05.11.2024

Höchster Respekt vor der Kirchengemeinde Langenau

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl.

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl predigt in bedrängter Kirchengemeinde 

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hat bei seiner Predigt in der Martinskirche in Langenau am 3. November davor gewarnt, dass sich zunehmend Antisemitismus hinter Israelkritik verstecke. Israelbezogener Antisemitismus habe seit dem 7. Oktober 2023 (dem Tag des Überfalls der Hamas auf Israel) stark zugenommen. 

Gohl betonte, Antisemitismus sei mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar, und begründete seine Haltung mit dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom: „Viele Christinnen und Christen in Rom hatten einen jüdischen Hintergrund. Sie fragen sich, was mit der Verheißung an Israel geschieht, wenn Gott in Christus allen Menschen neues Heil schenkt. Nirgendwo sonst im Neuen Testament wird die Verbundenheit mit dem Volk Israel so sichtbar wie hier. Paulus schreibt: „Die Israeliten sind Kinder Gottes“ (Röm 9,4), „Sie haben Anteil an Gottes Herrlichkeit“ (ebd.) und „Ganz Israel wird gerettet werden“ (Röm 11,28).“  

Hintergrund von Landesbischof Gohls Besuch in Langenau sind die massiven Anfeindungen, unter denen die Gemeinde der Martinskirche mit ihrem Pfarrer Ralf Sedlak und seiner Familie seit über einem Jahr leiden. Seit Sedlak damals im Gottesdienst den Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 erwähnte, ist er bis heute verbalen Angriffen und Drohungen ausgesetzt. Konkrete Aktionen richteten sich immer wieder auch gegen Gottesdienstbesucherinnen und -besucher sowie das Pfarr- und Wohnhaus von Pfarrer Sedlak und seiner Familie. Gohl äußerte „höchsten Respekt“, dass die Gemeinde trotz dieser Umstände ihren Glauben lebe und sonntags zur Kirche gehe.  

Dr. Torsten Krannich, Dekan in Ulm, betont, die Langenauer Kirchengemeinde „erhebe ihre Stimme für die Opfer des Nahostkonflikts, egal welcher Herkunft oder Nationalität oder welchen Glaubens.“ Dafür stehe die Langenauer Kirchengemeinde mit ihrem Pfarrer ein, in dem sie etwa für die von der Hamas verschleppten und teilweise ermordeten Geiseln wie für die zivilen Opfer des Kriegs im Gazastreifen und im Libanon bete. 

Mit großer Erschütterung nehme er wahr, dass die propalästinensischen Demonstranten in Langenau teilweise ihre eigenen minderjährigen Kinder instrumentalisieren und so auch radikalisieren, wenn sie etwa öffentlich auf Plakaten mit Bildern von Benjamin Nethanjahu und der Flagge Israels herumtreten. Hier erfolge „eine Enthumanisierung von Menschen wie Delegitimierung eines Staates, die in keiner Weise unserer demokratischen Grundordnung und unseren Werten entspricht und auch nicht mehr von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt wird. Die Aufgabe von Eltern wie von der ganzen Gesellschaft ist es, Kinder zur Achtung anderer Menschen zu erziehen und nicht zum Hass.“    

Auch Pfarrer Ralf Sedlak betont, die Solidarität der Gemeinde gelte allen Opfern: „In den Gottesdiensten in unserer Kirchengemeinde haben wir im zurückliegenden Jahr in den Fürbitten um Frieden sowohl für die Menschen in Gaza, im Westjordanland und im Libanon gebetet, als auch für die Menschen in Israel, ebenso wie für Menschen, die in der Ukraine, im Sudan oder andernorts unter Gewalt leiden. Es als einseitige Parteinahme für Israel zu bezeichnen, dass ich wenige Tage nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 die Erschütterung über die Opfer in einer Predigt zu Sprache gebracht habe, finde ich makaber und völlig unangemessen. Deshalb habe ich der Störung des Gottesdienstes damals deutlich widersprochen.“ 

Sedlak berichtet, er erlebe, dass „wir als Kirchengemeinde mit dem Impuls, den Dialog zu suchen und auch anderen Positionen Raum zu geben, an Grenzen stoßen, wo wir auf extremistische Haltungen treffen, die uns ihre Position aufnötigen wollen. Wir haben auf die Anfeindungen nicht mit Aktionen wie Demonstrationen, Bannern oder ähnlichem reagiert. Wir versuchen stattdessen, unser übliches Gemeindeleben aufrechtzuerhalten. Damit signalisieren wir: Wir lassen uns nicht in eine Aktions-Reaktions-Spirale hineinziehen. Aber wir ducken uns auch nicht weg. Wo die Grenzen, die das Recht zum Schutz aller setzt, deutlich überschritten werden, ist der Rechtsstaat gefordert, einzugreifen.“ 

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