Mit einer kleinen Delegation hat Landesbischof July vergangen Freitag bis Sonntag den Libanon besucht. Auf dem Programm: Die Schneller-Schule in Khirbet Kanafar, ein neues Krankenhaus in Beskinta im Libanongebebirge sowie die National Evangelical Church in Beirut.
Start ist in der Johann-Ludwig-Schneller-Schule in Khirbet Kanafar, etwa anderthalb Autostunden entfernt von der Hauptstadt Beirut auf rund 900 Meter Höhe. Hier kommen wir der syrischen Grenze auf 25 Kilometer nah. Hohe Bäume, darunter natürlich auch Zedern, rahmen den Weg, der durch den großen Campus mit Unterrichtsgebäuden, Werkstätten und Betrieben sowie einem Gästehaus führt. Derzeit besuchen 250 Schülerinnen und Schüler die Schule, die von Landeskirche und Evangelischer Mission in Solidarität (EMS) unterstützt wird. Doch erfahrungsgemäß kommen im Laufe des Schuljahres noch einige Schüler dazu.
Schulleiter George Haddad findet: „Dies ist eine der schönsten Schulen in der ganzen Welt.“ Dabei sind die Zeiten nicht leicht: Bildung ist im Libanon ein Business. Der Staat tut nur das notwendigste, Privatschulen und -Universitäten boomen. Ein Gesetz bestimmte unlängst, die Gehälter für Lehrpersonal um etwa 30-40% zu erhöhen - und das Teil rückwirkend bis zu zwölf Jahren. Für die Schneller-Schule bedeutete das: Diese Fixkostenerhöhung kann nicht durch Spenden ausgeglichen werden. Sie musste umstrukturieren, Lehrerinnen und Lehrer entlassen. Jetzt sind es 24. Das jährliche Budget liegt bei umgerechnet 900.000 Euro, davon kommt rund die Hälfte aus Spenden. Den Rest bestreitet die Schule mit kommerziell arbeitenden Betrieben wie der Autowerkstatt, der Bäckerei oder Weinanbau sowie Zuschüssen des libanesischen Erziehungsministeriums. Die gibt es allerdings nur für libanesische Kinder. Doch in der Schneller-Schule haben sie auch 35 Kinder syrischer Flüchtlinge aufgenommen. Anders als es die offizielle libanesische Politik ist, werden diese Schüler integriert, lernen gemeinsam mit ihren libanesischen Mitschülern. Das ist - auch für manche Christen - ein Problem. Denn sonst werden im Libanon Flüchtlinge abgeschottet. Rund zwei Millionen Syrer sind in den Libanon geflohen. Die vier Millionen Libanesen mit ihren 12 christlichen Denominationen und drei muslimischen Glaubensrichtungen leben in der Regel in ihren je eigenen Stadtteilen.
Außerdem bietet die Schneller-Schule Hilfe für alleinerziehende syrische Mütter, Kriegswitwen zum Beispiel, die auf dem Gelände leben, kostenlosen Unterricht, Essen, Unterrichtsmaterial und psychologische Betreuung erhalten.
Nachmittags geht es in einen Ort im Drusengebirge nahe Beirut. Von der alten Villa, die die evangelische Kirche Beirut zu einem Studienzentrum für bis zu 300 Studierende ausbauen will, bietet sich ein weiter Blick auf die Millionenstadt und das Mittelmeer. Auch hier gilt: Bildungsarbeit ist ein wichtiges Betätigungsfeld für die Kirche. Die Umbauarbeiten an den Gebäuden laufen – und wir sind gespannt, wie sich das Projekt weiterentwickelt.
Abends erzählt unser Gastgeber, Pfarrer Habib Badr von vielen jungen Leuten, die das Land verlassen, um attraktive Jobs zu finden, den Netzwerken libanesischer Familien rund um den Globus aufgrund dieser Migration, dem Bemühen der Kirche, zu Verständigung in einer multireligiösen Gesellschaft beizutragen in einem Land, das auch aufgrund der Vielfalt christlicher Denominationen ein Zentrum des Christentums in der arabischen Welt ist.
Am nächsten Morgen sind wir bei Aram I. zu Besuch – dem Oberhaupt von nach eigenen Angaben weltweit knapp 10 Millionen armenischen Christen außerhalb Armeniens. Es gibt noch einen weiteren „Catholicos“, der seinen Sitz im armenischen Eriwan hat und für die Christen dort „zuständig“ ist. Aram I. berichtet über das Zusammenleben von Christen und Muslimen im Libanon und seine Sicht auf Europa. Das Oberhaupt der Armenisch-Apostolischen Kirche warnt vor einem Exodus der Christen aus dem Nahen Osten. „Wir müssen effektive Wege finden, die Migration zu stoppen“. Alle Kirchen der Region seien sich einig, dass ein „lebendiges Zeugnis“ und die Bereitschaft zum Leiden besser sei, als die Heimat in Syrien oder dem Libanon zu verlassen.
Ein wiederkehrendes, auch in den Darstellungen mancher Kirchen zu beobachtendes Motiv: Die rund alle 100 Jahre von diversen Machthabern, Völkern und politischen Kräften verfolgten und bekämpften libanesischen Christen verstehen sich als Märtyrerkirche.
Weiter geht es, hoch ins Libanongebirge. Rund 35.000 Menschen leben in der Kommune Beskinta. Auf 1.200 Meter besuchen wir ein Krankenhaus, das erstmals in dieser Gegend stationäre medizinische Versorgung bietet. Landesbischof July eröffnet die medizinische Notaufnahme dort, die die Landeskirche mit 100.000 Euro finanziert hat. July sagt bei der Eröffnung, die Klinik sei ein Signal der Hoffnung und der Einheit der Christen. Dienst an Kranken habe von Anbeginn der Christenheit zum Einsatz der Kirchen gehört. Durch eine bessere Versorgung biete man den Menschen auch eine Perspektive, in ihrer Heimat zu bleiben, anstatt in andere Länder zu migrieren. Das Krankenhaus ist direkt neben einem Kloster einer maronitischen Schwesternschaft gebaut. Die Nonnen helfen künftig bei der Versorgung der Kranken mit. Die Unterstützung der katholischen Gemeinschaft durch die evangelische Landeskirche sei ein wichtiges ökumenisches Zeichen in einer globalisierten Welt, so der Landesbischof.
Wieder zurück in der Innenstadt Beiruts besuchen wir einige Kirchen und Moscheen. Gemeinsam mit einer Gruppe deutscher Pfarrerinnen und Pfarrer, die ein Kontaktsemester an der Near East School of Theology machen. Dort finden wir neben den teils heldenartigen Darstellungen der orthodoxen auch die schlichten Heiligen, die sich als Märtyrer verstehen und so abgebildet werden.
Am Sonntag predigt der Landesbischof in der National Church of Beirut. Die Gastgeber, die ihren Gottesdienst normalerweise auf Arabisch feiern, haben für uns alles übersetzt – Lieder, Texte, Abläufe. Die Predigt wiederum, auf englisch gehalten, liegt als arabisches Manuskript vor, so dass wir den traditionellen Gottesdienst mehrsprachig feiern können.
Mit zur Delegation gehörte Inge Schneider, Präsidentin der Württembergischen Evangelischen Landessynode. Diese gibt aus Kirchensteuermitteln pro Jahr rund 250.000 Euro für den Libanon und Syrien. Außerdem Kirchenrat Klaus Rieth, der darauf hinwies, das mit den kirchlichen Mitteln die Flüchtlingshilfe vor Ort und nachhaltige Landwirtschaft unterstützt würden. Ein großer Teil der Unterstützung läuft über die Evangelische Mission in Solidarität, für die der Nahost-Kenner und Geschäftsführer der Evangelischen-Schneller-Schulen, Uwe Gräbe mit dabei war.
Oliver Hoesch (mit epd)