Magister Dillenius war im Jahr 1817 Pfarrer in Böbingen bei Schwäbisch Gmünd. Im alten Pfarrarchiv der Kirchengemeinde Oberböbingen tauchte jetzt ein 200 Jahre alter Brief des Pfarrers auf. Geschrieben zur Reformationsfeier 1817 an seinen Nachfolger, "den Jubelprediger des Reformationsfestes 1917". Die Kirchengemeinde Welzheim greift die Idee auf.
"Ich habe von Herzen gejubelt an dem herrlichen Feste, das erst Du wieder feiern wirst (…)", schreibt Magister Dillenius zum 300. Reformationsjubiläum im Jahr 1817. Der Brief richtet sich an seinen Nachfolger im Jahr 1917 – also ein Brief in die Zukunft. „Ob dieser Brief 1917 geöffnet wurde, ist nicht bekannt“, sagt die heutige Oberböbinger Pfarrerin Margot Neuffer.
Gefunden hat Neuffer den Brief im vergangenen Jahr im Pfarrarchiv der Kirchengemeinde. Autor ist Magister Ferdinand Ludwig Immanuel Dillenius. Mit 26 Jahren trat er damals die Pfarrstelle in Böbingen an. In einem kleinen Büchlein, in dem auch der Brief zu finden ist, hat er den Zustand der Michaeliskirche dokumentiert. Auch seine Jubiläumspredigt ist darin nachzulesen. „Alles fein dokumentiert, in der alten Kanzleischrift“, erklärt Pfarrerin Neuffer.
Dillenius schreibt über seine Hoffnungen und Wünsche in der evangelischen Kirche und für die ganze Christenheit in hundert Jahren: „Wird der gesund Menschenverstand und edler einfacher Glaube den Sieg behalten oder wird Wahn und Aberglaube und Sinnlichkeit die Geister noch gefangen halten?“
Über Dillenius weiß man nicht viel. Er hatte im Tübinger Stift evangelische Theologie studiert und dort zum Freundeskreis von Gustav Schwab, Eduard Mörike und Wilhelm Hauff gehört. Bis 1824 war er Pfarrer in Böbingen. Später wurde er Dekan in Weinsberg. „Außerdem ist er schwäbischer Heimatdichter gewesen, auch wenn er nicht allzu bekannt war, wie zum Beispiel Uhland“, berichtet Margot Neuffer.
Der Oberböbinger Jahrhundertbrief hat die evangelische Kirchengemeinde in Welzheim auf eine Idee gebracht: „Warum nicht auch einen Brief an unsere Nachfahren schreiben, die das 600. Reformationsjubiläum feiern?“„Ich möchte die Menschen einladen, nicht nur die nächsten Jahre der Kirche im Blick zu haben, sondern weiterzudenken“, sagt der Welzheimer Pfarrer Markus Frasch. „Die Gemeinschaft der Christinnen und Christen lebt über Jahrhunderte. Wir sollten also nicht nur an die Vergangenheit denken, sondern an die Zukunft.“
„Was bewegt Sie derzeit im Blick auf unseren Glauben?“ und „Wie wird sich die Kirche verändern?“ – anhand dieser Fragen sollen die Gemeindemitglieder selbst einen Brief schreiben. Die Briefe werden dann am kommenden Dienstag, dem Reformationstag, im Gottesdienst eingesammelt. Geplant ist, sie die nächsten hundert Jahre aufzuheben. Wo genau? „Unsere erste Idee war eine Glasvitrine in der Kirche. Jedenfalls soll die Schatulle mit den Briefen an einem Ort stehen, wo sie sichtbar ist und nicht verschwindet“, erklärt Frasch. Der Pfarrer selbst will auch einen Brief in die Zukunft schreiben. „Momentan geht die Bedeutung des Christentums zurück. Damit hängt auch der Pfarrplan 2024 zusammen. Ich hoffe, dass dieses Ringen in hundert Jahren vorbei ist und meine Nachfolger sich auf das Wesentliche konzentrieren können – die Botschaft Christi und die Menschen.“
Eva Rudolf
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