Seit zehn Jahren ist Dr. Birgit Rommel Geschäftsführerin der Evangelischen Erwachsenen- und Familienbildung in Württemberg (EAEW) und seit drei Jahren auch der Landesarbeitsgemeinschaft evangelischer Bildungswerke in Württemberg (LageB). Ende Juli wechselt die Pfarrerin die Stelle. Was ist gut gelaufen? Gab es Niederlagen? Wie sieht Evangelische Erwachsenenbildung in der Zukunft aus? Im Gespräch mit Ute Dilg zieht Birgit Rommel Bilanz und blickt nach vorne.
Auf welche Erfolge blicken Sie nach zehn Jahren Geschäftsführung zurück?
Dr. Birgit Es gab Erfolge in ganz verschiedenen Feldern. Im inhaltlichen Bereich haben wir regelmäßig Kurse erarbeitet, etwa zur Taufe oder jetzt zur Reformation. Gut kommt auch ein theologischer Einführungskurs zum christlich-muslimischen Dialog an. Im organisatorischen Bereich zähle ich zu den Erfolgen, dass mittlerweile die Mehrzahl der Bildungswerke und Familienbildungsstätten zertifiziert sind, sich also einem Prozess der Qualitätsentwicklung unterwerfen. So sind die Arbeitsabläufe dieser Einrichtung sehr viel transparenter geworden. Außerdem konnten wir so das Zugehörigkeitsgefühl der Bildungswerke und Familienbildungsstätten zur EAEW deutlich stärken.
Gibt es auch Misserfolge?
Es gibt natürlich Ziele, die wir noch nicht erreicht haben. Etwa in der Öffentlichkeitsarbeit. Es ist uns noch nicht gut gelungen, in der Gesellschaft ein Bewusstsein für die Marke der „Evangelische Erwachsenenbildung“ zu schaffen. Die Volkshochschulen sind jedermann ein Begriff, ob er nun Angebote wahrnimmt oder nicht. Mit Blick auf die Teilnehmerzahlen ist die kirchliche Erwachsenenbildung nicht weniger stark als die Volkshochschulen. Wir sind also ein wichtiger Faktor im öffentlichen Weiterbildungssystem, haben aber nicht das entsprechende Ansehen.
Woran liegt das und was könnte man tun, um das zu ändern?
Die Einrichtungen der Evangelischen Erwachsenenbildung treten unter ganz unterschiedlichen Bezeichnungen an die Öffentlichkeit. Außerdem arbeiten Erwachsenenbildung, Familienbildung und Seniorenbildung zwar vernetzt, aber eigenständig. Diese Fülle in einer Weise anschaulich zu machen, mit der sich alle identifizieren können und die auch die Menschen erreicht, die nicht an unserem Angebot teilnehmen, scheint die Quadratur des Kreises zu sein. Daher bringen wir uns stärker über Sachthemen wie z. B. demografischer Wandel, aufsuchende Familienbildung, Online-Lernen oder Reformation ein.
Wo sehen Sie neben der Positionierung in der Öffentlichkeit weitere Herausforderungen für die Evangelische Erwachsenenbildung in der Zukunft?
Wir diskutieren seit längerem darüber, wie die Evangelische Erwachsenenbildung für die nächsten 15 Jahre in den Kirchenbezirken gesichert werden kann. Es liegt ein Vorschlag vor, der meiner Ansicht nach ein großer Schritt nach vorne wäre. Er sieht regionale Bildungswerke mit landeskirchlicher Anbindung vor. So könnten die Kirchenbezirke ihre Erwachsenenbildung weiterhin selbst gestalten. Die Landeskirche kann aber stärker als bisher Schwerpunkte setzen. Was die Inhalte und die Form der Erwachsenenbildung angeht, so glaube ich, dass deren Zukunft auf längere Sicht nicht im Bereich der Kurse liegen wird.
Wo dann?
Kurse sprechen ältere und gebildete Teilnehmer an. Natürlich brauchen wir auch weiterhin qualitativ hochwertige Angebote für diese Zielgruppe. Aber wenn man sich die Statistik anschaut, ist deutlich, dass wir junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 45 mit Kursen nicht erreichen werden. Dafür brauchen wir andere Formate, die es ermöglichen, sich selbst außerhalb eines Seminarraums neu zu erleben. Das sind Seminarreisen oder Begegnungen. Interreligiöse Stadtspaziergänge kommen zum Beispiel sehr gut an. Oder auch die Kirchenpädagogik, also etwa Führungen zur Architektur und Kunst im Kirchenraum, in die auch geistliche Elemente eingebaut sind. Um diese neuen Formen zu entwickeln, braucht es viel Kreativität und sicherlich auch den ein oder anderen jungen Mitarbeiter. Und da sind wir noch am Anfang.
Was ist eigentlich evangelisch an der Evangelischen Erwachsenenbildung?
Formell gesehen die Trägerschaft. Inhaltlich zeichnet sich die Evangelische Erwachsenenbildung dadurch aus, dass sie Themen aufgreift, die das Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu Gott, zu seinen Mitmenschen und zu seiner Umwelt betreffen. Die Vielfalt ist also groß. Dazu gehören dann auch explizit theologische Angebote, in denen Glaubensfragen angesprochen werden. Ich halte das für zunehmend wichtig. Denn angesichts der religiösen Vielfalt steigt auch die Zahl derer, die religiöse Fragen als Privatsache sehen und nicht in der öffentlichen Diskussion haben wollen.
Sie sind eigentlich Pfarrerin, wollen aber weiterhin in der Bildungsarbeit bleiben, nämlich im Schuldienst. Warum an die Schule?
Ich habe als Pfarrerin ja schon früher an Schulen unterrichtet und mache das gerne. Jedenfalls bin ich sehr gespannt. Ich werde vor allem junge Erwachsene an beruflichen Schulen unterrichten und hoffe, dass ich die Fragen der jungen Leute aufgreifen und sie auch für religiöse Themen interessieren kann.
Danke für das Gespräch.