Winterlingen. Was sich die Evangelische Landeskirche in Württemberg für viele Orte wünscht, ist im Zollernalbkreis bereits Realität: Dort wird gelebte Ökumene sichtbar, oder besser gesagt: hörbar. Denn in Winterlingen auf der Schwäbischen Alb läuten alle Glocken der evangelischen und der katholischen Kirche gemeinsam.
In der gut 6.000 Seelen zählenden Gemeinde gilt eine ökumenisch aufeinander abgestimmte Läuteordnung. Die Idee für ein gemeinsames Geläut an den Hochfesten des Kirchenjahres stammt vom evangelischen Pfarrer Ernst Nestele, der sie bei der feierlichen Glockenweihe der katholischen St.-Gertrud-Kirche überraschend und unter Beifall vorschlug.
Als die Kirchengemeinderäte in einer gemeinsamen Sitzung tagten, entschieden sie sich sogar für einen weitergehenden Vorschlag. Die Ratsmitglieder nahmen laut Nestele den Antrag an, „künftig nicht nur mit allen Glocken beider Kirchtürme das neue Kirchenjahr am 1. Advent sowie Weihnachten, Epiphanias, Karfreitag, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Trinitatis, Erntedank und Allerheiligen zusammen einzuläuten, sondern mit einem kleineren Geläut auch jeden Sonntag.“
Die Sonntage werden „jeweils am Vorabend um 18 Uhr zur traditionellen Zeit des abendlichen Tagzeitengebets, der Vesper“, eingeläutet, erklärt Nestele.
Für den Sonntag gibt es nur eine Ausnahme: Zum Höhepunkt des Kirchenjahres an Ostern wird schon um 6 Uhr morgens mit allen sechs Glocken geläutet. „Die Feste des Glaubens sind hingeordnet auf das einmalige Ereignis der Auferstehung Jesu Christi. Mit Ostern setzt eine neue Zeitrechnung ein“, erläutert der evangelische Theologe. Deshalb freue er sich, dass die Anregung aufgenommen wurde, jeden Sonntag mit den Glocken ausdrücklich darauf hinzuweisen. Damit solle „die Freude an Gott und an seinem Wirken zum Heil der Welt“ betont werden.
Mit dem evangelischen Geläut am katholisch geprägten Feiertag Allerheiligen geht der protestantische Pfarrer für seine eigene Kirche ungewohnt weit. Für ihn ist Allerheiligen ein für alle Christen wichtiges Fest der „Erinnerung an die Gemeinschaft der Heiligen nach den Bekenntnissen der Kirche“.
Was Christen gemeinsam feiern, wird nach Nesteles Auffassung künftig durch das gemeinsame Geläut betont und verstärkt in Erinnerung gerufen. Auch der Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Straßberg-Veringen, Pfarrer Hubert Freier, sieht in der neuen Läuteordnung ein gutes Zeichen, um das Gemeinsame der Gläubigen hervorzuheben.
Die Glockensachverständigen der Erzdiözese Freiburg, Johannes Wittekind, und der evangelischen Landeskirche in Württemberg, Claus Huber, hatten das Vorhaben unterstützt sowie beratend begleitet. Die „Glockeninspekteure“ hätten „die richtige Tonart gefunden, die nach Winterlingen passt“, meinte der katholische Pfarrgemeinderatsvorsitzende Harald Fischer. Vom evangelischen Kirchturm erklingt das Geläut in der Tonfolge d´ - fis´ - a´ - h´: „Salve Regina“ hört das römisch-katholisch geschulte Ohr, während evangelische Christen mit der Abfolge der Töne den Anfang des Chorals „Wachet auf! ruft uns die Stimme“ nach dem Lied 147 im Evangelischen Gesangbuch verbinden.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)/Tobias Göttling