12.08.2024

500 Jahre Abendmahl mit Brot und Wein für alle: Wie am 14. August 1524 in Reutlingen württembergische Kirchengeschichte geschrieben wurde

Matthäus Alber lud zum Abendmahl in beiderlei Gestalt nach Reutlingen ein – und überwand damit ein sichtbares Symbol der Trennung der Gesellschaft in Geweihte und Nicht-Geweihte

Stuttgart/Reutlingen: Es war eine Sensation und sollte den Prädikanten Matthäus Alber an den Rand des Ketzerei-Vorwurfs bringen: „Wir können uns heute kaum mehr vorstellen, welche unerhörte Umwälzung es bedeutete, als am 14. August 1524 Matthäus Alber in Reutlingen nicht nur die Messe auf Deutsch feierte, sondern den Gläubigen sogar das Abendmahl in Form von Brot und Wein anbot. Es war viel Glaubensmut nötig, so gefährlich nah an der Ketzerei zu agieren. Mit einem Mal war die volle Teilhabe für alle zugänglich. Bis heute wirkt dies fort.“, so Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl aus Anlass des Jubiläums. Bis dahin war es nur den Klerikern gestattet während des Abendmahls aus dem Kelch zu trinken – dies war über Jahrhunderte ein sichtbares Symbol der Trennung der Gesellschaft in Geweihte und Nicht-Geweihte. „Bei der Feier des Abendmahls erleben wir, dass die Unterschiede, die wir Menschen sonst machen, in Christus aufgehoben sind. Das Abendmahl ist so bis heute eine zentrale Form der Stärkung im Glauben.“

Von weit her strömten die Menschen nach Reutlingen, selbst aus Esslingen und gar Herrenberg seien sie gekommen, um die Sensation der deutschsprachigen Messe und des Abendmahlskelchs für die Laien zu erleben, so Dr. Susanne Schenk, Theologische Referentin des Landesbischofs. Sie hätten einen Abendmahlsgottesdienst erlebt, „der anders aussieht, klingt und schmeckt als die bisherigen“, Zeitgenossen heben auch Albers besondere Lautstärke hervor: „Die ‚Laien‘ erhielten also vollen Anteil an den Worten wie an den Gaben des Abendmahls.“

Mit Blick auf die Vielfalt der biblischen Motive, die im Abendmahl zusammenkommen, sagt Oberkirchenrat Dr. Jörg Schneider, Leiter des theologischen Dezernats im Oberkirchenrat: „Es geht um eine tiefe Gemeinschaft, ja um das Eins-Werden mit Jesus. So ist es zu verstehen, wenn er von seinem Leib und Blut spricht, das die Jünger während des Mahls zu sich nehmen. Inniger als jemanden in sich aufnehmen kann man nicht verbunden sein. Die Jünger verleiben sich Jesus ein und bilden damit einen gemeinsamen Leib.“ Schneider betont: „Das Abendmahl entzieht sich seiner genauen Ausdeutung. Es ist ein Geheimnis, dem man sich immer neu annähern, es aber nicht vollkommen erfassen kann. (…) In Reutlingen konnte man vor 500 Jahren erneut diesem Geheimnis nachspüren, eine unergründliche Faszination, der man am besten gemeinsam im Gottesdienst nachgeht.“


Dan Peter
Sprecher der Landeskirche

Hinweis: Die vollständigen Texte von Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, Oberkirchenrat Dr. Jörg Schneider und Dr. Susanne Schenk finden Sie im Artikel im Newsbereich unserer Homepage elk-wue.de

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