Die Sprachförderung nach dem Denkendorfer Modell wird 50 Jahre alt. Aus der Fortbildungsstätte der Evangelischen Landeskirche im Kloster Denkendorf kam Anfang der 70er Jahre der Anstoß zur Einrichtung einer Sprachförderung für die Kinder aus Einwandererfamilien in der Gemeinde, um ihnen sprachlich den Anschluss in ihren Kindergartengruppen und Schulklassen zu erleichtern. Im Jahr 1973 wurden die ersten Kinder in kleinen Gruppen gefördert. Das Pädagogisch-theologische Zentrum (ptz) als Träger feiert das Jubiläum am 22. und 23. September mit einer Tagung in der Evangelischen Akademie Bad Boll.
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl würdigt den Einsatz aller, die sich in der Sprachförderung engagieren: „Die Sprachförderung nach dem Denkendorfer Modell hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten für Kinder einen bemerkenswerten Beitrag zur Bildung, Integration und Teilhabe geleistet. Die Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren und sich auszudrücken, ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis und ein Geschenk Gottes. Die Sprachförderung ist Ausdruck christlicher Nächstenliebe, und es ist ein Erfolg, dass aus der Fortbildungsarbeit aus dem Kloster Denkendorf heraus seit 50 Jahren so viele Kinder durch die individuelle Sprachförderung Selbstwirksamkeit und gegenseitiges Verständnis erfahren haben. Ich danke allen, die sich für die Förderung der Sprache und Kommunikation in unserer Gemeinschaft einsetzen und wünsche ihnen weiterhin viel Erfolg und Gottes Segen für ihre Arbeit.“
Eva Fieweger arbeitet als Dozentin für Sprachförderung bei der Evangelischen Landeskirche in Württemberg im Pädagogisch-theologischen Zentrum (ptz). Im Interview erklärt sie, was es mit dem Denkendorfer Modell auf sich hat.
Frau Fieweger, was kann man sich unter Sprachförderung nach dem Denkendorfer Modell vorstellen? An wen richtet sie sich?
Eva Fieweger: Das Denkendorfer Modell ist ein Konzept zur ganzheitlichen Sprachförderung von Kindern aus Zuwanderer- und Flüchtlingsfamilien und deutschen Kindern mit erhöhtem Förderbedarf. Die Sprachförderung baut auf der allgemeinen sprachlichen Bildung in Kita und Schule auf und unterstützt und ergänzt diese durch gezielte Angebote. Alle vorhandenen Ressourcen sollen genutzt werden, um jedem Kind eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft und den Bildungsangeboten zu ermöglichen.
Was zeichnet das Modell aus?
Fieweger: Das Denkendorfer Modell gehört zu den Pionierprojekten im Bereich der Sprachförderung und bietet ein pädagogisches Konzept zur ganzheitlichen und individuellen Sprachförderung in Kindergarten und Schule. Die Sprachförderkräfte werden durch Mentorinnen und Mentoren in ihre Tätigkeit eingeführt und pädagogisch begleitet. Durch das Engagement der Landeskirche in der Sprachförderung kommen der gesellschaftsdiakonische Auftrag der Kirche, die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe und das Engagement für Bildungsgerechtigkeit zum Tragen. Die Aufgaben der Sprachförderung können Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte und andere Personen übernehmen, die pädagogisch erfahren sind, gerne mit Kindern arbeiten und bereit sind, an entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Sprachförderkraft sollte eine offene und wertschätzende Haltung im Umgang mit Mehrsprachigkeit und kultureller Vielfalt haben und ein gutes Vorbild in der deutschen Sprache sein.
Wie viele Kinder nehmen jährlich Teil?
Fieweger: In den letzten fünf Jahren waren es im Durchschnitt 8.000 Kinder, die von ca. 800 Sprachförderkräften an Kitas und Schulen überwiegend in Württemberg unterstützt wurden.
Der Bedarf an sprachlicher Förderung ist also auch nach 50 Jahren weiterhin gegeben?
Fieweger: Ja, der Bedarf ist in all diesen Jahren nicht weniger geworden. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Wir haben ein verändertes Kommunikationsverhalten in vielen Familien. Durch vielfältige, unterschiedliche Verpflichtungen und Aktivitäten der einzelnen Familienmitglieder und steigendem Medienkonsum gibt es weniger gemeinsame Zeit, die für bewusste Kommunikation und gemeinsame Gespräche genutzt wird. Flucht- und Migrationserfahrungen und auch die Nachwirkungen der Pandemie führen dazu, dass sehr viele Kinder – auch mit deutscher Herkunftssprache – einen besonderen Förderbedarf beim Erwerb und Aufbau der deutschen Sprache haben. Zudem sind pädagogische Fachkräfte, Lehrerinnen und Lehrer zunehmend mit wachsenden Anforderungen konfrontiert: die Umsetzung des Orientierungsplans und der Bildungspläne sowie die große Heterogenität der Kinder in Bezug auf Bildung, Sprache, Entwicklung und Kultur. Gleichzeitig gibt es Fachkräftemangel. Externe Sprachförderkräfte leisten hier einen wertvollen Beitrag zur Unterstützung und Entlastung.
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