Reutlingen, bekannt als die einzige Reichsstadt, die 1530 die Confessio Augustana unterzeichnete, war Gastgeber des diesjährigen Jahresfests des Gustav-Adolf-Werks (GAW) unter dem Motto „Aus gutem Grund – auf gutem Grund“. Die Vorsitzende des GAW, die Ulmer Prälatin Gabriele Wulz, betonte in ihrer Begrüßung die Bedeutung des Bekenntnisses des Glaubens an Jesus Christus als Fundament evangelischer Christinnen und Christen. „Dieses Bekenntnis ist unser Fundament, unser Grund“, sagte sie.
Dekan Marcus Keinath verdeutlichte am Beispiel der Christuskirche in Betzingen, die zu einem Diakonischen Zentrum umgebaut wird, wie sich Kirche verändern kann. „Diese Kirche wurde 1936 in einer schwierigen Zeit eingeweiht und trägt sehr bewusst den Namen Christus“, erläuterte er. Der erste Bürgermeister, Robert Hahn, würdigte Reutlingen als siebenfachen Gastgeber des GAW-Jahresfests und fragte: „Wie kann man als Kirche wirkmächtig bleiben, wenn man in Konkurrenz mit anderen religiösen Angeboten steht?“ Er betonte die Bedeutung des Rats der Religionen, der bei wichtigen Themen „mit einer Stimme spricht“.
Kann die Kirche auf liebgewordene Traditionen verzichten - und auf welche?
Ein Höhepunkt des Jahresfests war der Hauptvortrag von Pfarrer Dr. Marcus Hütter aus Graz mit dem Thema Auf gutem Grund – aus gutem Grund. Diaspora gestalten. Auch bei uns. Hütter sprach über die aktuellen Herausforderungen der Kirche und warnte davor, sich von Zahlen leiten zu lassen. „Wir dürfen uns nicht von schwindenden Finanzen und Mitgliederzahlen leiten lassen“, mahnte er und fügte hinzu: „Das führt nur zu einem negativen Selbstverständnis, Abschottung und depressiver Stimmung.“ Er forderte, die Identität der Kirche und ihre Bestimmung in der Welt neu zu betrachten. Hütter erklärte weiter, dass der griechische Begriff „Diaspora“ nicht als „Zerstreuung“, sondern als „Einstreuung“ zu verstehen sei. „Diaspora wird ein dynamisches Bild, in dem man die eigene Identität und Bestimmung erkennen kann“, erläuterte er. Er betonte, dass die Kirche ihre Rolle und Aufgaben in der Gesellschaft neu definieren und alte Traditionen hinterfragen müsse. „Alte Pfade sind zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verlassen. Wir müssen uns fragen, welche liebgewordenen Traditionen wir beenden können“, so Hütter.
Es gehe nicht darum, alles beim Alten zu belassen, sondern darum, das Neue mit Zuversicht und Freude zu gestalten. Dabei betonte er, dass es kein Patentrezept gebe, da Kirche und Glaube immer kontextbezogen seien. „Bei der Transformation geht es um eine positive innere Haltung, die von Zuversicht geprägt ist und von der Lust, das Neue zu gestalten, damit wir fröhlich schrumpfen und uns auf unsere wesentlichen Aufgaben besinnen können“, beendete Hütter seinen Vortrag.
Abendsegen in sechs verschiedenen Sprachen
Workshops mit Gästen aus Lettland, Tschechien, Russland und Österreich beleuchteten, wie die Kirche in verschiedenen Kontexten fröhlich und hoffnungsvoll sein kann. Beim Abend der Begegnung wurde das Konzept der Citykirche Reutlingen vorgestellt, die als offener Raum für Frieden und vielfältige Perspektiven dient. „Die Gesellschaft braucht diese Stimme“, fügte Pfarrer Stefan Schwarzer hinzu. In sechs verschiedenen Sprachen wurde der Abendsegen gesprochen, was die internationale Verbundenheit betonte.
Im Festgottesdienst in der Betzinger Christuskirche predigte Prälatin Gabriele Wulz über die Worte der Bergpredigt „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“ und ermutigte die neuen Freiwilligen, das Licht in ihre Einsatzländer zu bringen. Zwanzig junge Menschen wurden in dem gut besuchten Gottesdienst für ihren Dienst in sechs Ländern eingesegnet. Die musikalische Gestaltung übernahm die Kantorei unter der Leitung von Michaela Frind.
Das Jahresfest des GAW in Reutlingen bot eine Plattform für den Austausch über die zukünftige Ausrichtung der Kirche und feierte gleichzeitig die internationale Verbundenheit und Vielfalt evangelischer Christinnen und Christen.
Magdalena Smetana
Über das Gustav-Adolf-Werk
Das Gustav-Adolf-Werk (GAW) ist ein Spendenwerk, das partnerschaftliche Hilfe aus christlichem Glauben heraus organisiert, evangelische Minderheiten in der Welt stärkt und mit ihnen Partnerschaften unterhält. So engagiert es sich nicht nur tatkräftig in der Diaspora, sondern nimmt die Brückenfunktion in den Gemeinden durch Veranstaltungen, Gottesdienste und auch Begegnungen mit den Partnern aus der Diaspora hier vor Ort in Deutschland wahr.
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