Die Ungeduld gilt als ein Symbol der Moderne: Zeit ist kostbar, Zeit ist Geld. Mit der vorösterlichen Fastenaktion „Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort“ ruft die evangelische Kirche zur Entschleunigung auf und regt zum Nachdenken an. Dorothee Wolf, Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Stuttgart, erlebt oft, dass Menschen ungewollt aufbrausen. Marie-Louise Neumann stellte ihr Fragen zum Thema „Nicht sofort lospoltern“ (Eph. 4,26-32).
Das Wochenthema heißt: „Nicht sofort lospoltern“. Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?
Als Erstes fällt mir ein: Wenn es mal nicht so läuft, wie sie es gerne hätten, machen viele Menschen oft irgendetwas aus dem Affekt heraus. Auch in der Paarberatung. Viele Paare kommen zu uns, weil sie viel streiten. Wenn sie dann in der Beratung damit anfangen, sage ich: „Moment, das brauchen Sie hier nicht, das können Sie schon!“ Wir fragen dann: „Was ist gerade los mit Ihnen? Wie fühlen Sie sich? Was geht gerade in Ihnen vor?“ Oft geht es um Bedürfnisse, die zu kurz kommen. Ich versuche in der Beratung, den Druck rauszunehmen, damit meine Klienten zur Ruhe kommen. Es geht darum, besser zu verstehen, was die Gründe für das Ausrasten sind. In unserer Leistungsgesellschaft haben wir das Gefühl, immer gut drauf sein zu müssen, um uns selbst zu optimieren. In der Beratung ist auch mal Raum für Ängste, für Selbstzweifel, für das eigene Scheitern, wenn das Leben nicht so verläuft, wie man sich das vorgestellt hat.
Haben Sie selbst eine Erfahrung gemacht, in der Sie sofort losgespoltert haben?
Wenn ich abends gestresst und müde nach Hause komme und dort herrscht die Unordnung, dann kann es schnell passieren, dass mir der Kragen platzt. Ich würde mir eigentlich wünschen, erst mal zur Ruhe kommen zu dürfen, Zeitung zu lesen und dann erst wieder einsatzbereit sein zu müssen. Wenn man selbst erschöpft ist, kann man nicht für andere die Tankstelle sein. Und in solchen Momenten passiert mir das schon mal, dass ich aus lauter Anspannung lospoltere.
Fasten Sie?
Ja. Ich esse sehr gern Schokolade und halte es jetzt größtenteils durch, auf diese zu verzichten. Man schafft es doch auch ganz gut ohne. Das Spannende am Fasten ist doch, dass man immer denkt: „Ich schaffe es nicht, diese Gewohnheiten zu durchbrechen.“ Eine leckere Schokolade gehört für mich zum Espresso dazu. Aber wenn ich es dann sieben Wochen ohne aushalte, ist das eine tolle Erfahrung. Ich kann mich frei entscheiden: Will ich das wieder? Brauche ich es nur ab und zu oder gar nicht?