Fastenzeit bedeutet auf Dinge zu verzichten, an denen man hängt. Sieben Wochen lang ohne Schokolade, Instagram oder Zigaretten auszukommen, ist eine Herausforderung. Viele Menschen auf der Welt müssen aber auf weit mehr verzichten als nur auf die kleinen Freuden des Alltags. Sie haben ihr Zuhause, ihre Lebensgrundlage oder ihre Familie verloren. Wir stellen Ihnen in der Fastenzeit jede Woche ein Projekt einer Spendenorganisation vor, mit der die Württembergische Landeskirche verbunden ist. Heute geht es um ein Behindertenprojekt in Russland der Aktion Hoffnung für Osteuropa.
Menschen mit Behinderungen werden in Russland häufig ausgegrenzt. Für Minderjährige gibt es zwar Schulen und Heime – doch danach ist es für viele mit Arbeits- und Therapieangeboten vorbei. „Dann sitzen sie zu Hause“, kritisiert die lutherische Pröpstin Olga Temirbulatova aus Samara diese Angebotslücke. Fast immer sind es die Mütter, die vollzeitlich die Pflege ihrer erwachsenen Kinder übernehmen.
Hoffnung für Osteuropa
Europa gemeinsam leben – das ist Ziel und Anspruch der Aktion Hoffnung für Osteuropa seit 25 Jahren. Die Hilfsaktion der württembergischen Kirche und ihrer Diakonie fördert Programme von kirchlichen und humanitären Organisationen. Mit Hilfe von Spenden kann Hoffnung für Osteuropa evangelischen und ökumenischen Partner in Rumänien, Polen, Russland, Georgien, Serbien, Griechenland und der Slowakei in ihren Diensten für Alte und Kranke, für Menschen mit Behinderung und für Geflüchtete unterstützen.
Raus aus dem Abseits
In Togliatti, der 700.000-Einwohner-Stadt an der Wolga, hat die kleine lutherische Gemeinde einen freundlichen zweistöckigen Bau erworben. Das Haus im Hinterhof steht zwischen riesigen Wohnsilos. Sonntags feiern hier nun 10 bis 15 Evangelische Gottesdienst, Dienstag bis Freitag kommen rund 15 behinderte Kinder und junge Erwachsene in die Einrichtung.
Pastorin Tatjana Zhivodjorova ist ein Multitalent. Sie hat nicht nur eine theologische Ausbildung, sondern fungiert auch als Tanzlehrerin. Ihre Klienten fassen einander an den Händen, drehen sich im Kreis, klatschen in die Hände und haben sichtlich Spaß. Zum Malen und Kneten kommt eine Kunstlehrerin. Dienstags gehen alle zum therapeutischen Schwimmen ins Hallenbad.
Anfangs haben viele Bewohner um das Gemeindezentrum herum abweisend auf die Behindertengruppe reagiert. Eltern sorgten sich, die Behinderung könnte „ansteckend“ für ihre Kinder sein, erinnert sich die Pastorin. Das hat sich geändert. Die Menschen im Stadtteil haben sich an die Gruppe gewöhnt.
Mütter unterstützen sich gegenseitig
Die Angebote helfen nicht nur den Behinderten, sondern nicht minder deren Müttern. Sie kommen im Gemeindezentrum zusammen, können sich austauschen und gegenseitig unterstützen. Die Herausforderung, nonstop für das eigene Kind verfügbar zu sein, lässt sich auf diese Weise stundenweise unterbrechen. Die Kinder wiederum knüpfen Beziehungen und Freundschaften über die eigene Familie hinaus.
Ohne finanzielle Unterstützung aus Deutschland könnte das Projekt in Togliatti kaum überleben. Die Stadt beheimatet zwar Industrie. Für eine qualifizierte Förderung Behinderter fehlt aber an vielen Stellen das Geld. Deshalb greift die Aktion „Hoffnung für Osteuropa“, die vom Diakonischen Werk Württemberg koordiniert wird, den russischen Christen unter die Arme.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)