Die Vertreter der baden-württembergischen Evangelischen Landeskirchen und ihrer Diakonien bewerten den gestrigen Flüchtlingsgipfel positiv und begrüßen die angekündigten, notwendigen Schritte der Landesregierung. Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July wies angesichts der Nöte in den Kommunen und der verschärften Unterbringungsproblematik darauf hin, wie notwendig es sei, auch die vielen Ehrenamtlichen im Land zu unterstützen: „Sie leisten Großartiges. Ohne diese Ehrenamtlichen würde das System kollabieren. Deshalb müssen sie noch mehr in den Fokus und brauchen Begleitung und Unterstützung.“
Außerdem sagte July, der Gipfel habe gezeigt, wie notwendig es sei, dass die verschiedenen Akteure und Gruppen aufeinander hören, Einsichten und Ressourcen bündeln und miteinander vorangehen. „Ein ‚Bündnis für Flüchtlinge‘ ist notwendig. Es gilt alle Akteure zu vernetzen, dabei bestehende Netzwerke zu nutzen und auf kurzen Wegen zu helfen. Dieses Bündnis soll nicht nur als Notfall-Forum im Krisenmodus die aktuellen Herausforderungen, sondern auch mittelfristige und langfristige Perspektiven beachten. Entscheidend ist, wie unser Land in Politik und Gesellschaft umgeht mit dieser Situation. Gerade die Kirchen und ihre Diakonien mit ihren engmaschigen Netzwerken im Land, aber auch weltweit können dabei helfen. Die gesamte Entwicklungspolitik ist darauf auszurichten, dass Menschen auch in den Herkunftsländern eine Perspektive bekommen.“
Zudem appellierte July mit Blick auf die Landtagswahl im März an die Politik: „Tun Sie alles in Ihrer Macht Stehende, dass das Thema Asyl und Flüchtlingsaufnahme nicht zu Wahlkampfzwecken instrumentalisiert wird. Zum Schutz der Flüchtlinge, unserer Gesellschaft und des sozialen Friedens im Land.“
„Der Flüchtlingsgipfel hat in ernsthafter Weise die Dringlichkeit der Aufgabe diskutiert“, so Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. „Für die drängendsten Themen wurden konkrete Schritte formuliert: Es besteht akuter Handlungsbedarf, um die Situation in den überbelegten Landeserstaufnahmestellen zu entschärfen. Die Asylverfahren müssen besser, sprich beschleunigt werden. Der soziale Wohnungsbau muss Konzepte zur Integration von Flüchtlingen auf den Weg bringen und schnellstens umsetzen. Was Flüchtlinge aus dem Westbalkan betrifft, so gilt es, die Men-schen vor Ort zu unterstützen. Die Diakonie führt beispielsweise Roma-Projekte in Serbien, der Slowakei und Ungarn durch. Wenn Menschen aus dem Westbalkan zu uns kommen, dann im Rahmen der Arbeitsmigration. Auch hier ist die Diakonie Vorreiter. Im Herbst kommen 30 junge Menschen aus dem Kosovo nach Württemberg und beginnen in diakonischen Einrichtungen eine Pflegeausbildung. Bei aller Dramatik der aktuellen Lage müssen wir uns immer vor Augen halten: Es geht hier um Menschen! Wir müssen den einzelnen Menschen mit seiner individuellen Geschichte sehen und dann die Anforderung, die die hohe Zahl der Flüchtlinge mit sich bringt, angehen.“
Der Vorsitzende des Diakonischen Werks in Baden, Urs Keller, sagte im Blick auf die hohen Zahlen von Menschen aus Balkan-Staaten, die in Deutschland Asyl suchen: „Die Gründe, die Menschen veranlassen, ihre Heimat zu verlassen, sind immer schwerwiegend. Dies hat der Gipfel ausdrücklich unterstrichen. Insbesondere für die Menschen aus dem Balkan brauchen wir schnellstmöglich ein geordnetes Einwanderungsverfahren. Es ist eine Schande, dass innerhalb von Europa Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um für sich überhaupt eine Zukunftsperspektive zu sehen.“