27.01.2017

Damit Menschen menschlich bleiben können

Andacht zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Wozu Menschen imstande sind, hat sich auf schreckliche Weise während des Holocaust gezeigt. Dass so etwas nie wieder passiert, dazu ist der 27. Januar da, der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Rundfunkpfarrerin Dr. Lucie Panzer hat sich darüber Gedanken gemacht. Ihre Andacht ist überschrieben mit: „Damit Menschen menschlich bleiben können.“

Rundfunkpfarrerin Dr. Lucie Panzer

Meine Tochter war ganz entsetzt. „Wir haben im Reli-Unterricht einen Film gesehen“, hat sie erzählt. „Mir ist ganz schlecht geworden. Du glaubst nicht, was Menschen fertig kriegen.“ Der Film, hat sie gesagt, zeigte einen Test: Es sollte überprüft werden, ob Menschen unter Druck und mit Strafandrohung besser lernen. Dazu sollten Versuchspersonen einem Schüler für jede falsche Antwort per Knopfdruck einen Elektroschock versetzen. „Du glaubst nicht, was Menschen fertig kriegen.“ Meine Tochter war richtig erschüttert. „Die Leute haben immer weiter gemacht. Obwohl sie wussten, ab wann die Elektroschocks schlimm und sogar tödlich waren. Und man hat die Schüler schreien hören wie verrückt.“

„Du glaubst nicht, was Menschen fertig kriegen.“ Meine Tochter war damals erst siebzehn. Gott sei Dank hatte sie noch nicht so schrecklich viel Lebenserfahrung. Ich bin viel älter. Aber manchmal bin ich auch wieder neu entsetzt, obwohl ich doch eigentlich schon weiß, was Menschen fertig kriegen. An Tagen wie heute zum Beispiel. Am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz von der Roten Armee befreit. Für die letzten übrig gebliebenen Häftlinge war ein unglaubliches Leiden zu Ende. Wir kennen die Berichte: stundenlange Appelle, schwere Strafen für geringste Vergehen, Willkür von Kapos und SS-Bewachern, Hunger und keine ärztliche Versorgung. Wer zu schwach wurde, kam unweigerlich in die Gaskammer. Verbrechen von unvorstellbarer Grausamkeit! Ich bin immer wieder fassungslos: „Du glaubst nicht, was Menschen fertig kriegen.“

Menschen kriegen es fertig, andere Menschen zu foltern, zu erniedrigen, willkürlich zu töten. Bei den Massenkreuzigungen der Römer, in den Folterkellern des Mittelalters, in den Konzentrationslagern der Nazis, bei den Roten Khmer in Kambodscha, und keiner weiß wirklich, was zum Beispiel in Guantanamo mit den Gefangenen geschieht.

Natürlich: Es gibt immer auch einzelne Mutige, die Widerstand leisten. Gott sei Dank! Menschen, die sagen: „Nein, das tue ich nicht.“ Aber ich glaube: Niemand kann sicher sein, wie er sich verhalten würde. Der Film, der meine Tochter so entsetzt hat, macht das deutlich. Manchmal denke ich, an Tagen wie heute kann man nichts tun als beten: Gott, gib mir, wenn es darauf ankommt, hellsichtige Augen! Dass ich begreife, was vorgeht. Mach mein Gewissen stark! Gib mir den Mut, nein zu sagen! Und: Erlöse uns von dem Bösen! Damit wir Menschen menschlich bleiben können.

Dieser Beitrag lief ursprünglich als „Anstoß“ bzw. „Morgengedanke“ bei SWR 1 und SWR 4.

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