Philipp Geißler, Sportpfarrer der württembergischen Landeskirche und Geschäftsführer des Landesarbeitskreis Kirche und Sport, hat eine Idee: Ein Sportcamp möchte er veranstalten für Kinder mit Amputationen oder Fehlbildungen (Dysmelie) an Arm oder Bein. Das sportpädagogische Programm soll Kinder ihre Fähigkeiten erleben lassen und soll Eltern ermöglichen, daran teilzuhaben, sich zu informieren und zu vernetzen. „Angebote dieser Art gibt es kaum; aber der Bedarf ist enorm, wie ich kürzlich erlebt habe“, so Philipp Geißler. Hier erklärt Geißler, was hinter der Idee steckt.
Was ist Dysmelie? Wie viele Kinder und Jugendliche sind davon betroffen?
Philipp Geißler: Dysmelie bezeichnet die angeborene Fehlbildung von Gliedmaßen. Es handelt sich hierbei um ein sehr seltenes Krankheitsbild, zu dem es nur wenig genaue Daten gibt. Eine räumlich begrenzte Erhebung geht, dem Ärzteblatt zufolge, davon aus, dass von 25.000 Neugeborenen etwa drei bis fünf eine Fehlbildung an den Extremitäten aufweisen. Diese Zahlen lassen bereits erahnen, wie selten speziell auf diese Kinder zugeschnittene Angebote sind.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, gerade für diese Menschen ein Angebot anzuschieben?
Philipp Geißler: Im Rahmen meiner Arbeit für „Kirche und Sport“ wurde ich von Stefanie Wild und Diana Schütz von der Sportorganisation „Anpfiff ins Leben e.V.“ (gegründet durch den baden-württembergischen Sportmäzen Dietmar Hopp) eingeladen, als Seelsorger beim Ostercamp für Familien von Kindern mit Dysmelie oder nach Amputation dabei zu sein. Ich musste auch zuerst einmal nachfragen, was Dysmelie ist. Aber dann habe ich sofort zugesagt. Kindern mit dieser besonderen Einschränkung zu helfen, ihre sportlichen Fähigkeiten zu entdecken – und das an Ostern! Das war für mich sofort ein Sinnbild für Auferstehung mitten im Leben. Weil es so wenig Angebote dieser Art gibt, sind die Familien aus ganz Deutschland angereist. Das Miteinander war wunderbar. Und am Ende habe ich mindestens so viel mitgenommen wie die Kinder. Leider konnten längst nicht alle Familien einen Platz auf der Freizeit erhalten. Am Ende sagte Diana: „Solche Camps sollte es mehr geben.“ Da wusste ich: Wir müssen über „Kirche und Sport“ auch bei uns ein solches Camp anbieten.
Was kann ein explizit kirchliches Sportcamp diesen Kindern und Jugendlichen geben, was sie nicht auch an anderer Stelle bekommen oder erleben könnten?
Philipp Geißler: Ich war begeistert von der Deutlichkeit, mit der „Anpfiff ins Leben“ mich in meiner Funktion als Seelsorger für dieses Camp angefragt hat. Und die Begegnung mit den Kindern und ihren Familien hat mir gezeigt, dass diese Begleitung gerne angenommen wird. Gleichzeitig sind wir als „Kirche und Sport“ nie nur kirchlich, sondern immer in Kooperation mit dem organisierten Sport aktiv – und gemeinsam haben wir viel zu bieten: Neben dem seelsorglichen Ansatz soll es darum gehen, Familien mit ähnlichem Hintergrund zu vernetzen und den Kindern über den Sport ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten aufzuzeigen. Die Familie eines Kindes mit fehlenden Fingern hat auf dem Ostercamp z. B. das Bogenschießen für sich entdeckt. Ein anderes Kind, das immer Angst vor einer Prothese hatte, hat angefangen, sich für den künstlichen Unterarm einer Mitarbeiterin zu interessieren. Manchmal geht es einfach auch darum, Eltern auf diakonische Angebote oder Inklusionsleistungen des organisierten Sports aufmerksam zu machen.
Warum ist es wichtig, dass Kirche sich für diese und ähnliche Gruppen im Sportbereich engagiert?
Philipp Geißler: „Wir haben das Wohlergehen des ganzen Menschen im Blick, ohne diesen auf seine körperliche, geistige oder geistliche Leistungsfähigkeit zu beschränken.“ So lautet eine der 13 Thesen, die die Bischöfe der vier großen Kirchen in Baden und Württemberg und das Präsidium des Landessportverbands Baden-Württemberg im Jahr 2019 gemeinsam unterzeichnet haben. Sie sind die Agenda von Kirche und Sport. Mehr als ein Drittel dieser Thesen orientiert sich am Grundsatz des Alten Testaments, Menschen mit besonderen Bedürfnissen Teilhabe zu ermöglichen. Der Sport ist ein geniales Medium dazu. Er lässt Menschen ihre Fähigkeiten erfahren und bringt sie gleichzeitig in Gemeinschaft miteinander. So können im sportlichen Miteinander grundlegende Werte wie: Fairness, Respekt, Verhältnismäßigkeit und Demut – im wahrsten Sinn des Wortes – „spielerisch“ bedacht und eingeübt werden. Das ist eine ungeheure Chance.
Werden Sie bei der Verwirklichung ihrer Idee mit anderen Institutionen zusammenarbeiten?
Philipp Geißler: Weil der „Landesarbeitskreis Kirche und Sport“ ein Zusammenschluss der Evangelischen Landeskirche, der Diözese Rottenburg-Stuttgart, dem Württembergischen Landessportbund und Menschen aus Kultur und Öffentlichkeit ist, sind wir von vornherein miteinander unterwegs. Im von uns geplanten Sportcamp sind konkret involviert:
Stark wäre, wenn es uns gelänge, eine Teilnehmerin der Paralympics am Camp zu beteiligen. Und ganz besonders hat mich gefreut, dass sich Diana Schütz von „Anpfiff ins Leben“ den Termin bereits vorgemerkt hat. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit!
Wie sieht Ihr Zeitplan aus?
Philipp Geißler: Das Camp soll im Herbst kommenden Jahres stattfinden. Das Kernteam hat sich bereits getroffen und den ersten Entwurf für das Programm skizziert. Den Sommer möchten wir nutzen, um Drittmittel einzuwerben. Das Camp soll für die Familien möglichst günstig angeboten werden. Die Chance, als „Spendenprojekt des Monats“ hier auf der Seite der Landeskirche vorgestellt zu werden, hilft uns dabei natürlich enorm. Für die Unterkunft, die Verpflegung, die Bereitstellung der sportlichen und inhaltlichen Angebote und den Transfer brauchen wir schätzungsweise 4.000 Euro, die wir zur Hälfte aus Spenden bestreiten möchten. Ab dem späten Herbst soll das Programm feststehen, damit wir das Camp zum Jahresende hin ausschreiben können.
Interview: Mario Steinheil
Kontoinhaber: Ev. Landeskirche in Württemberg
IBAN: DE48520604100000161616
BIC: GENODEF1EK1
Evangelische Bank eG
Stichwort: Sportcamp
Philipp Geißler
Sportbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
philipp.geissler
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Über die Arbeit von Pfarrer Philipp Geißler, dem Sportbeauftragten der württembergischen Landeskirche
Ideen wie die dieses Sportcamps zu entwickeln, ist Teil seiner Arbeit (www.kirche-und-sport.info), in der er als Seelsorger, Netzwerker und Organisator gefragt ist. Neben Gottesdiensten bei Sportveranstaltungen und den Anliegen von Sportlerinnen und Sportlern bewegen Philipp Geißler im Kontakt mit dem organisierten Sport die Themen Inklusion und Integration, Teilhabe und Nachhaltigkeit: „Immer sollen dabei Perspektiven für ein Miteinander von Sport und Kirche eröffnet und die Menschen an Körper, Geist und Seele gestärkt werden.“ Sportgottesdienste, Seelsorge, Sportprogramme, fachliche Begleitung, Pflege der Beziehungen zwischen Kirche und Sport – das sind wichtige Felder kirchlichen Wirkens. Sie liegen ein bisschen abseits herkömmlicher Aufmerksamkeit, aber sind die Unterstützung per Spende wert. Und die braucht es, denn zum Beispiel das Sportcamp geht über das reguläre Budget hinaus.