05.07.2013

"Inklusive Gemeinde" Schwerpunkt bei Sommertagung der Landessynode

Synode will mehr als zwei Millionen Euro für Entwicklung der Diakonen-Arbeit bereitstellen und verabschiedet Nachtragshaushalt 2013

Stuttgart/Bad Mergentheim. Am zweiten Tag ihrer Sommertagung in Bad Mergentheim haben die Mitglieder der Württembergischen Evangelischen Landessynode und ihre Gäste über „Inklusion und diakonische Gemeindeentwicklung“ beraten, die Zukunft des Diakonats mit einem zwei Millionen Euro schweren Maßnahmenpaket gestärkt sowie den zweiten Nachtragshaushalt 2013 beschlossen.

Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July betonte, Inklusion sei ein ureigenes biblisches Anliegen und warb für einen weit gefassten Inklusionsbegriff, der auch arme, alte, erwerbslose, psychisch kranke oder behinderte Menschen umfasse. Vielfach hätten die Gemeinden schon inklusive Angebote entwickelt. Sie sollten an Menschen mit Behinderungen Signale senden, „dass sie uns willkommen sind und wir uns über ihre Beteiligung am Leben der Gemeinde freuen!“

Wichtig sei, so der Landesbischof, nicht nur zu fragen, „was wir für Menschen mit Behinderung tun können, sondern auch danach zu suchen, was wir miteinander verändern und entwickeln können. Es geht also um eine Veränderung der Perspektive. Menschen mit Behinderung sollen selbst sagen können, was für sie wichtig ist und wie sie sich in die Gemeinde einbringen wollen.“ In Deutschland leben zehn Millionen Menschen mit körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigung. „Ihre Beeinträchtigungen werden aber erst durch die gesellschaftlichen Reaktionen zu Behinderungen“, so July.

Der Landesbischof wandte sich an die Gemeinden und wies auf ihre Aufgabe vor Ort hin: „Ich ermutige Sie, dass Sie sich als Teil des Gemeinwesens verstehen und in lokale Netzwerke einbringen. Sie können hier einen wichtigen Beitrag leisten, dass Menschen mit Behinderung, arme und alte Menschen, benachteiligte Kinder und Jugendliche oder Zugewanderte am gemeinschaftlichen Leben vor Ort teilhaben können. So kann eine inklusive Kultur in unserer Gesellschaft gedeihen.“ Regelmäßige Tage der Begegnung zusammen mit den Kommunen, Vereinen und Behinderteneinrichtungen am Ort ließen das Verständnis füreinander wachsen. Erste Schritte seien barrierefreie Zugänge zu Gemeindehäusern, eine verständlichere, so genannte „Leichte Sprache“, eine größere Schrift im Gemeindebrief oder eine gut lesbare Internetseite.

Kritisch äußerte sich July zu vorgeburtlichen Tests, mit denen mögliche Behinderungen erkannt werden könnten. „In vielen Fällen entscheiden sich Paare für einen Schwangerschaftsabbruch. Sie können sich ein Leben mit einem Kind mit Behinderung in einer Gesellschaft nicht vorstellen, die hier offen oder versteckt mit Unverständnis reagiert. Diese Entwicklung verfolgen wir als Kirche mit Sorge. Wir sehen aber auch die Notwendigkeit, mit aller Kraft daran mitzuwirken, dass die Lebensbedingungen unserer Gesellschaft die Eltern beim Ja zum Leben unterstützen.“

Die Landessynode hat sich das Wort des Landesbischofs zu eigen gemacht. Es geht nun als Diskussionsanregung an die Gemeinden, um dort Wege zu entwickeln, wie Inklusion weiter umgesetzt werden kann.

Der siebenfache Paralympics-Teilnehmer und vierfache Medaillengewinner im Tischtennis, Rainer Schmidt, wies darauf hin, dass Menschen nicht gleichartig, sondern gleichwertig seien. Er definierte Inklusion als „das selbstverständliche Zusammenleben von unterschiedlich Behinderten“. Der Pfarrer der Rheinischen Landeskirche, der ohne Unterarme geboren wurde, nannte die Haltung seines ehemaligen Schulleiters vorbildlich, der damals fragte: „Was müssen wir als Schule tun, damit Sie hier Abitur machen können?“ Gemeinsam mit den behinderten Menschen sei die Frage zu bearbeiten „Was muss ich verändern, damit du reinpasst?“ Er rief dazu auf, „im Menschen nicht den Behinderten zu sehen – sondern den Menschen mit Stärken und Schwächen.“ Gott wisse, dass jeder unterschiedlich sei, „und wenn das gelebt werde, sei das der Himmel auf Erden.“

Die Landessynode hat am Nachmittag ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, um den Diakonat zu stärken. Danach können u.a. Diakoninnen und Diakone ab 2014 auch von der Landeskirche, also zentral, angestellt werden, sofern die die Kirchenbezirke dies refinanzieren. Bisher werden sie auf Kirchenbezirksebene oder von Träger- und Fördervereinen angestellt. Oberkirchenrat Werner Baur sprach von einem „starken Signal“. Der Diakonat falle nicht unter die Rubrik „nice to have“, sondern sei „Wesensäußerung von Kirche“. Der Sonderausschuss Diakonat habe sich bemüht „der diakonischen Dimension von Kirche Perspektive, Vision und freudige Konkretion“ zu geben. Insgesamt stellt die Landeskirche dafür rund zwei Millionen Euro bereit.

Außerdem verabschiedeten die Synodalen den von Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup vorgestellten zweiten Nachtragshaushalt 2013. Die Finanzausschussvorsitzende Inge Schneider kritisierte dabei die Erhöhung der Mittel für Bau- und Sanierungskosten. In der Frage des künftigen Rechnungswesens hielte der Finanzausschuss eine schnellere Umstellung vom gegenwärtig verwendeten kameralistischen auf das kaufmännische System für unausweichlich und habe entsprechend für 2013 die vorgesehenen Mittel für den Nachtrag angepasst. Insgesamt gab der Finanzausschuss seine Zustimmung zum Nachtragshaushalt. Dem folgte die Synode.

Am Samstag beschäftigen sich die 95 Synodalen mit Fragen der Taufordnung und des Abendmahls sowie einer Reihe Kirchengesetze.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche

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