1994 nahm das neu gegründete Büro der Frauenbeauftragten die Arbeit im evangelischen Oberkirchenrat auf. Aus ihm ging später das heutige Büro für Chancengleichheit hervor, das neben der Gleichstellung von Mann und Frau eine Vielzahl weiterer Themen bearbeitet. Seit dem Jahr 2000 leitet Ursula Kress diese Dienststelle. Neben ihrer Tätigkeit als landeskirchliche Beauftragte für Chancengleichheit ist sie als Ansprechperson auch für Fälle sexualisierter Gewalt zuständig. Im folgenden Interview erklärt sie die Historie ihres Arbeitsbereichs und gibt Einblick in aktuelle Themen und Herausforderungen.
„Heute liegt das ‚Kampf- und Betätigungsfeld‘ im Bereich von Geschlechterressentiments, Sexismus, Homophobie, Rassismus, Antisemitismus oder Fremdenhass. Auch dies müssen wir genau beobachten und entsprechend mit Angeboten reagieren, die Diversität und Gleichberechtigung fördern und stärken, denn unsere Freiheit und Demokratie sind in Gefahr“, so Ursula Kress im Interview.
Wie sehen die Aufgaben des Büros für Chancengleichheit aus?
Ursula Kress: Dazu zitiere ich zunächst formal aus der "Ordnung der Beauftragten für Chancengleichheit“ von 2007: „Die oder der Beauftragte tritt für die Chancengleichheit von Frauen und Männern bei der Mitgliedschaft in den Organen und Gremien sowie Verwaltungen, Werken und Diensten der Kirche ein und erarbeitet dazu Vorschläge und Konzeptionen.“ Bereits 2007 hatte sich der Name der Beauftragung geändert: Aus der früheren Frauenbeauftragten in der Landeskirche wurde die Beauftragte für Chancengleichheit für Frauen und Männer. Inzwischen hat sich das Spektrum der Aufgaben noch mehr erweitert, daher wird in der neuen Ordnung für diese Beauftragung, die 2025 in Kraft treten soll, Chancengleichheit definiert für alle Menschen, unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft. Dafür setze ich mich im Rahmen der Kirche ein. Meine Aufgaben umfassen z.B. die Planung, Organisation und Gestaltung von Veranstaltungen, die Erhebung von Personaldaten zur Erarbeitung von Maßnahmen und Konzepten zur Förderung bzw. Verbesserung von Gleichstellung, die Erstellung von Broschüren und Arbeitshilfen, die Vertretung in Gremien der Kirche und Politik, aber auch immer die konkrete Beratung von haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden in der Kirche, die diskriminiert oder nicht gleichberechtigt behandelt werden und sich an mich als Beauftragte wenden.
Wie hat sich Ihre Arbeit in der Zeit des Bestehens des Büros für Chancengleichheit entwickelt?
Ursula Kress: Anfangs ging es beispielsweise um Bildungsveranstaltungen für Kirchengemeinderätinnen, also Ehrenamtliche, sowie für hauptamtlich tätige Frauen, im Sinne der Frauenförderung. Es ging schon immer auch um das Thema der Überwindung von Gewalt. Ein Schwerpunkt war die Positionierung und der Runde Tisch zu Feministischer Theologie sowie Frauenliturgien und Frauengottesdienste. Vor 2007 gab es daher auch Stellen für Pfarrerinnen im Büro. Inzwischen heißt die Stelle „Büro der Beauftragten für Chancengleichheit für Frauen und Männer“. Wir setzen jetzt auf Vielfaltsdimensionen wie Geschlechter, Alter, Herkunft, Inklusion und andere Diversitätskriterien. Lange haben wir für die Gleichstellung von Frauen in diversen Ämtern gekämpft, seit 2013 haben wir die freiwillige Quote für die Landeskirche. Ziel war eine chancengleiche und paritätische Zusammensetzung der Gremien, Organe und Leitungsstellen bis 2023. An vielen Stellen gibt es Fortschritte, aber in der Praxis ist noch einiges zu tun: Wie erreichen wir mehr Vielfalt in Gremien? Wie werden wir eine milieusensible Kirche?
Da wir in der Landeskirche kein Gleichstellungsgesetz haben, fokussierten wir seit 20 Jahren schon auf Chancengleichheit und Personalentwicklung. Nach wie vor ist es wichtig, Mitarbeitende zu unterstützen, zu begleiten und zu fördern zum Beispiel mit dem Mentoringprogamm für Frauen und Männer. Aber es geht auch um die Beratung zum Umgang mit eigenen Ressourcen, um eine Work-Life-Balance, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Also auch, wie man Überlastungssituationen, Mehrfachbelastungen oder Entgrenzung der Arbeit vermeidet. Außerdem die Frage, wie am Ende des Erwerbslebens der Abschied gut und wertschätzend gestaltet werden kann – das sogenannte Offboarding blickt damit auf die Sicherung des Wissensmanagements und versucht, eine gute Abschiedskultur zu gestalten.
Welche Themen oder besondere Aspekte einzelner Themen ziehen sich durch?
Ursula Kress: Unterm Strich sind viele Themen gleichgeblieben. Es geht darum, Stereotypisierungen und Diskriminierungen aufzuspüren und zu bearbeiten. Beispielsweise darauf hinzuweisen, wenn in einem Bewerbungsverfahren Frauen weniger zugetraut wird als Männern. Oder wenn Frauen, die sich um Leitungspositionen bewerben, gefragt werden, wie sie die Stelle mit der Kinderbetreuung vereinbaren wollen – Männer werden das in der Regel nicht gefragt. Um diese Ungleichheiten zu vermeiden, haben wir standardisierte Fragenkataloge für Bewerbungsgespräche entwickelt. Daneben gibt es das Angebot von Coaching und Bewerbungstrainings. Ein weiteres Thema ist der Bereich des inklusiven und geschlechtergerechten Sprechens, oft als „Gender-Sprech“ diskriminiert.
Von Anfang an hatte das Büro für Chancengleichheit (früher der Frauenbeauftragten) auch mit dem Thema der sexuellen Gewalt im Rahmen der Kirche zu tun. Hierzu gab es schon während der Dekade „Gewalt überwinden“ (2001-2010) Aktionen zur Sensibilisierung, zum Beispiel 2006 die Ausstellung „Rosenstraße 76“ im Rahmen des Bündnisses gegen häusliche Gewalt. In der Schalterhalle des Stuttgarter Hauptbahnhofes wurde eine Modell-Wohnung aufgebaut, in der man interaktiv dem Thema Häusliche Gewalt begegnen konnte, also praktisch hinter die Fassade schaute. Begleitet wurde diese Ausstellung auch durch psychologische, therapeutische und sozialdiakonische Beratung vor Ort. Auch die Interessen und Anliegen von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Pfarrpersonen mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und theologische Gedanken zu geschlechtlicher Vielfalt sind ein Teil des Auftrags.
Welche Ergebnisse betrachten Sie als besondere Erfolge?
Ursula Kress:
Wo wird in den nächsten Jahren der Schwerpunkt des Büros für Chancengleichheit voraussichtlich liegen?
Ursula Kress:
Hintergrund: Die Geschichte des Büros für Chancengleichheit
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