„Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen.“ lautet das Motto der bundesweiten Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Mit verschiedenen Themenwochen soll während der Fastenzeit 2015 die Schönheit der anderen entdeckt und wertgeschätzt werden. Denn jede und jeder ist schön. Das gilt besonders für die Personen, die man liebt. Monika und Heinz sind seit 27 Jahren ein Paar – und noch verliebt wie am ersten Tag. Das Besondere daran? Beide haben eine geistige Behinderung. Anna Gieche hat sie getroffen.
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„Was mir am Heinz als erstes aufgefallen ist? Seine blauen Augen!“, sagt Monika (54) und greift nach der Hand von Heinz (62). Liebevoll schaut Heinz sie mit seinen in der Tat strahlendblauen Augen an. „Mir haben die Gespräche mit ihr gefallen.“, sagt er und drückt seinem Schatz einen Schmatz auf die Backe. Kennengelernt haben sie sich in Unterjoch auf einer Skifreizeit der Diakonie Stetten e.V.. Nachdem sie sich an den gemeinsamen Abenden besser kennengelernt haben, hat es zu Silvester gefunkt. „1988 war das“, weiß Heinz. Mit Daten und Zahlen kennt er sich genau aus: „Und um 15 Uhr am 5. Oktober 2002 haben wir uns einsegnen lassen.“ Er trug einen schicken Anzug und Monika einen beigefarbenen Rock mit passendem Blazer, in der Hand hielt sie einen stattlichen Blumenstrauß. Es gab Kaffee und Kuchen, zudem wurde viel getanzt – eine Sache, die den beiden großen Spaß macht. „Aber unsere wilden Tanzabende sind längst vorbei“, sagen sie lachend. Stattdessen gehen sie gerne spazieren, zusammen ins Kino oder fahren nach Stuttgart, um Monikas Schwester zu besuchen. Damit sie dort sicher ankommen, orientieren sie sich an einem Fotobuch, in dem jeder Schritt genau dokumentiert ist. Auf dieselbe Weise können sie auch auf eigene Faust einkaufen gehen: Alle Lebensmittel sind fotografiert, damit die beiden wissen, was sie zum Kochen kaufen müssen. „Nur die Pfanne und den Backofen benutzen wir nur noch mit unseren Betreuern“, so Heinz. Ein Zwischenfall mit Pommes und brennendem Backpapier führte zu dieser Vorsichtsmaßnahme. Passiert ist damals zum Glück nichts, aber das laute Piepsen des Rauchmelders hat allen Beteiligten einen nachhaltigen Schrecken eingejagt.
Die Mitarbeiter der Diakonie Stetten kommen etwa alle zwei bis drei Tage in der Wohnung des Paares vorbei. Ihren Alltag regeln die beiden jedoch nach Absprache weitestgehend alleine. Jeden Morgen fahren sie von ihrer Wohnung in Winnenden nach Waiblingen, wo sie gemeinsam in einer Gärtnerei für Menschen mit Behinderung arbeiten. Das Wort „behindert“ hört Monika aber gar nicht gerne: „Wir sind ganz normale Menschen. Wir gehören halt nur zur Diakonie Stetten.“ Danach gefragt wissen die beiden auch sofort, welche Talente der andere hat: „Heinz kann gut singen.“ ? „Und Monika kann gut Keyboard spielen.“ Und nicht nur in dieser Hinsicht ergänzen sich die beiden perfekt: Während Heinz Buchstaben lesen kann und alles mit Zahlen regelt, ist Monika die Kreative. Mehrere Instrumente hat sie sich selbst beigebracht, obwohl sie keine Noten lesen kann – alles nur nach Gehör. Und auch im Haushalt passen sie gut zueinander: Heinz macht die Wäsche, Monika putzt lieber.
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Ob sie auch manchmal Streit haben? „Nein, eigentlich nicht. Und wenn es doch mal vorkommt, dann sprechen wir einfach darüber“, so Monika. Zusätzlich haben die beiden jede Woche ein Paar-Gespräch mit ihren Betreuern. Hier können sie Dinge besprechen, die unter der Woche schiefgelaufen sind oder anders gemacht werden sollten. Mit Mitteln wie diesen unterstützt die Diakonie Stetten in ihren Einrichtungen Paare mit Behinderung. Sie ermöglicht ihnen auch gemeinsames Wohnen, bietet Aufklärungsgespräche mit Betreuern und Therapeuten an und sorgt für Verhütungsmittel, falls gewünscht. „Wir respektieren den freien Willen der Menschen, denen wir unsere Begleitung und Unterstützung anbieten, und das auch in sexueller Hinsicht“, so Hannah Kaltarar, Pressesprecherin der Diakonie Stetten.
„Du bist schön!“ heißt das Motto dieser Fastenwoche. Und je mehr man eine Person liebt, desto schöner wird sie. Auch Heinz fällt noch etwas ein, was Monika besonders schön macht: „Stricken“, sagt er und zeigt auf das angefangene Werk auf dem Wohnzimmertisch. „Das wird aber kein Pullover für dich, sondern für mich“, sagt Monika. Als Heinz ein wenig enttäuscht schaut, nimmt sie seine Hand und fügt hinzu: „Für dich stricke ich danach einen.“ Wie es wohl wäre, wenn die beiden sich mal ein oder zwei Tage nicht sehen könnten? „Nein, nein, nein, das ginge nicht!“, wehrt Monika ab. Und Heinz fügt kopfschüttelnd dazu: „Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Und damit das auch nicht passiert, packen sie sich zur Sicherheit noch ein bisschen fester an den Händen.
Anna Gieche