04.04.2023

„Wo ist dieser Gott? Er ist bei uns.“

Zur Karfreitags-Predigt von Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl

Stuttgart. In seiner Karfreitags-Predigt in der Stuttgarter Stiftskirche über den Predigttext aus Kol 1,12-20 erinnert Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl an das Bombardement Kiews am 23. November 2022, nach dem 80 Prozent der Stadt in völliger Dunkelheit gelegen hätten: „In der Nacht, die den Angriffen folgte, fiel Kiew in tiefe stromlose Dunkelheit. Augenzeugen berichteten, sie hätten die Stadt noch nie so finster gesehen. „Stockdunkel“ sei es gewesen. […] Dieses Wort klingt bei mir nach. Kinder haben im Dunklen Angst. ‚Lass die Tür noch einen Spalt weit auf‘, sagen sie. […] Das klingt nach mehr als einer Dunkelheit, die beim Sonnenaufgang verschwindet. Diese Dunkelheit ist mehr. Sie ist Finsternis. Diese Finsternis macht Angst. Diese Finsternis hat Macht über uns. Sie isoliert uns, sie macht einsam.“

Karfreitag sei der Tag dieser Finsternis, so Gohl, „der Tag des schwarzen Todes. Als Jesus stirbt, so berichtet es das Matthäusevangelium, sei eine Sonnenfinsternis eingetreten. Die Finsternis ist der Ort des Todes.“ Dieser Macht des Todes könne niemand entkommen, sie mache Angst. Und diese Angst gehöre zu Karfreitag dazu.

Aber, so Gohl, „wenn das alles wäre, dann wären wir heute nicht hier. Das Christentum ist kein Todeskult. Vielmehr haben wir auch an Karfreitag die begründete Hoffnung, dass Jesu Tod die Welt verändert hat.“

Der Predigttext aus dem Kolosserbrief sei zugleich ein Freudenlied und ein Karfreitagslied. Er enthalte eine Behauptung, die wirke, „wie bei einem Kind im dunklen Zimmer, das furchtbar Angst hat, und die Mutter dreht den Lichtschalter herum, und plötzlich ist das ganze Zimmer hell erleuchtet. Dieser Lichtschalter-Satz lautet: Gott hat uns errettet aus der Macht der Finsternis. Keine epochale Dunkelheit mehr, keine Angst in der Nacht. Jesus hatte bei seiner Verhaftung gesagt: Dies ist die Macht der Finsternis. Diese Macht ist jetzt gebrochen. Gott hat uns errettet aus der Macht der Finsternis. Wie in einem Reich der Dunkelheit lebten wir Menschen. Jetzt leben wir in einem neuen Reich. Im Reich des Sohnes.“

Der Karfreitag stelle die Frage, die auch der Glaube stelle: „Wo ist Gott? Die Frage ist drängend, weil wir das viele Leid manchmal kaum mehr aushalten können.“ Der Predigttext gebe die Antwort: „Dieser Gott ist der, der sein Blut für uns lässt und sein Leben. Der unser Scheitern zu seiner Sache macht und ganz klein und kümmerlich am Kreuz endet. Wo ist dieser Gott? Er ist bei uns.“


Dan Peter
Sprecher der Landeskirche 

 

Hinweis: Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hält die Predigt im Gottesdienst am Karfreitag um 10:00 Uhr in der Stuttgarter Stiftskirche. Den Predigttext aus Kol 1,12-20 finden Sie hier. Fotos von Ernst-Wilhelm Gohl finden Sie im Pressebereich unserer Homepage www.elk-wue.de.

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