Wie schreitet die württembergische Landeskirche bei der Digitalisierung auf ihren unterschiedlichen Ebenen voran? Darum geht es beim 2. Forum Digitalisierung, zu dem der Oberkirchenrat und die Projektgruppe Digitalisierung am Montag, 23. Juli, in den Stuttgarter Hospitalhof eingeladen haben. Der Tag soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern praktische Unterstützung für ihre Arbeit bieten und sie zugleich darüber informieren, was in den vergangenen Monaten bereits erreicht werden konnte.
Nach der Begrüßung durch Direktor Stefan Werner dachte Pfarrerin Miriam Hechler in ihrem geistlichen Impuls über digitale Abstinenz und digitale Überforderung nach.
„Agile Methoden – Buzzword oder hilfreiche Tools?“ war das Thema des ersten Schwerpunkts von Florian Härer. Der zertifizierte Design Thinking-Coach, Scrum Master und Buisness Trainer verantwortet den Kreativbereich eines Innovations-Hubs der Daimler AG. Er hält agile Methoden auch für Kirchengemeinden hilfreich, da sie auf die Menschen bezogen sind und es möglich machen, gezielter auf die Bedürfnisse der Gemeindeglieder einzugehen. Agilität bedeute, einfach auch mal etwas auszuprobieren, einen „Prototyp“ zu entwickeln, zwischendurch Feedback einzuholen, auch wenn etwas noch nicht fertig ist. Außerdem sei es wichtig, immer wieder zurückzuschauen, zu überlegen, was gut gelaufen ist und was nicht.
„Die Kommunikation in den Kirchengemeinden ist aufgrund von Teilzeitarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Einbindung vieler Ehrenamtlicher, der verschiedenen Organisationsebenen und Sondereinrichtungen sowie der Ansprache sehr unterschiedlich erreichbarer Gemeindemitglieder herausfordernd. Digitale Instrumente erleichtern die Zusammenarbeit und verbessern sowohl die interne als auch die externe Kommunikation“, sagte Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup in seinem Beitrag über das vernetzte Gemeindebüro und Gemeindesoftware. Besonderen Wert legt er auf eine klare Nutzerorientierung und einfachen Technikzugang, die Orientierung an einen EKD-weiten Standard sowie die Nutzung von Open-Source-Software und die Integration bestehender Systeme. Ziel sei ein modular aufgebautes, digitales Gemeindemanagement, so Kastrup. Haupt- und Ehrenamtliche, Konfirmanden, Kerngemeinde und kirchlich Interessierte sollen beteiligt werden und eine Vernetzung mit anderen kirchlichen Einrichtungen erfolgen.
Dr. Winfried Klein, Referatsleiter für Allgemeines Recht im Oberkirchenrat, wies angesichts der Digitalisierung auf die Wichtigkeit des Datenschutzes in den Gemeinden hin. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine eigene Datenschutzaufsicht und ein eigenes Datenschutzgesetz. Das ist nach Inkrafttreten der europaweit gültigen Datenschutzgrundverordnung am 25. Mai 2018 aktualisiert worden. Die württembergische Landeskirche setzt das EKD-Datenschutzgesetz mit einer Verordnung um.
Die Kirchengemeinden sollten vor allem ihre Homepage überprüfen, erklärte Klein. Der Oberkirchenrat werde in Kürze Bausteine für eine Datenschutzerklärung veröffentlichen. Auf Vorrat gespeicherte Mitgliederdaten zum Beispiel für E-Mail-Newsletter dürften ohne Einwilligung der Betroffenen nicht verarbeitet werden. Klein riet den Gemeinden außerdem, mit Bildern noch vorsichtiger zu sein als bisher: „Fotos von Kinder nie ins Internet. Bilder, auf denen Erwachsene erkennbar sind, nur mit deren Einwilligung!“, betonte er. Dies gelte auch für Live-Streams des Gottesdienstes. Amtshandlungen wie Taufen, Beerdigungen oder Hochzeiten könnten weiterhin bekannt gegeben werden, wenn die Betroffenen oder Angehörigen nicht dagegen Widerspruch eingelegt haben.
Der Direktor im Evangelischen Oberkirchenrat, Stefan Werner, berichtete über die bisherige Umsetzung der Roadmap Digitalisierung. Danach soll unter anderem das elektronische Dokumentenmanagement ausgebaut und eine Software für Hotelmanagement eingeführt werden. Es gebe eine Reihe digitaler Projekte in der Verwaltung, im Finanzmanagement und in der Zentralen Gehaltsabrechnung. Darüber hinaus wird es eine dreijährige Testphase für eine Coworking-Space geben, in der sich digital interessierte Menschen in der Landeskirche austauschen können. In das Projekt digitales Gemeindemanagement sollen vorhandene Projekte wie der Gemeindebaukasten und PC im Pfarramt integriert werden. Auch das neue Kommunikationskonzept der Landeskirche, das bis zum Jahresende stehen soll, hänge eng mit der Digitalisierung zusammen. „Bei all dem, was wir hier tun, geht es nicht nur um technische Themen. Es geht vielmehr auch um Vernetzung, neue Formen der Zusammenarbeit und einen Kulturwandel“, betonte Werner.
„Die Chancen, die die Digitalisierung bietet, sind hochattraktiv. Deshalb sind wir mutig und wollen sie mitgestalten“, sagte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July, der live zugeschaltet war. Ihn beschäftige vor allem die Frage: „Wie kann Digitalisierung dem Menschen dienen?“ Die Pflegeeinrichtungen seien unter starkem Kostendruck und es stelle sich die Frage, wie sich die Landeskirche und ihre Diakonie verhalten, wenn die Pflegeroboter marktreif sein. Ebenso sei auf einen fairen Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu achten, wenn die Digitalisierung etliche Arbeitsplätze bedroht. Und schließlich sprach July das Nutzerverhalten und die Macht einiger Konzerne an. Das was Konzerne wie Google und andere über einzelne Menschen wüssten, gebe ihnen sehr viel Macht und bedrohe die Freiheit. Manche sprächen schon von einer „Rückkehr des Feudalismus“. Darauf müsse die Theologie Antworten finden. „Der Mensch ist gewürdigt von Gott, aber er ist nicht Gott selbst, betonte der Landesbischof.
Eine App, die Vorgesetzten helfen soll, ihre Personalentwicklungsgespräche vorzubereiten, ein christliches Computerspiel, das das Evangelium erlebbar machen soll, ein digitales Bibelprojekt, das biblische Geschichten im Video umsetzt, eine Lieder-App oder eine E-Learning-Plattform: Das sind Beispiele von Projekten, die bereits in der Planung bzw. in der Umsetzung sind. Ihre Macherinnen und Macher stellten sie beim Forum Digitalisierung vor.
Über Chancen und Risiken der Digitalisierung für die klassische Seelsorge und Beratung sprach Professor Dr. Robert Lehmann von der Technischen Hochschule Nürnberg per Skype-Schaltung. „Das Internet dient allen gesellschaftlichen Schichten als zentrale Informationsquelle und auch seine Bedeutung bei der Beschaffung von gesundheitsrelevanten Themen steigt“, so Lehmann. Die Angebote der klassischen Beratungsstellen seien jedoch kaum sichtbar und die Qualität der Angebote sehr unterschiedlich. Es gehe darum, die positiven Seiten der Digitalisierung für die Beratung zu nutzen. Sie biete durchaus Chancen auch für die klassische Beratung. „Sie ist zeit- und ortsunabhängig und maximal anonymisierbar“, betonte Lehmann. Seine Vision sei, dass kirchliche Beratungsstellen die digitalen themen- und klientenbezogenen Instrumente nutzen und mit klassischen Methoden verbinden und dass ein weit verbreitetes, allgemein anerkanntes Qualitätssiegel seriöse von unseriösen Angeboten abgrenze.
„Follower, Freunde und Gemeinde“ war das Thema des Podiumsgesprächs beim 2. Forum Digitalisierung, das von Kirchenrat Dan Peter moderiert wurde. Pfarrerin Magdalena Smetana aus Gruibingen sieht die Sozialen Medien als eine niederschwellige Möglichkeit mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sie sonst nicht erreichen würde. Sie schreibt jeden Morgen ein Twittergebet zur Tageslosung und ein Tagesfeedback am Abend. „Positive Botschaften kommen gut an“, ist ihr Fazit.
Pfarrerin Miriam Hechler aus Stuttgart Vaihingen fände es gut, wenn die Kirche im Bereich digitale Beratungsangebote stärker einsteigen würde. Sie fragt sich allerdings, wie Pfarrerinnen und Pfarrer das zeitlich zusätzlich stemmen sollen. „Ich könnte mir da auch gut Ehrenamtliche vorstellen“, sagt sie.
Prof. Dr. Georg Lämmlin von der Evangelischen Akademie Bad Boll weist auf die ethischen Fragen, durch die Digitalisierung entstehen. „Wie können wir als Kirche die Menschen in diesem Raum gut beraten?“, fragt er. Er wünscht sich vor allem mehr Bildung für Eltern, damit diese ihre Kinder in den Sozialen Medien besser begleiten können.
„Haben Sie keine Angst vor der Digitalisierung, sondern wenden Sie sie im Dienste der Menschen an“, sagte Direktor Stefan Werner zum Abschluss. Die Roadmap Digitalisierung gebe in diesem Prozess eine Orientierung. Er ermutigte alle, sich zu beteiligen, Anregungen oder Feedback zu geben. Viele interessante Anträge und Vorschläge für Projekte lägen bereits vor, so Werner. Er wünsche sich, die Vielfältigkeit der Landeskirche im Rahmen der Digitalisierung abzudecken. Weiter kündigte der Direktor die Stelle eines landeskirchlichen Beauftragten für die Digitalisierung an. Durch diese Person erhoffe er sich weiteren Schwung für den Digitalisierungsprozess. Außerdem wird es auch im nächsten Jahr ein Forum Digitalisierung geben.