„Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen.“ ist das Motto der bundesweiten Fastenaktion 2015 der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Mit verschiedenen Themenwochen soll während der Fastenzeit das Unverwechselbare entdeckt und wertgeschätzt werden. Dazu stellen wir Ihnen jeweils ganz besondere Menschen vor. Thema diese Woche: „Du bist ein Talent!“ Anna Gieche hat sich mit Mohammad Reza Golemohammad getroffen, der 2002 aus dem Iran fliehen musste – weil er tanzen wollte.
„Tanzen, Musik, alles, was die Menschen fröhlich macht, ist im Iran verboten. Macht man es doch, kommt man zur Strafe ins Gefängnis und wird ausgepeitscht.“ Für den leidenschaftlichen Tänzer und Schauspieler Mohammad Reza Golemohammad (37) eine unerträgliche Situation. Im Juli 1999 nimmt er an einer Demonstration teil, wird verhaftet, ins Gefängnis geworfen und über fünf Monate lang gefoltert. Zähne werden ihm ausgeschlagen, die Schulter und das Bein gebrochen – bis heute leidet er darunter: „Nur wenn ich auf der Bühne bin und tanze, dann habe ich keine Schmerzen mehr, dann vergesse ich alles.“ Gegen ein Bußgeld und eine schriftliche Erklärung, auf die weitere Ausübung von Tanz und Schauspiel zu verzichten, darf Golemohammad das Gefängnis verlassen. Trotzdem macht er heimlich weiter und gibt sogar Unterricht.
Im Jahr 2002 wird die Situation für den leidenschaftlichen Tänzer zu gefährlich, er muss aus dem Iran fliehen. Mit falschem Pass und unter falschem Namen will er mit seiner Mutter nach Kanada. Doch die Flucht wird in Deutschland unterbrochen, die Weiterreise ist für die beiden unmöglich. Nun geht es für sie von Asylbewerberheim zu Asylbewerberheim. „Das war für mich wie ein Gefängnis ohne Gitter. Ich komme in ein freies Land und darf nichts machen“, beschreibt Golemohammad seine damalige Situation. Ohne Arbeit, ohne festen Tagesrhythmus und ohne Ablenkung vom Leben im Asylheim wird er langsam depressiv. Schließlich kommt er in eine Psychiatrie in Nürtingen, wo die dortige Kunsttherapeutin ihm einen persischen Märchenerzähler vorstellt. Der ist begeistert von Golemohammads Talent, seine Märchen tänzerisch darzustellen, und die beiden beginnen zusammen aufzutreten.
Auch der evangelische Asylpfarrer Werner Baumgarten vom Arbeitskreis Asyl Stuttgart erkennt bei einem der Auftritte Golemohammads Talent und lädt ihn zu verschiedenen Veranstaltungen ein. Zahlen dürfen sie ihm nichts außer der Anfahrt, aber Golemohammad ist glücklich, tanzen zu dürfen. Der Arbeitskreis Asyl hilft ihm auch, als sein Asylantrag abgelehnt wird. Im Jahr 2006 wird er schließlich doch als Flüchtling anerkannt, seit 2010 hat er einen deutschen Pass. Zurück in den Iran oder weg von Stuttgart will er nicht mehr: „Stuttgart ist meine Heimat. Egal wo ich bin, ich vermisse die Stadt.“ Hier durfte er seine Begabung zum ersten Mal ausleben, hier erfuhr er zum ersten Mal Wertschätzung für sein Talent.
Golemohammad würde sich selbst aber nicht als besonders talentiert bezeichnen, so sagt er bescheiden. Er müsse Bewegungen ein, zwei Mal üben, dann beherrsche er sie: „Wenn man das als Talent bezeichnet, freue ich mich.“ Fließend bewegt sich Golemohammad zur Musik und strahlt eine ganz besondere Mischung aus Konzentration, Zufriedenheit und Glück aus. Mittlerweile ist er ausgebildeter Tanzpädagoge und Tanzlehrer, macht seinen Eurythmie-Master, tourt mit seiner Tanzgruppe durch Italien, China und Südkorea und nächstes Jahr wird er seine Promotion im Bereich Heileurythmie starten.
„Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen.“ Mit dem Aktionsmotto der Fastenzeit will die EKD das Unverwechselbare entdecken und wertschätzen. Mohammad Reza Golemohammad hat einen langen Weg hinter sich, bis sein Talent Wertschätzung erfuhr. Er selbst findet eine Zeit des Fastens zwar wichtig – aber auf eine Sache kann und will er nicht mehr verzichten: „Tanz ist für mich wie Wasser. Ohne Wasser kann man nicht leben – und ich nicht ohne Tanz.“
Anna Gieche
) + J
) + K
) + G
) + O
) + V
) + Y