Mit einem zentralen Festgottesdienst und einem anschließenden Empfang des Ministerpräsidenten haben die evangelischen Christinnen und Christen in Baden-Württemberg am Dienstag, 31. Oktober, den 500. Reformationstag gefeiert. „Die Reformation als Bewegung hat ihren Ursprung in der Umkehr eines Menschen weg von der Angst vor Gott hin zu Gottesfurcht, Liebe und Vertrauen“, sagte der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July in einer gemeinsamen Predigt mit dem badischen Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh in der Stuttgarter Stiftskirche.
Cornelius-Bundschuh zeigte Verständnis für die vielen Ängste, die die Menschen umtreiben, wie die Angst vor Krankheit und Alter, vor Terrorismus oder dem Klimawandel. Er rief die Christinnen und Christen dazu auf, sich dennoch nicht in eine „fromme Sonderwelt“ zurückzuziehen, sondern realistisch und vernünftig mit Bedrohungen und Schrecken umzugehen. „Wir dürfen uns nichts vormachen über die Welt, auch nicht über ihre Abgründe. Sie sind nicht gottgegeben“, sagte Cornelius-Bundschuh.
Landesbischof July stellte der Angst der Menschen die Gottesfurcht entgegen. Gottesfurcht sei immer eine Form von Liebe. Sie begrenze menschliche Machtphantasien. „Wir sollen Menschen sein und nicht Gott“, zitierte July Martin Luther. Der Reformator nenne das die Lehre vom „Richtigen unterscheiden können“. Deshalb sei er froh, dass in der baden-württembergischen Landesverfassung der Geist der christlichen Nächstenliebe in Artikel 12 erwähnt sei. „Manche Menschen sehen darin ein Problem“, gab July zu. „Ich erkenne darin eine Lösung für viele Probleme im Umgang der Menschen miteinander, besonders auch im öffentlichen Raum.“
Empfang des Ministerpräsidenten
Ministerpräsident Winfried Kretschmann wies im Rahmen des anschließenden Empfangs im Neuen Schloss auf die befreiende Wirkung der Rechtfertigungslehre Luthers hin: „Der Mensch wird vor Gott nicht gerecht durch seine guten Werke, sondern durch seinen Glauben an Jesus Christus.“ Diese Freiheit münde in Verantwortung für sich, für andere und für die Welt, so Kretschmann weiter. Er sieht es als Aufgabe der Politik an, den Menschen den Raum der Freiheit zu garantieren. Weiter rief der Ministerpräsident die unterschiedlichen Konfessionen zur Ökumene auf. „Unsere säkulare Gesellschaft braucht ein Christentum, das sich nicht selber auseinanderdividiert, sondern mit einer Stimme spricht und vereint handelt. Ein solches echtes Miteinander könnte dem Glauben neue Leuchtkraft und den Kirchen mehr Anziehungskraft geben.“
Positive Bilanz des Jubiläumsjahrs
Bereits am vergangenen Donnerstag, 26. Oktober, hatten die beiden Bischöfe eine positive Bilanz des Reformationsjubiläums gezogen. In der Öffentlichkeit sei intensiv über die Bedeutung von Kirche und Religion nachgedacht worden, sagte Bischof Cornelius-Bundschuh bei einer Pressekonferenz in Stuttgart. So vielgestaltig die Reformationen im Südwesten vor 500 Jahren waren, so reich und vielfältig seien die Gottesdienste und Veranstaltungen zum Jubiläum gewesen. Landesbischof July erklärte, dass das gemeinsame Motto des Jubiläumsjahres „... da ist Freiheit“ zu einer Fülle von Gesprächen über Freiheit, Glaube und Religion in einer säkularen Gesellschaft geführt habe. Beide Bischöfe wiesen auf die ökumenische Ausrichtung des Reformationsjubiläums hin. Das Miteinander vor allem mit den Katholiken hätte eine neue Qualität gewonnen. Es gebe mehr Gemeinsames als Trennendes.