Stuttgart. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat in der Corona-Krise alle öffentlichen Gottesdienste abgesagt und die Konfirmationstermine aufgehoben, ebenso den Konfirmationsunterricht. Jetzt ist vieles ungewiss: Wann und wie kann die Einsegnung stattfinden, und wie bleiben die Gruppen bis dahin in Verbindung? Die Gemeinden gehen verschiedene Wege.
Gut 16.500 junge Menschen hatten sich in Württemberg auf ihre Konfirmation in diesem Frühjahr vorbereitet, so Landesjugendpfarrer Bernd Wildermuth. Sie hätten Verständnis für die Absage gehabt, erzählt er. Aber die Enttäuschung war groß, als zuerst Konfi-Freizeiten und dann die Konfirmationen selbst abgesagt wurden. Nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei denen, die sie begleiten.
„Jetzt herrscht eine große Unsicherheit“, sagt Pfarrer Wildermuth, auch angesichts der derzeit (noch) unterschiedlichen Termine von Schulbeginn und Ende des Versammlungsverbots in Baden-Württemberg. Die Konfirmationen sind Familienfeiern, „da sitzt man Schulter an Schulter“, betont er. Was das für gefährdete Familienmitglieder bedeutet, kann man sich gut vorstellen.
Wann die Konfirmationen nachgeholt werden können, ist immer noch offen. Martin Trugenberger, Dozent für Konfirmandenarbeit am Pädagogisch-Theologischen Zentrum der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, hat über die Bezirksbeauftragten eine Umfrage an die Pfarrämter geschickt. Aus den Antworten bisher (Stand 1. April) ergibt sich eine relativ gleichmäßige Verteilung auf Termine im Juli, September und Oktober. Viele Gemeinden wollen sich auch noch nicht festlegen, da man noch keine Familienfeste planen könne.
Verschiedene Lösungen, mit guten Gründen, stehen hinter den einzelnen Entscheidungen: Pfarrer Dr. Friedemann Kuttler von der Evangelischen Kirchengemeinde Großbottwar hat sich einen Samstag im Juli als neuen Wunschtermin ausgesucht. Für die 40 Konfirmanden des Bezirks möchte er so den „Spannungsbogen halten“ - den einen Jahrgang abschließen, bevor der nächste beginnt, der 50 Konfirmanden umfassen wird.
Auch die Stuttgarter Citydiakonin Cornelia Götz hat die Eltern der 18 Konfirmanden und Konfirmandinnen der Leonhards-, Hospital- und Stiftskirche gebeten, sich einen Termin Ende Juli - unter Vorbehalt - freizuhalten.
„Die größte Schwierigkeit ist, dass man keine Auskunft geben kann“, berichtet Pfarrerin Marie-Luise Karle, Konfirmationsbeauftragte im Kirchenbezirk Freudenstadt. Sie hält es für realistisch, dass ihre fünf Konfirmandinnen und Konfirmanden der Gemeinden Wittlensweiler und Igelsberg erst im Herbst feiern können.
Auch in der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Ulm-Wiblingen strebt Pfarrer Friedemann Bauschert, Konfi-Pfarrer für den Bezirk, Termine im Oktober für die 40 Konfirmanden an.
Wie hält man Kontakt in der Krise, in der der persönliche Kontakt nicht möglich ist? Viele Konfirmandengruppen nutzen ohnehin Messenger-Dienste; Informationen an die Eltern erfolgen per E-Mail, ebenso Abstimmungen über neue mögliche Konfirmationstermine. Seltener sind Video-Konferenzen; sie scheitern mancherorts auch an der digitalen Infrastruktur der Orte oder auch daran, dass nicht alle Konfirmanden und Konfirmandinnen über ein eigenes Smartphone verfügen. Bei einigen wäre es sicher erst ein Geschenk zu Konfirmation gewesen.
Es gehe darum, erst einmal Kontakt zu halten, sagt Dozent Martin Trugenberger: „Die Krise kann zu einem Rückzug führen, dass man nur noch in kleinsten Räumen denkt, oder zu einer mentalen spirituellen Gemeinschaft.“ Dazu suchen die Gemeinden ihre eigenen Wege.
Den Konfirmandenunterreicht direkt weiterzuführen, plant Pfarrer Friedemann Bauschert derzeit nicht: „Wir wollen den Konfirmanden nicht noch mehr Arbeitsblätter schicken, davon haben sie im Moment genug“, berichtet er. Aber: In der Gesamtkirchengemeinde Ulm-Wiblingen nutzt man schon seit einem Jahr eine Konfi-App, davon profitieren die Gruppen jetzt.
Mit Videokonferenzen will er den Konfirmandinnen und Konfirmanden die Möglichkeit des Austauschs geben. Weitere Ideen, wie sich die jungen Menschen einbringen können, sind schon angestoßen: So sollen sie einen Brief an ein älteres Gemeindemitglied zum Geburtstag schreiben. Oder zu den Online-Andachten der Gemeinden Fotos schicken, mit Kommentaren, was Ostern für sie bedeutet. Die werden in die Andachten eingebaut.
„Es ist uns wichtig, dass die Konfirmanden sich einbringen können, dass sie vorkommen, als Gegengewicht zum Stillstand“, so Bauschert. Am Wichtigsten sei es, das Signal zu senden: „Wir sind da.“ Daran könne man später leicht wieder anknüpfen.
Eine ökumenische Ostertradition der Gesamtkirchengemeinde soll auch in diesem Jahr weiterlaufen: Firmlinge und Konfirmanden basteln schon seit Jahren gemeinsam Osterkerzen mit dem gleichen Motiv für die Kirchen im Bezirk. In diesem Jahr, in dem gemeinsames Basteln nicht möglich ist, geschieht dies in Einzelarbeit.
Die Videos und Fotos der brennenden Kerzen mit Kommentaren der Konfirmanden sollen zu Ostern für Verbundenheit stehen, wenn auch nur digital.
Citydiakonin Cornelia Götz bereitet zusammen mit Pfarrern und Jugendreferent junge Menschen in der Stuttgarter City auf die Konfirmation vor. Auch sie hat die Erfahrung gemacht, dass es nicht gut ankam, als sie Aufgaben per Mail verschickte. Jetzt probiert sie eine Video-Schaltung.
Nach einem Videoclip als Einstieg soll es zuerst einmal Thema sein, wie es den Konfirmanden mit der Situation geht, was ihnen jetzt wichtig ist. Ihre Gruppe hatte vor den Corona-Maßnahmen Glück, denn sie konnte gerade noch ihr Konfi-Wochenende Anfang März abhalten. Das war „ein Geschenk des Himmels“ sagt Cornelia Götz heute. Von der Begeisterung zehre die Gruppe immer noch.
Sie möchte gerne den Unterricht wieder aufnehmen, wenn die Schulen wieder öffnen, notfalls per Video. Die Konfirmanden jedenfalls wollen gerne bald weitermachen, der Wunsch nach Gemeinschaft ist stark.
In Großbottwar nutzen die Konfirmanden neben Messengerdiensten das CVJM-Livestream-Format, das dreimal pro Woche Andachten und Spiele bietet. Daneben wird die Aufzeichnung des Gottesdienstes in der Gruppe herumgeschickt – was sogar zur Frage der Gottesdienstunterschrift führte, wie Pfarrer Kuttler schmunzelnd erzählt.
In Wittlensweiler und Igelsberg setzt Pfarrerin Marie-Luise Karle bisher auf punktuelle Kontakte. „Die Konfirmanden sind traurig“, berichtet sie und macht sich Gedanken, wie man die Lücke jetzt schließen kann. „Der Unterricht lebt davon, dass man gemeinsam etwas erlebt, Spiele macht, diskutiert“, sagt sie, das sei kaum zu ersetzen.
Im Bezirk halten die Konfirmanden auf verschiedene Weise Kontakt, es ist von Ort zu Ort und von Familie zu Familie unterschiedlich. Videokonferenzen scheitern zum Beispiel manchmal an der digitalen Ausstattung.
Eine vollkommen analoge Aktion gelingt ihren Konfirmanden aber schon: Die Gemeinde verteilt in der Krise die Gottesdiensttexte als Sonntagsblatt - dieses tragen die Konfis aus, die Bereitschaft war sofort da. Auch Pfarrerin Karle berichtet von dem großen Wunsch „dazuzugehören, beizutragen“. Sie leitet Angebote des Evangelischen Jugendwerkes und der Evangelischen Landeskirche weiter, auch das kommt an, wenn die Technik dazu da ist.
Sie hofft, noch vor Ostern Unterricht per Video anbieten zu können. Als analoges Geschenk bekommen ihre Konfirmanden eine Bibellesehilfe. „Ich möchte die persönliche Glaubenserfahrung stärken“, sagt sie, „eine andere Erfahrung ermöglichen, die viele so gar nicht kennen.“ Im Gegensatz zum Unterricht, nach dem man wieder nach Hause geht wie nach der Schule, könnten die Konfirmandinnen und Konfirmanden in dieser besonderen Situation im Alltag ihre Erfahrungen machen. „In diesem Jahr ist der Glaube existentiell erfahrbar“, sagt sie.
Sie versteht, dass sich die Konfis am liebsten persönlich sehen würden - es kam sogar die Frage auf, ob sie nicht eine Ausnahme machen könne. Natürlich geht das nicht, die Antwort der Pfarrerin war klar: „Davon hängt unser Glaube nicht ab.“
Eine Möglichkeit, in Kontakt zu bleiben, bietet die KonApp, die seit Herbst 2019 verfügbar ist. Die App, die von der Deutschen Bibelgesellschaft entwickelt wurde, nutzten viele Gruppen bereits vorher. Mit der Corona-Krise stieg die Zahl der bundesweit angemeldeten Gemeinden sprunghaft an: Die Downloadzahlen stiegen im März teilweise um das Vierfache. Derzeit sind es insgesamt über 1.300 Gemeinden in ganz Deutschland, die Daten aus Baden-Württemberg werden aus Datenschutzgründen nicht gesondert erfasst. In wöchentlichen Webinaren stellen Dozenten derzeit neue Einheiten vor. Von den verschiedenen Anwendungen werden die Bibel und das Bibellexikon stark genutzt, ebenso Features, wie der Gruppenfeed.
Auch bei der Deutschen Bibelgesellschaft ist man sich des Problems der unterschiedlichen digitalen Infrastruktur bewusst: Max Naujoks, Projektreferent der KonApp, berichtet als vorübergehende Lösung von Aktionen in Gemeinden, in denen man für die Konfirmandinnen und Konfirmanden nach Leihgeräten fragte - mit Erfolg.
Judith Hammer