Reutlingen/Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat am Freitag, 7. Juli, beim Schwerpunkttag der Landesssynode zur Aktualität von Luthers Rechtfertigungslehre gesprochen. Dabei hob er deren Bedeutung für politisches und persönliches Handeln hervor.
Kretschmann verwies auf Luthers reformatorische Entdeckung, dass nicht der Mensch durch seine guten Werke gerechtfertigt sei, „sondern ohne Gegenleistung, völlig unverdient“. Dies sei aber ein „völlig anderes Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis, als wir es sonst kennen“. Eine Konsequenz daraus sollte nach Ansicht des Ministerpräsidenten der Einsatz für die Freiheit aller Menschen sein. „Wenn schon meine Werke nicht zur Rechtfertigung führen, so muss wenigstens meine Rechtfertigung zu Werken führen“, sagte er. „Ob im politischen Amt, im kirchlichen Dienst oder im privaten Alltag: Das gilt für uns alle, jeden Tag.“
Zwar habe eine Übertragbarkeit der Rechtfertigungslehre auf das politische System und unsere Gesellschaft Grenzen, Rechtfertigung spiele aber auch im politischen Alltag eine Rolle, so müsse sich politisches Handeln vor dem Wähler rechtfertigen. „Zudem ist es an Recht und Gesetz gebunden. Und schließlich ist der Mensch von Gott mit Vernunft und Freiheit begabt, eine Freiheit, die zur Verantwortung verpflichtet. Diese Verantwortung bedeutet, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, an die Folgen des eigenen Handelns zu denken und dann auch Rechenschaft abzulegen über das eigene Tun.“
Kretschmann sprach auch die Kritik an seiner Entscheidung an, Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu stoppen. Weil er als Ministerpräsident an geltendes Recht, damit die Entscheidung des Bundes und Gerichtsurteile gebunden sei, könne er nicht beliebig über den Vollzug einer Abschiebung befinden, unabhängig von seiner persönlichen Meinung. „Wenn ich aber eine Änderung der Rechtslage nicht herbeiführen kann, dieser Rechtslage aus Gewissensgründen aber auch nicht folgen kann, muss ich mein Amt zur Verfügung stellen, kann aber nicht einfach das Gesetz ignorieren.“
Zuvor hatte der Tübinger Theologe Professor Dr. Christoph Schwöbel Luthers Rechtfertigungslehre als nach wie vor aktuell bezeichnet. Die Menschen heute stünden unter einem permanenten „Rechtfertigungsdruck“ und müssten sich vor einer Vielzahl „Tribunalen“ rechtfertigen. Im Gegensatz dazu sage Luthers Lehre von der Rechtfertigung, dass Gott dem Menschen seine eigene Gerechtigkeit schenke. Er könne und müsse sich seine Gerechtigkeit nicht mit eigener Anstrengung verdienen, so Schwöbel.
Die Tagung der Landessynode dauert noch bis Samstag. Dann wird es um einige Kirchengesetze sowie in einer „Aktuellen Stunde“ anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg um Partnerschaft mit Afrika gehen.
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche