Schon seit langer Zeit kümmern sich die Schulen der Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Evangelischen Schulstiftung Stuttgart und die Evangelischen Seminare in Blaubeuren und Maulbronn um die Antisemitismus-Prävention und thematisieren Nationalsozialismus, Holocaust und Rassismus intensiv im Unterricht. Einige Schulen knüpfen mit besonderen Aktionen an den Holocaust-Gedenktag an. Hier geben wir einen Einblick in diese Aktivitäten.
Nicht erst seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 behandelt die Schule die Verbindungen von Nahost-Konflikt und Antisemitismus kontinuierlich im Unterricht, um rechtsextremen, antisemitischen und allgemein menschenverachtenden Strömungen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund vorzubeugen. Dazu gehören unter anderem Exkursionen nach Dachau, zur KZ-Gedenkstätte in Schwäbisch Hall-Hessental und nach Grafeneck zur Erinnerung an die Aktion T4-Euthanasie. Im Gemeinschaftskundeunterricht analysierten Schülerinnen und Schüler offen oder versteckt antisemitische Zitate aus dem Alltag.
Seit dem Überfall der Hamas habe das Thema aber an Brisanz gewonnen, so Miklas Hahn, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Schulstiftung. Zwischen syrisch-stämmigen und christlich sozialisierten Jugendlichen der Kursstufe habe es Konflikte um die Bewertung des Geschehens gegeben. Die Schule habe deshalb im Geschichtsunterricht die Entstehung des Nahost-Konflikts beleuchtet, um zu zeigen, wie sich die Fronten derart verhärten konnten. So sei es gelungen, „über Bildung so viel Einsehen und Verständnis zu erreichen, dass der Konflikt auf eine sachliche und verständnisorientierte Ebene gehoben werden konnte“, so Hahn.
Im Evangelischen Blaulach-Gymnasium in Kusterdingen organisieren jedes Jahr die beiden 9. Klassen eine Holocaust-Gedenkveranstaltung in der Aula der Schule – in diesem Jahr findet sie am 29. Januar statt. Dieses Jahr ist eine Mischung aus Theaterstück und historischer Hintergrund-Information geplant. Auch hierbei werden nicht nur Nationalsozialismus und Holocaust inklusive ortsgeschichtlicher Bezüge thematisiert, sondern auch die Verbindungslinien zum aktuellen Geschehen in Israel und im Gaza-Streifen.
Auch die letzte Schulversammlung im Spätherbst thematisierte den Nahost-Konflikt unter dem Motto „Meide das Böse und tu das Gute".
Im Rahmen des großen Wochenschlusses mit Eltern und Verwandten vor den Weihnachtsferien trugen Schülerinnen in der Evangelischen Jenaplanschule in Mössingen einen Text zum jüdischen Lichterfest Chanukka vor und erklärten in einfachen, aber sehr eindrücklichen Worten die Bedeutung, teile die Schule mit.
Die Abschlusslerngruppe beschäftige sich derzeit ausführlich und in verschiedenen Projekten mit dem Thema Antisemitismus. Die Mittelgruppen starten in Kürze mit einem größeren Projekt, in dessen Mittelpunkt die Lektüre des Buches „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ (Autorin: Judith Kerr) steht, so die Schule.
Evangelisches Firstwald-Gymnasium Mössingen (EFGM)
Der Holocaust-Gedenktag hat am Evangelischen Firstwald-Gymnasium Mössingen seit vielen Jahren einen festen Platz im Unterricht und in gemeinsamen Veranstaltungen. Im Vorfeld des Holocaust-Gedenktags 2024 haben sich neunte Klassen mit der Thematik der Judenverfolgung in Deutschland auseinandergesetzt, mit Zeitzeugenberichten gearbeitet und Stolpersteine für die Schule erstellt.
Außerdem analysierten die Klassen den aufkommenden Antisemitismus in der Gesellschaft. So konnten sie ein vertieftes Verständnis für aktuelle Herausforderungen im Kampf gegen Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Menschen mit jüdischem Glauben erlangen. Ziel war es, nicht nur historische Ereignisse zu reflektieren, sondern auch einen kritischen Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungen zu werfen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler nach dem Angriff der Hamas auf Israel mehr denn je auseinandersetzen müssen.
Darüber hinaus haben viele Lehrerinnen und Lehrer das Thema Antisemitismus auch aktuell in ihrem Fachunterricht verankert. So fand zum Beispiel in der Klasse 7 (Geschichte) beim Thema Stadt im Mittelalter (Juden und Judenviertel) ein Exkurs zur Geschichte des Antisemitismus statt. Es wurden diverse Stereotype erörtert und mit gängigen Vorurteilen gegen Juden verglichen. Auch besprachen die Schülerinnen und Schüler, wie mit solchen Äußerungen umgegangen werden kann.
Kurz vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar fährt ein Oberstufenkurs zu einer Zeitzeugenbegegnung nach Leonberg, die von Scora (Schools opposing racism and antisemitism) angeboten wird. Zudem gibt es eine Frühandacht zu Jelisaweta Pilenkko, besser bekannt als ‚Mère Marie' – sie hat während des Dritten Reichs in Frankreich jüdische Kinder gerettet und wurde nach Polen deportiert und umgebracht. Sie wird in Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern geehrt.
Am 29. Januar wird sich der Morgenkreis der Mittelstufe zu Beginn der Schulwoche mit dem Thema „Stolpersteine“ beschäftigen.
Grundsätzlich stehen auch regelmäßig Exkursionen in den Sommermonaten nach Freudental, in das KZ Vaihingen oder auch Markgröningen (Holocaust-Mahnmal vor der alten Habila) auf dem Programm. In der Kursstufe ist auch eine Fahrt nach Dachau üblich.
Das evangelische Mörike-Gymnasium hält jedes Jahr zum Holocaust-Gedenktag mit den 10. und 11. Klassen eine Andacht am Stuttgarter „Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“; die Schule übernahm 2003 die Patenschaft für das Mahnmal.
Schülerinnen und Schüler schilderten bei einer Andacht z.B. die grausamen Erfahrungen damaliger jüdischer Jugendlicher und berichteten vom Widerstand, der zu Inhaftierung, Deportation und Tod führen konnte.
Evangelische Seminare Blaubeuren und Maulbronn
Im Evangelischen Seminar Blaubeuren besuchen die Klassen neun und zehn die Synagoge in Ulm als Zeichen gegen Antisemitismus und um die Verständigung über jüdisches Leben zu vertiefen, mit Vor- und Nachbereitung im Unterricht.
Im Evangelischen Seminar Maulbronn werden in Verbindung mit der aktuellen Diskussion die Themen Antisemitismus und Nationalismus vor allem in den Fächern Gemeinschaftskunde und Geschichte behandelt.
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