meldungen sexualisierter Gewalt eingerichtet - das sogenannte Awareness-Team. An diese Stelle könnten sich alle Synodale wenden, sagte Foth. Ein weiteres Element sei das landeskirchliche Web Based Training, das für die Thematik sexualisierte Gewalt sensibilisieren und zum präventiven Handeln befähigen soll. „Eine solche Schutzstruktur gilt es immer wieder zu evaluieren“, hob Foth hervor.
Themen für den Samstag
Am 29. Juni befassen sich die Synodalen unter anderem mit den landeskirchlichen Finanzen: Zum einen mit der Maßnahmenplanung 2024 bis 2028 inklusive Maßnahmen außerhalb der Maßnahmenplanung, in der neben der regulären Haushaltsplanung zusätzliche Projekte und Aufgaben finanziert werden. Zum anderen mit der Haushaltskonsolidierung zur Verbesserung der finanziellen Zukunftssicherheit der Landeskirche. Weitere Punkte auf der Tagesordnung sind unter anderem das Missionsverständnis sowie die Schöpfungsleitlinien der Landeskirche.
Dan Peter
Sprecher der Landeskirche
Hinweis: Ausführliche Berichte sowie alle Dokumente zu den genannten Themen finden Sie hier. Pressebilder der Synodaltagung gibt es hier.