Stuttgart. „Die Menschen in Baden-Württemberg haben dem Gestaltungswillen Lothar Späths, seinen Impulsen und seiner Tatkraft viel zu verdanken. Er hat die Begabungen, die Gott ihm geschenkt hat, zur Gabe für andere gemacht“, sagte der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July im Trauergottesdienst für Lothar Späth am Mittwoch, 30. März, in der Stuttgarter Stiftskirche. Der frühere Ministerpräsident habe als Jugendlicher im Pfarrhaus und in der kirchlichen Jugendarbeit eine zweite Heimat gefunden und damals sogar überlegt, Missionar zu werden, so July bei seiner Predigt über Philipper 3,12, dem Konfirmationsspruch von Lothar Späth. „Ich erkenne bei ihm einen missionarischen Eifer in dem Willen, Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durchzusetzen.“
Obwohl Lothar Späth ein Macher war, hätte er gewusst, dass das Leben ein Geschenk sei und dass es Bruchstellen im Leben gebe, betonte July. Das habe Späth besonders schmerzhaft erfahren, als er als Ministerpräsident zurücktrat. Späth habe über die Höhen und Tiefen des Lebens nachgedacht und auch bei der Sanierung der Jenoptik sowie später in der Führungsverantwortung eines internationalen Finanzdienstleisters gewusst, was für eine begrenzte Aussagekraft menschliche Leistungskennzahlen hätten. Ihm sei klar gewesen, dass Leben immer geliehenes Leben ist, „Leben in der Vorläufigkeit, das aber zugleich mit Einsatz, Begabung und Tatwillen gelebt werden will“.
„In den letzten Jahres seines Lebens ist Lothar Späth in das ‚Land des Vergessens‘ geführt worden, aber nicht in das ‚Land des Vergessenwerdens‘“, sagte July. Doch obwohl ihm vieles nicht mehr präsent gewesen sei, hätte er mit großer Erinnerung die geistlichen Lieder seiner Jugend gesungen. „Das waren die Lieder, die er in der Kinderkirche und der Jugendarbeit gelernt hatte. Hier schließt sich der Kreis“, so der Landesbischof, der auf Ostern verwies: „Ostern hat uns vor Augen geführt, dass in unserem vorletzten Leben, auch in dieser vorletzten Welt, eine neue göttliche Wirklichkeit aufscheint. Dieses Osterlicht gilt auch Lothar Späth.“
Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche