Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hat am 8. September im Festgottesdienst der baden-württembergischen Kommende des Johanniterordens im Rahmen des jährlichen Johanniter-Treffens die Predigt gehalten. Dabei würdigte er das Engagement der Johanniter so: „Die Geschichte unseres Landes ist reich an diesen Glaubenszeugnissen der Johanniter. Und die sozialen und diakonischen Aufgaben, die die Johanniter in vielen Einrichtungen in unserem Land bis heute erfüllen, sind beeindruckend. Die Johanniter Unfall-Hilfe gehört zu den bekanntesten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland.“ Im Folgenden lesen Sie die Predigt über Matthäus 6, 25-34 im Volltext.
Liebe Schwestern und Brüder!
Eintreten für den Glauben und der Einsatz für Kranke und Hilfsbedürftige. Das ist der Auftrag für jedes Mitglied des Johanniterordens. Die Ordensregel der Johanniter – Sie kennen sie alle – lautet: „Der Johanniter lässt sich rufen, wo die Not des Nächsten auf seine tätige Liebe und der Unglaube der Angefochtenen auf das Zeugnis seines Glaubens warten.“
Die Geschichte unseres Landes ist reich an diesen Glaubenszeugnissen der Johanniter. Und die sozialen und diakonischen Aufgaben, die die Johanniter in vielen Einrichtungen in unserem Land bis heute erfüllen, sind beeindruckend. Die Johanniter Unfall-Hilfe gehört zu den bekanntesten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland.
Mit dem heutigen Gottesdienst werden Sie hoffentlich alle für diesen Dienst am Nächsten gestärkt und erfahren durch ihren Glauben die Gemeinschaft, die uns Jesus Christus schenkt.
Der Predigttext für den heutigen 15. Sonntag der Trinitatiszeit stammt aus der Bergpredigt. In der Bergpredigt spricht Jesus davon, wie Gottes Welt sein wird. Diese Welt nennt er das Reich Gottes.
„Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen.“ Ein bekannter Satz. Bismarck soll ihn gesagt haben und auch Helmut Schmidt und manch andere nach ihnen. Dabei ist die Bergpredigt wohl die berühmteste Rede Jesu. Für Christinnen und Christen aller Zeiten und aller Länder hat sie eine große Kraft entfaltet. Manche Theologen haben die Bergpredigt die Regierungserklärung Jesu genannt. Andere haben betont: Das, was Jesus dort sage, lasse sich nicht auf dieser Welt umsetzen, zumindest nicht 1:1.
Hören wir auf den Abschnitt für heute aus Mt 6,25-34:
25 Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? 27 Wer aber unter euch kann mit Sorgen seiner Lebenslänge eine Elle hinzufügen? 28 Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. 29 Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. 30 Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: Sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? 31 Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? 32 Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. 34 Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.
Einfach sind diese Worte der Bergpredigt. Einfach und elementar. Jesus spricht von den Grundbedürfnissen des Menschen: Vom Essen und vom Trinken. Von der Nahrung. Von der Kleidung. Selbstverständlich sorgen wir uns darum. Ohne Essen und Trinken würden wir sterben. Und selbstverständlich sorgen wir uns auch um Kleidung und um ein Dach über dem Kopf – auch das brauchen wir zum Leben. Deshalb setzen sich viele Johanniter für Menschen ein, denen es gerade daran fehlt. An Essen. An Kleidung. An einem Dach überm Kopf.
In einer Zeit, wo viele in der Digitalisierung die Lösung der großen Menschheitssorgen sehen und dem menschlichen Geist anscheinend kein Grenzen gesetzt scheinen, erdet mich diese Rede Jesu wohltuend. Ja, wir Menschen brauchen all das, was Jesus aufzählt. Und: „Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft“, sagt Jesus. Mich beruhigt das.
Jesus weiß, was wir zum Leben brauchen. Aber dann sagt er etwas, was Christinnen und Christen aller Zeiten herausgefordert hat. „Sorgt euch nicht um das Nächste und Übernächste. Lasst eure Gedanken nicht kreisen um die nächste Woche, den übernächsten Monat. Plagt euch nicht mit den Planungen für schlechte Zeiten“.
Wie bitte? Was soll denn schlecht sein am Vorsorgen? Hat nicht Gott selbst dem Erzvater Joseph befohlen, die sieben fetten Jahren zu nutzen, um für die sieben mageren vorzusorgen?
Doch Jesu Worte sind eindeutig: „Sorget nicht!“ Eine gewaltige Zumutung. Aber gerade solche Zumutungen sind es, die uns im Glauben voranbringen.
Jesus hat mit den Menschen gesprochen. Oft in Gleichnissen und Bildern. Bilder aus dem Alltag der Menschen, die ihm zuhören. Bilder aus der Landwirtschaft. Aus der Natur. Aus der Familie. Aus dem Dorf. So auch hier. Warum? Weil Jesus mit seinen Gleichnissen und Bildern unseren Blick schärfen will. Sie sind eine Sehhilfe für uns.
Deshalb: „Macht Eure Augen auf. Schaut auf die Vögel am Himmel und schaut auf die Lilien auf dem Felde. Schaut auf diese Geschöpfe und lernt von ihnen. Die Vögel säen und ernten nicht und haben dennoch genug zu essen. Und die Lilien auf dem Feld. Sie kümmern sich nicht um ihre Kleidung und sind doch schöner als Salomo in seinen prächtigsten Festgewändern.“
„Sorget nicht“.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am vergangenen Sonntag erreichte die AfD in beiden Bundesländern über 30 % der Stimmen. Eine Partei, so nehme ich es wahr, die die Sorgen der Menschen nicht nur verstärkt, sondern regelrecht Ängste schürt. Sie weiß: Angst macht Menschen anfällig für radikale Botschaften und Lösungsversprechen. Angst entlädt sich oft in Hass und Wut. Da haben es rationale Argumente schwer.
„Sorget nicht“ – setzt hier einen anderen Akzent. Das Wort Angst kommt von Enge. Der Blick auf die Blumen auf dem Feld und der Blick zum Himmel führen in die Weite. Dieser Blick schenkt eine neue Perspektive: Weg von mir – hin zu Gott. Unser aufgeheiztes gesellschaftliches Klima offenbart oft auch eine geistliche Leere. Wer nur noch auf sich schaut und das, was ihm oder ihr vermeintlich fehlt, sieht nicht, was ihm und ihr geschenkt ist.
Der Blick zum Himmel und auf die Blumen auf dem Feld erinnert mich daran, was mir alles geschenkt ist.
„Sorget nicht“ – Wenn das aber nur so einfach wäre. Denn Vieles macht einfach Sorgen. Manchen sind die Sorgen schon längst über den Kopf gewachsen. Wenn man einfach keine bezahlbare Wohnung findet. Oder die Mutter, die mir erzählte: „Meine Tochter kommt jetzt in die Schule. Sie hat sich so sehr einen Schulranzen gewünscht. Der ist aber viel zu teuer. Wissen Sie, ich habe mir schon lange keine neue Bluse mehr für mich gekauft. Das macht mir nichts aus. Bei mir kann ich gut sparen. Aber bei meinen Kindern halte ich das kaum aus. Und wenn sie älter werden, brauchen sie mehr. Ich weiß nicht, wie es weiter geht.“ Da jetzt einfach auf die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Feld zu verweisen und ein fröhliches „Sorget nicht“, zuzurufen, wäre zynisch. Es gibt das richtige Wort zum falschen Zeitpunkt.
Denn so einfach ist das ja nicht mit den Nicht-Sorgen. Immer, wenn ich über diesen Bibeltext gepredigt habe, machte sich ein leichtes Unbehagen breit. „Sonntagsrede“, murrten einige. „Die Sparzwänge der Kirche fordern doch gutes Haushalten“, bemerkte eine Kirchengemeinderätin. Ein Konfirmand meinte, „von der Hand in den Mund zu leben, ist doch nicht nachhaltig“.
So ist das mit Bildern. Manche verselbstständigen sich im Kopf. Andere fördern Missverständnisse. Mir geht es zumindest so. Ich bin kein Vogel am Himmel. Ich bin keine Blume auf dem Feld. Ich bin ein Mensch. Ich denke. Ich plane. Ich frage.
Mit solchen Fragen bin ich aber in guter Gesellschaft. Auch Martin Luther gehörte zu denen, die mit den Vögeln und Lilien ihre Probleme hatten. Viel hat er über diese Worte nachgedacht. In einer Predigt aus dem Jahr 1532 – fast 500 Jahre ist das her – hat er Worte gefunden, die mir beim Verstehen helfen.
Luthers großes Lebensthema war die Rechtfertigung des Sünders vor Gott allein durch Gottes Gnade. Vor Gott zählen weder Arbeit, noch Leistung, sondern allein Vertrauen. Gottvertrauen. Und darum – nur darum – geht es auch bei den Lilien und den Vögeln. Vertraut doch Gott! Er gibt euch, was ihr wirklich braucht. Quasi: Gottvertrauen first! „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“, weiß Salomo in Psalm 127.
Martin Luthers Vater, Hans Luther, war Bergmann im thüringischen Mansfeld. Sein Leben lang hat er mit den Händen gearbeitet. Das hat Martin Luther geprägt. In seiner Predigt über die Vögel im Himmel und die Lilien auf dem Felde ist für Luther klar: Gottvertrauen bedeutet nicht, die Hände in den Schoss zu legen und Gott einen guten Mann sein zu lassen. Für Faule hatte Luther nichts übrig. In seiner Predigt klingt das so: „Gott will auch nicht, dass wir Sorgen und Arbeit sein lassen und wir wie müßige Wänste sind, die sitzen und warten, dass Gott ihnen eine gebratene Gans ins Maul fliegen lässt. Gott will, dass wir redlich anpacken und arbeiten. So will er mit seinem Segen dabei sein und genug geben“.
Drastisch und klar: Nicht dasitzen und warten, sondern anpacken und arbeiten. Wo aber bleibt dann das Gottvertrauen?
Luther wusste von seinem Vater, wie die Arbeit im Bergwerk ist. Die Suche nach den wertvollen Erzen war vor allem eins: Glückssache. Und jetzt bringt Luther das Sorgen mit dem Arbeiten zusammen. In seiner Predigt sagt er: „Schaut, wie es in den Bergwerken zugeht. Da hat man fleißig gegraben und gesucht. Und oft es so, da wo man das meiste Erz erhoffte und meinte auf Gold zu stoßen, da findet man nichts oder es zerrinnt einem in den Händen. Und dann wieder an Stellen, die man für verloren hielt und liegen gelassen hatte, da findet man unversehens aufs Reichlichste. Summa: Es soll heißen, nicht gesucht, sondern beschert. Nicht gefunden sondern zugefallen. Wenn Glück und Segen dabei sind“.
Die Vögel unter dem Himmel und die Blumen auf dem Felde als Sehhilfe. Als Sehhilfe für alles, was Gott uns schenkt. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.
Dir zu vertrauen, o Herr, darum bitte ich Dich. Schenk mir Kraft und Stärke für meine tätige Arbeit. Beschränke meine Sorge auf das Not-Wendige. Mach mir Mut, Gutes zu tun. Dir zu vertrauen, o Herr, darum bitte ich Dich. Amen.
Der Johanniterorden ist der protestantische Zweig der im 11. Jahrhundert in Jerusalem gegründeten und nach dem Ersten Kreuzzug in einen Ritterorden umgewandelte Gemeinschaft der „Johanniter“ oder „Hospitaliter“. Die Mitglieder verpflichten sich, für ihren Glauben einzutreten und sich für Kranke und Hilfsbedürftige einzusetzen.
Der Johanniterorden ist Träger der international arbeitenden Johanniter-Unfall-Hilfe, der Johanniter-Hilfsgemeinschaften, der Johanniter-Schwesternschaft sowie von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die Johanniter-Stiftung unterstützt die ehrenamtliche Arbeit der Johanniter.
Der Johanniterorden und seine deutschen Genossenschaften sind auf der Grundlage des Schutzbriefes des damaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Theophil Wurm, vom 2. Mai 1947 Bestandteil der Evangelischen Kirchen in Deutschland. Eine Voraussetzung für die Aufnahme in den Orden ist die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche. Der Orden ist in landsmannschaftlichen Untergliederungen, die Genossenschaften oder Kommenden heißen, organisiert. Sie sind entweder altrechtliche oder eingetragene Vereine.
Der Johanniterorden wird im Südwesten erstmals im Jahr 1185 erwähnt. Mit der Gründung der Kommende in Schwäbisch Hall im Jahr 1200 war der Johanniterorden auch in Württemberg aktiv. Im Jahr 2020 zählt der Johanniterorden in Baden-Württemberg rund 500 Mitglieder inklusive aller angeschlossenen Subkommenden und Hilfsgemeinschaften.
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