15.05.2024

20jährige Kirchenpartnerschaft

Delegation reist zum 20jährigen Jubiläum nach Georgien

Seit 20 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen der württembergischen Landeskirche und der evangelisch-lutherischen Kirche in Georgien. Aus diesem Anlass besuchte im April eine kleine württembergische Delegation die georgische Partnerkirche: Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel (Leiter des theologischen Dezernats), Kirchenrätin Dr. Susanne Schenk (Theologische Referentin des Landesbischofs der württ. Landeskirche) sowie Marc Frédéric Muller (Inspecteur der Église Protestante Unie de France, Région Est–Montbéliard, ebenfalls eine Partnerkirche Württembergs). Im Folgenden finden Sie einen Bericht über diese Reise von Prof. Dr. Ulrich Heckel.

Sitzung der Synode in der Versöhnungskirche in Tbilisi (Tiflis) mit Vertreterinnen und Vertretern der fünf Gemeinden der ELKG in Georgien sowie der Gemeinde in Baku (Aserbaidschan). Nicht vertreten waren die Gemeinde in Abchasien und die Gemeindegruppe in Jerewan (Armenien). Insgesamt hat die ELKG rund 800 Mitglieder.

20 Jahre Kirchenpartnerschaft Georgien – Württemberg

Vor 200 Jahren sind viele schwäbische Pietisten nach Georgien ausgewandert. Nach der Wende hat Landesbischof Dr. Gerhard Maier 2004 die Urkunde für die Partnerschaft zwischen der evangelisch-lutherischen Kirche in Georgien und der württembergischen Landeskirche unterzeichnet „zur Vertiefung der persönlichen und gemeindlichen Verbundenheit in Wort und Tat“.

Bischof Rolf Bareis in der Versöhnungskirche in Tiflis

Zum 20-jährigen Jubiläum haben Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel und Kirchenrätin Dr. Susanne Schenk zusammen mit dem neuen Inspecteur Marc Frédéric Muller der württembergischen Partnerkirche aus Montbéliard (Région Est–Montbéliard der Église Protestante Unie de France) die Synode der georgischen Partnerkirche in Tiflis besucht. Im Zentrum standen Berichte von Bischof Rolf Bareis, einem württembergischen Pfarrer, und aus den Gemeinden sowie der Haushaltsplan und Fragen der Kirchenmitgliedschaft. Als äußeres Zeichen partnerschaftlicher Verbundenheit hat die Delegation eine württembergische Kirchenfahne und eine Spende für die Türen am Toraschrein in der Peace-Cathedral überreicht, mit der die Gemeinde in Tiflis eng zusammenarbeitet. Der Toraschrein dient zur Aufbewahrung der Tora (das Alten Testament der christlichen Bibel) für die Schriftlesung im Gottesdienst der Synagoge. Die Jubiläumssynode schloss mit einem Gartenfest.

Zur Synode frisch aufgehängte Kirchenfahne am Turm der Versöhnungskirche in Tbilisi – unser Gastgeschenk.
Ulrich Heckel (ganz links) überreicht gemeinsam mit Rolf Bareis ( 2.v.l.) den Beitrag der beiden Kirchen zum Toraschrein der Synagoge an der Peace Cathedral in Tbilisi – die Spende war die gemeinsame Aktion zum Partnerschaftsjubiläum Von rechts: Susanne Schenk und Metropolitan Bischof Prof. Dr. Malkhaz Songulashvili (Evangelical Baptist Church of Georgia)
Gemeinsames Mittagessen der Synodalen im Garten der Versöhnungskirche zur Feier des Partnerschaftsjubiläums
Besprechung zur Übersetzung der Erklärungsbibel 2023 ins Georgische. Von links nach rechts: Ulrich Heckel, Rolf Bareis, Bishop Ilia Osepashvili (Ev. Baptist Church of Georgia), Metropolitan Bishop Prof. Dr. Malkhaz Songulashvili (Evangelical Baptist Church of Georgia, Ilia State University, Georgische Bibelgesellschaft), Abtandil Guruli (Georgische Bibelgesellschaft), Stud. Theol. Mate Saralishvili (Ev. Baptist Church of Georgia), Susanne Schenk. Im Vordergrund die Skizze des Memorandum of Agreement über den Start des Projekts, das später von allen unterzeichnet wurde. Osepashvili und Saralishvili werden die ersten Texte übersetzen. Kooperationspartner sind: die Georgische Bibelgesellschaft, die Ilia State University, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus und die Evangelical Baptist Church of Georgia.

Vereinbarung zur Übersetzung der Stuttgarter Erklärungsbibel ins Georgische

Auf Initiative von Bischof Rolf Bareis soll die Neubearbeitung der Stuttgarter Erklärungsbibel von 2023 rasch in die georgische Sprache übersetzt werden. Der Vorsitzende der Georgischen Bibelgesellschaft Bischof Malkhaz (Mitte, mit langem Bart) erklärte sein großes Interesse an dieser Neubearbeitung für die Ökumene in Georgien. Am Ende verständigten sich beide mit Ulrich Heckel über Eckpunkte des Übersetzungsprojekts und die ersten Schritte bis zum Vertragsabschluss mit der Deutschen Bibelgesellschaft. Die Übersetzung ins Georgische ist als Pilotprojekt geplant, dem dann zeitnah eine Übersetzung ins Russische folgen soll.

V.l.n.r.: Marc Frédéric Muller, Susanne Schenk, Dr. Asgot Smbatyan (armenischer Botschafter in Ungarn und Georgien), Rolf Bareis, Ulrich Heckel nach der Gedenkfeier.

Gedenkfeier für die Opfer des Völkermords an den Armeniern

Auf Einladung des armenischen Botschafters Dr.  Ashot Smbatyan nahm die Delegation an der Gedenkfeier für die Opfer des Völkermords an den Armeniern im Jahr 1915 teil. Leitgedanke war die Mahnung zur Versöhnung zwischen den Völkern, zur Achtung der Menschenwürde und der Religionsfreiheit. Der Botschafter bekräftigte seine Dankbarkeit für dieses deutliche Zeichen der Solidarität mit den Armeniern.

Prof. Dr. Ulrich Heckel

Vortrag an der staatlichen Ilia Universität

Als Auftakt einer internationalen Vortragsreihe sprach Prof. Dr. Ulrich Heckel vor Dozenten und Studierenden der staatlichen Ilia Universität über die Taufe im Neuen Testament. Der Vortrag zeigte die biblischen Grundlagen auf, die alle Kirchen verbindet, doch wurden in der lebhaften Diskussion auch Unterschiede deutlich, die zwischen den Konfessionen heute bestehen.

In den Gottesdiensten der ELKG wird aus dem Russisch-Deutschen und aus dem Georgisch-Deutschen Gesangbuch gesungen – die erste Strophe immer auf Deutsch, obwohl viele kein Deutsch verstehen. Aber die Erinnerung an die deutschen Wurzeln der Kirche ist den meisten wichtig.

Gemeindebesuch in Rustavi am Sonntag Kantate

Den Sonntag Kantate feierte die Delegation mit der Gemeinde in der Friedenskirche in Rustavi. Ulrich Heckel predigte über den Christushymnus im Kolosserbrief. Das Liedersingen verbindet die ersten Christen mit den heutigen Gemeinden. Mit dem Liederdichten trug Martin Luther zur praktischen Umsetzung der Reformation in den Gemeinden bei. Vor 500 Jahren wurde 1524 das erste evangelische Gesangbuch mit acht Liedern gedruckt, das sog. Achtliederbuch. Heute sind die Partnerkirchen durch den gemeinsamen Liederschatz verbunden, aus dem mehrsprachig gesungen wird. Anschließend wurde im Kirchgarten gefeiert.

Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel

Mittagessen nach dem Gottesdienst im Garten der Gemeinde von Rustavi. Im Vordergrund die Vorsitzende der Gemeinde, Gayane Melkonyan.

Hintergrund zum Partnerschaftsjubiläum ELKG - ELKW

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus (ELKG) geht im Wesentlichen auf schwäbische Einwanderer zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück, nach der Sowjetzeit wurde sie wieder gegründet; auch wenn es kaum biographische Kontinuitäten gibt, gilt die ELKG in Tbilisi vielen doch als „deutsche“ Kirche. 2004 wurde der Partnerschaftsvertrag zwischen der Ev. Landeskirche in Württemberg und der ELKG unterzeichnet. Zum 20jährigen Jubiläum haben dieses Jahr beide miteinander die bzw. einen Großteil der Finanzierung der Toraschreintüren in der Synagoge an der Peace Cathedral übernommen. Mit dieser „Partnerschaftsaktion“ wollen sie ein Zeichen dafür setzen, dass zu ihrer Partnerschaft der gemeinsame Einsatz für Versöhnung und ein friedliches gesellschaftliches Miteinander gehört.

Peace-Cathedral in Tbilisi

Die Peace-Cathedral ist die Hauptkirche der Evangelical Baptist Church in Georgia (peacecathedraltbilisi.org), einer „Minderheitskirche“ (ca. 80% der georgischen Bevölkerung gehören zur Georgisch-Orthodoxen Kirche). Zuständiger Bischof ist Dr. Malkhaz Songulashvili, der auch Professor an der staatlichen Universität ist und einen Forschungsschwerpunkt in jüdischer und muslimischer Theologie hat (mehr Informationen). Die Gemeinde der Peace-Cathedral ist eine wichtige Partnerin für die ELKG in ihrem Einsatz für ein offenes Miteinander der Menschen, Konfessionen und Religionen in der georgischen Hauptstadt.

Synagoge an der Peace-Cathedral

Laut Songulashvili gab es in Georgien früher „keinen“ Antisemitismus. Mit dem seit den 1990er Jahren wachsenden georgischen Nationalismus, der sich stark mit der orthodoxen Kirche verbindet, wachsen nun in Georgien Antisemitismus und auch Feindseligkeit gegenüber Muslimen. Angesichts dessen haben Songulashvili und die baptistische Kirche es unternommen, als Zeichen und Praxisort des friedlichen interreligiösen Miteinanders an die Peace-Cathedral auf der einen Seite einen Synagogenraum, auf der anderen Seite einen islamischen Gebetsraum anzubauen – beides jeweils mit Beratung durch Gelehrte der jeweiligen Religion. Beide Räume sind gut angenommen worden. Ein großer Begegnungsraum ist noch im Bau. Im Kirchenschiff (eine ehemalige Lagerhalle der Sowjetzeit) finden regelmäßig gemeinsame Friedensgebete statt. 2023 hat Songulashvili für dieses Friedensprojekt den erstmalig verliehenen Friedenspreis des House of One (Berlin) erhalten (house-of-one.org).

Die Peace Cathedral selbst hat nicht die Mittel, das Projekt zu finanzieren, sie ist dafür auf Spenden angewiesen. Mit einer besonderen Regel wird die Spendenpraxis in den Versöhnungsprozess einbezogen: Wer spenden will, kann dies nicht für den Gottesdienstraum der eigenen Religion tun; Muslime können nur für die Synagoge spenden, jüdische Menschen nur für den Moscheeraum. Und das gelingt, wie nicht zuletzt die – internationalen – Spenderlisten zeigen, die jeweils am Eingang hängen. Muslimische Gläubige beten in einem Raum, den Jüdinnen und Christen für sie bauen; Jüdinnen und Juden feiern in einer Synagoge, für die Christinnen und Muslime spenden.

Für die ELKW und die ELKG steht der Beitrag zum Aufbau eines Synagogenraums in Osteuropa über den aktuellen georgischen Kontext hinaus im Zusammenhang der Versöhnungsverantwortung gegenüber dem Judentum, die sie als – im engeren und im weiteren Sinn – deutsche Kirchen bleibend haben.

Hinweis für Kirchengemeinden

Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontaktdontospamme@gowaway.elk-wue.de nachzufragen, ob die Nutzungsrechte für den jeweiligen Zweck vorliegen. Gerne können Sie alle Bilder nutzen, die Sie im Pressebereich unserer Webseite finden.

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