16.03.2013

Landessynode geht mit Debatte über "PfarrPlan 2018" zu Ende

Synodale beschließen Nachtragshaushalt 2013 und ermöglichen Abschaffung der Studiengebühren an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg

Stuttgart/Biberach an der Riß. Am Samstag ist die Frühjahrstagung der württembergischen evangelischen Landessynode in Biberach zu Ende gegangen. Am letzten der drei Sitzungstage haben die Synodalen den Nachtragshaushalt 2013 beschlossen, der unter anderem die Streichung der Studiengebühren für die Evangelische Hochschule Ludwigsburg ermöglicht. Außerdem hat die Landessynode den „PfarrPlan 2018“ beschlossen, das landeskirchliche Planungsinstrument, mit dem eine gerechte und funktionierende Verteilung der Pfarrstellen auf die gesamte Landeskirche erreicht werden soll.

Der Personaldezernent der Landeskirche, Oberkirchenrat Wolfgang Traub betonte, dass der „PfarrPlan 2018“ kein Stellenkürzungsinstrument sei, sondern unter anderem eine übergreifende solidarische Umverteilungskomponente enthalte, um unterschiedlichen Entwicklungen in den Kirchenbezirken Rechnung zu tragen. Dabei sei auch die Entwicklung der Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer, der Gemeindegliederzahlen, der Stellenverteilung und der kirchlichen Finanzen berücksichtigt. Nachdem die Landessynode bei ihrer Herbsttagung 2011 die Zielvorgaben für die Zahl der Gemeindepfarrstellen zum Ende des Jahres 2018 zur Kenntnis genommen hat und daraufhin in den Kirchenbezirken Vorschläge erarbeitet wurden, die die Bezirkssynoden mehrheitlich beschlossen haben, hat inzwischen der „Sonderausschuss PfarrPlan 2018“ diese Konzepte geprüft, Proteste und Widersprüche diskutiert, bearbeitet und in einigen wenigen Fällen aufgenommen. Bis 2018 soll sich demnach die Zahl der besetzten Gemeinde- bzw. gemeindebezogenen Sonderpfarrstellen auf 1391,75 belaufen. Im Vergleich zum Stand 2011 ergibt sich bis 2018 eine Verringerung der Gemeinde- bzw. gemeindebezogenen Sonderpfarrstellen um 87. Die Zahl der Sonderpfarrstellen soll in dieser Zeit um 23 auf 275 sinken. Die Landessynode hat den „PfarrPlan 2018“ zur Kenntnis genommen und die Stellenpläne im Rahmen des Nachtragshaushaltes beschlossen.

Außerdem hat die Landessynode einen Nachtragshaushalt für 2013 beschlossen. Darin enthalten sind Mittel für die Evangelische Hochschule Ludwigsburg (EHL), die die Streichung der Studiengebühren an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg ab dem Sommersemester 2013 ermöglichen.

Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July informierte die Synodalen darüber, dass die Vorarbeiten für die von ihm einberufene Arbeitsgruppe „Leben im Pfarrhaus“ abgeschlossen sind und die mit Personen auch über Württemberg hinaus besetzte Gruppe bald zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommt. Diese Gruppe wird empirische Untersuchungen zur Lebensrealität in evangelischen Pfarrhäusern in Württemberg anstoßen und auf Grundlage dieser Ergebnisse beraten sowie verschiedene beteiligte Gruppen hören. Auch die Erwartungen an das „Pfarrhaus“ werden eine Rolle spielen. „Sie sehen, wir gehen dieses Thema sehr gründlich und nachhaltig an. Das wird seine Zeit brauchen, aber ich erwarte, dass wir am Ende eine solide Grundlage für die breite Diskussion in der Landeskirche haben“, so der Landesbischof.

Nachdem die Landessynode am Freitag das Gesetz über die Fusion der Kirchenbezirke Bad Urach und Münsingen zur Behandlung in den Rechtsausschuss verwiesen hat, wird die Bezirkssynode Bad Urach im April auch zum Gesetzentwurf einen formellen Beschluss fassen. Der Kirchenbezirk Münsingen hat bereits in einer Sondersynode der Fusion zugestimmt. Damit kann in der Sommersynode dieses Gesetz rechtzeitig verabschiedet werden, um die Zusammenführung der Kirchenbezirke mit der nötigen Sicherheit für alle Vorbereitungen und Verwaltungsvollzüge zur Kirchenwahl am 1. Dezember 2013 zu bewerkstelligen.

In der Frage, ob es eine rechtsverbindliche Frauenquote für Leitungsämter in der Landeskirche geben soll oder nicht, fassten die Synodalen den Beschluss, einem im Rechtsausschuss erarbeiteten Antrag zu folgen. Dieser wurde mit großer Mehrheit bei vier Enthaltungen und 19 Gegenstimmen angenommen. Damit gilt, dass die Landeskirche bis zum Jahr 2023 eine paritätische und chancengleiche Zusammensetzung ihrer Gremien, Organe und Leitungsstellen anstrebt und mit geeigneten Maßnahmen fördert.

Weiterhin will die Landessynode die Position der rund 1.000 Diakoninnen und Diakone in der Landeskirche gestärkt sehen. Der Sonderausschuss Diakonat schlug der Synode vor, einen festgelegten Anteil der Kirchensteuerzuweisungen für Personal- und Sachkosten im Diakonat zu verwenden. Dadurch sollen die Neuanstellung erleichtert und vorhandene Stellen nachhaltig erhalten werden. Konkrete Beschlüsse dazu können allerdings erst bei einer späteren Synodaltagung gefasst werden.

Am Donnerstag hatten die Synodalen nach einem Auftaktgottesdienst der Deportation von Sinti und Roma vor 70 Jahren gedacht. In seiner Ansprache wies der Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, Daniel Strauß, darauf hin, dass Protestanten und Katholiken in der Zeit des Nationalsozialismus seiner Volksgruppe nicht ausreichend zur Seite gestanden hätten. Ein Aufschrei sei ausgeblieben, als vor 70 Jahren die Deportation von Sinti und Roma im Südwesten begann. Dabei seien 80 Prozent der von den Nationalsozialisten getöteten Sinti und Roma katholisch gewesen, die übrigen meist evangelisch. Strauß mahnte Defizite auch in der Gegenwart an und zitierte aus einer aktuellen Studie zu Antiziganismus. Ihr zufolge sagen mehr als 40 Prozent der deutschen Bevölkerung, sie hätten Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in ihrer Gegend aufhielten. Fast 28 Prozent stimmten der Verbannung von Sinti und Roma aus den Städten zu. Mehr als 44 Prozent unterstellten ihnen, zu Kriminalität zu neigen. Wenn ähnliche Einstellungen gegenüber Juden geäußert würden, so Strauß, gäbe es einen Aufschrei. Als ermutigend bezeichnete Strauß, dass das Bundesland Baden-Württemberg das Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus aufrechterhalte, und begrüßte, dass in diesem Jahr eine dem Vertrag mit den israelitischen Kultusgemeinden ähnliche Vereinbarung des Bundeslandes mit Sinti und Roma abgeschlossen werden soll.

Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July nannte das Gedenken den Beginn eines Weges miteinander und nicht etwa den Abschluss eines rituellen Gedenkens. July rief zu einer differenzierten Debatte innerhalb der Europäischen Union auf: „In den letzten Wochen sind zur Frage der Situation von Sinti und Roma in Ländern wie Bulgarien und Rumänien und der Herausforderung durch mögliche und tatsächliche Wanderungsbewegungen nach Deutschland leider wieder viele Klischees hervorgeholt worden. Jede und jeder von uns sollte die Aneinanderreihung von Klischees und Vorurteilen bestreiten. Sie vergiften die Debatte und verbauen das gelingende Zusammenleben in der Zukunft.“ July appellierte, „diese Stigmatisierungsgeschichte ein für alle Mal zu beenden“.

Abschließend bat der Landesbischof um Vergebung und entzündete eine Kerze: „Vor 70 Jahren haben Menschen in Deutschland, darunter auch viele Christen, sich in den Dienst des Bösen nehmen lassen und selbst Böses getan. Auch die christlichen Kirchen haben an Diskriminierung und Schuldverflechtung ihren Anteil. Wir verneigen uns vor den Opfern und bitten Gott den Herrn: Vergib uns unsere Schuld."

Zuletzt hatte die Landessynode 1998 in Biberach getagt. Die 99 Synodalen (einschließlich der vier Jugendsynodalen) vertreten die knapp 2,2 Millionen Mitglieder der württembergischen Landeskirche. Diese ist die einzige Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), deren Landessynodale direkt von den Gemeindemitgliedern gewählt werden. Zu ihren Aufgaben zählen die kirchliche Gesetzgebung, der Beschluss über den landeskirchlichen Haushalt und die Kirchensteuer sowie die Wahl des Landesbischofs. Eine Wahlperiode der württembergischen Landessynode dauert sechs Jahre. Die nächste Synode wird gemeinsam mit den Kirchengemeinderäten am 1. Dezember 2013 gewählt.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche

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