05.07.2013

"Inklusive Gemeinde" Schwerpunkt bei Sommertagung der Landessynode

Landesbischof July wirbt für mehr Beteiligung von Menschen mit Behinderung am Gemeindeleben

Stuttgart/Bad Mergentheim. Über „Inklusion und diakonische Gemeindeentwicklung“ haben die Mitglieder der Württembergischen Evangelischen Landessynode und ihre Gäste im Rahmen der Sommertagung am Freitagvormittag in Bad Mergentheim beraten. Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July betonte, Inklusion sei ein ureigenes biblisches Anliegen und warb für einen weit gefassten Inklusionsbegriff, der auch arme, alte, erwerbslose, psychisch kranke oder behinderte Menschen umfasse. Vielfach hätten die Gemeinden schon inklusive Angebote entwickelt. Sie sollten an Menschen mit Behinderungen Signale senden, „dass sie uns willkommen sind und wir uns über ihre Beteiligung am Leben der Gemeinde freuen!“

Wichtig sei, so der Landesbischof, nicht nur zu fragen, „was wir für Menschen mit Behinderung tun können, sondern auch danach zu suchen, was wir miteinander verändern und entwickeln können. Es geht also um eine Veränderung der Perspektive. Menschen mit Behinderung sollen selbst sagen können, was für sie wichtig ist und wie sie sich in die Gemeinde einbringen wollen.“ In Deutschland leben zehn Millionen Menschen mit körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigung. „Ihre Beeinträchtigungen werden aber erst durch die gesellschaftlichen Reaktionen zu Behinderungen“, so July.

Der Landesbischof wandte sich an die Gemeinden und wies auf ihre Aufgabe vor Ort hin: „Ich ermutige Sie, dass Sie sich als Teil des Gemeinwesens verstehen und in lokale Netzwerke einbringen. Sie können hier einen wichtigen Beitrag leisten, dass Menschen mit Behinderung, arme und alte Menschen, benachteiligte Kinder und Jugendliche oder Zugewanderte am gemeinschaftlichen Leben vor Ort teilhaben können. So kann eine inklusive Kultur in unserer Gesellschaft gedeihen.“ Regelmäßige Tage der Begegnung zusammen mit den Kommunen, Vereinen und Behinderteneinrichtungen am Ort ließen das Verständnis füreinander wachsen. Erste Schritte seien barrierefreie Zugänge zu Gemeindehäusern, eine verständlichere, so genannte „Leichte Sprache“, eine größere Schrift im Gemeindebrief oder eine gut lesbare Internetseite.

Kritisch äußerte sich Landesbischof July zu vorgeburtlichen Tests, mit denen mögliche Behinderungen erkannt werden könnten. „In vielen Fällen entscheiden sich Paare für einen Schwangerschaftsabbruch. Sie können sich ein Leben mit einem Kind mit Behinderung in einer Gesellschaft nicht vorstellen, die hier offen oder versteckt mit Unverständnis reagiert. Diese Entwicklung verfolgen wir als Kirche mit Sorge. Wir sehen aber auch die Notwendigkeit, mit aller Kraft daran mitzuwirken, dass die Lebensbedingungen unserer Gesellschaft die Eltern beim Ja zum Leben unterstützen.“

Die Landessynode hat sich das Wort des Landesbischofs zu eigen gemacht. Es geht nun als Diskussionsanregung an die Gemeinden, um dort Wege zu entwickeln, wie Inklusion weiter umgesetzt werden kann.

Der siebenfache Paralympics-Teilnehmer und vierfache Medaillengewinner im Tischtennis, Rainer Schmidt, wies darauf hin, dass Menschen nicht gleichartig, sondern gleichwertig seien. Er definierte Inklusion als „das selbstverständliche Zusammenleben von unterschiedlich Behinderten“. Der Pfarrer der Rheinischen Landeskirche, der ohne Unterarme geboren wurde, nannte die Haltung seines ehemaligen Schulleiters vorbildlich, der damals fragte: „Was müssen wir als Schule tun, damit Sie hier Abitur machen können?“ Gemeinsam mit den behinderten Menschen sei die Frage zu bearbeiten „Was muss ich verändern, damit du reinpasst?“ Er rief dazu auf, „im Menschen nicht den Behinderten zu sehen – sondern den Menschen mit Stärken und Schwächen.“ Gott wisse, dass jeder unterschiedlich sei, „und wenn das gelebt werde, sei das der Himmel auf Erden.“

Die Beiträge des Vormittags wurden durch den landeskirchlichen Gehörlosenpfarrer Roland Martin in Gebärdensprache übersetzt. Für die musikalische Umrahmung sorgte die inklusive Band „Na und!“ mit Menschen mit und ohne Behinderungen aus der diakonischen Einrichtung Pfingstweid in Tettnang.

Am Freitagnachmittag beschäftigen sich die Synodalen noch mit dem Diakonat sowie dem zweiten Nachtragshaushalt 2013.

Die 95 Landessynodalen tagen bis zum Samstag, 6. Juli, im nördlichsten Kirchenbezirk der Landeskirche, dem Dekanat Weikersheim.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche

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