Die Zahl der Kirchenaustritte macht derzeit Schlagzeilen. Weniger bekannt ist dagegen das Eintrittstelefon der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Hotline – die einzige ihrer Art in Deutschland – ist bei der württembergischen Landeskirche angesiedelt. Es gibt sie seit zehn Jahren: Am 8. Oktober 2004 ist die erste Person telefonisch wieder in die evangelische Kirche aufgenommen worden. Allein 2014 sind bereits etwa 250 Menschen unter der 0800 813 813 8 eingetreten.
Eintrittstelefon der Evangelischen Kirche, grüß Gott“, meldet sich Pfarrerin Sabine Löw. Sie ist eine von drei Ansprechpartnerinnen bei der Hotline. Jens R. ist am Apparat. Der 43-jährige Projektmanager will wieder in die Kirche eintreten. Er ist in vieler Hinsicht typisch für die Anrufer des Eintrittstelefons. Zwei Drittel sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, stehen voll im Berufsleben, viele sind Akademiker. Sie sind in jungen Jahren ausgetreten, um die Kirchensteuer zu sparen oder weil ihnen irgendwann ihr Kinderglaube abhandenkam.
Die Gründe für ihre Rückkehr in die Kirche sind vielfältig: die Werte, die der christliche Glaube repräsentiert; die Gemeinschaft, die irgendwann gefehlt hat; die Hochzeit; eine Patenschaft; die Taufe des eigenen Kindes. Andere haben Schicksalsschläge erlebt, die sie zum Nachdenken brachten, waren berührt von den Worten eines Pfarrers bei der Beerdigung eines nahen Verwandten oder weil die Eltern ihnen „die Hölle heiß machen“. Auch ganz pragmatische Motive spielen eine Rolle, etwa eine Anstellung bei einem kirchlichen Arbeitgeber. Man könnte das Opportunismus nennen. Sabine Löw tut das nicht. „Wir sollten ein sehr weites Herz haben und für alle Menschen offen sein“, sagt die 42-Jährige. Von Glaubensprüfungen hält sie nicht viel. Wer getauft ist und den ehrlichen Wunsch äußert, wieder zur Kirche zu gehören, der sollte auch aufgenommen werden, ist die Pfarrerin überzeugt.
Das Eintrittstelefon kann aus ganz Deutschland angerufen werden. Das heißt, auch Eintrittswillige, die nicht auf dem Gebiet der württembergischen Landeskirche wohnen, können unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 813 813 8 in ihre Kirche vor Ort eintreten. Die Pfarrerinnen Sabine Löw, Anna Görder und Tabea Frey beantworten neben Fragen zum Wiedereintritt oder Übertritt aus anderen Konfessionen gerne auch andere Fragen, die mit Kirche zu tun haben. Das Telefon ist in der Regel von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr besetzt.
Eigentlich ist für den Eintritt ein persönliches Gespräch mit dem zuständigen Pfarrer oder der Pfarrerin vor Ort nötig. So steht es im Kirchenrecht. Doch für viele, die wieder eintreten oder aus anderen Konfessionen in die evangelische Kirche übertreten wollen, ist das zu persönlich. Sie fürchten eine Art „Glaubens-Check“. Andere wissen nicht, an welche Kirchengemeinde sie sich wenden sollen. Das Eintrittstelefon dagegen ist ein niederschwelliges Angebot, das sie gerne in Anspruch nehmen. Die Nummer ist schnell gegoogelt – und sie gilt bundesweit. Neben Name, Adresse, Geburts- und Taufdatum sowie Beruf fragen Sabine Löw und ihre beiden Kolleginnen auch nach den Gründen für Aus- und Eintritt. Dabei entstehen oft sehr tiefsinnige Gespräche. „Das ist echte Seelsorge“, sagt Sabine Löw.
Das Telefon klingelt. Annette D. ist am Apparat - 32 Jahre alt, Ingenieurin, verheiratet, gerade Mutter geworden. Ein Baby kräht im Hintergrund. Vor einigen Jahren ist sie aus der Kirche ausgetreten. Sie hätte einfach nichts mehr mit Gott und dem Glauben anfangen können, erzählt sie. Doch jetzt mit dem Kind hat sich ihre Sicht auf das Leben verändert. Sie will zurück in die Kirche und auch ihr Kind soll Kirchenmitglied werden. Die Taufe ist schon geplant.
Ute Dilg