Zum 1. Januar tritt in der württembergischen Landeskirche ein umfangreiches Klimaschutzgesetz in Kraft, mit dem sich die Landeskirche verpflichtet, bis 2040 Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Ein ambitioniertes Ziel angesichts tausender kirchlicher Gebäude aus mehreren Jahrhunderten. Aber gerade deren oft sehr große Dächer haben das Potenzial, ein Teil der Lösung zu sein - zumal Denkmalschutz kein Ausschlusskriterium mehr ist. Siglinde Hinderer, Leiterin des landeskirchlichen Umweltreferats, erklärt in diesem Interview, was es mit Photovoltaik auf kirchlichen Gebäuden auf sich hat.
Photovoltaik auf kirchlichen Gebäuden ist in der Vergangenheit oft am Denkmalschutz gescheitert. Nun hat 2022 die Landesregierung die Hürden reduziert. Können Kirchengemeinden jetzt loslegen und ihre Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäuser mit Solarzellen ausstatten – oder stehen noch juristische Regelungen aus?
Siglinde Hinderer: In der Tat haben Auflagen des Denkmalschutzes in der Vergangenheit verhindert, dass auf denkmalgeschützten Gebäuden Photovoltaik installiert werden konnte. Doch die denkmalgeschützten Gebäude sind nur ein Teil unserer Gebäude - man denke an die Kindergärten, Pfarrhäuser, Gemeindehäuser, Mietwohnungen und neueren Kirchengebäude. Dort ist und war Denkmalschutz in der Regel kein Hinderungsgrund.
Für die denkmalgeschützten Gebäude gab es im Mai 2022 vom Landesministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg eine Novellierung der Leitlinien für Solaranlagen auf Denkmalen, um die Installation auf denkmalgeschützten Gebäuden zu erleichtern. Dabei wurden die Vorgaben für die Genehmigungsbehörden verändert, so dass denkmalfachliche Belange zurückgestellt werden und Genehmigungen unter bestimmten Bedingungen inzwischen eher möglich sind. Zudem wurde das Verfahren beschleunigt.
Die Leitlinien stellen klar: Die Genehmigung ist „regelmäßig zu erteilen“, wenn sich die Solaranlagen der eingedeckten Dachfläche unterordnen und möglichst flächenhaft angebracht werden. Nur bei einer „erheblichen Beeinträchtigung“ des Kulturdenkmals kann anders entschieden werden. Einfach formuliert: PV-Anlagen sollen auf denkmalgeschützten Gebäuden rechteckig sein, ausreichenden Dachabstand haben, die Module sollen mattschwarz und rahmenlos sein bzw. einen Rahmen in Modulfarbe haben.
Trotzdem ist es nicht überall einfacher geworden. Viele Gebäude, die mehrere hundert Jahre alt sind oder direkt nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut oder instandgesetzt worden sind, erfüllen zum Beispiel die Anforderungen an die Statik nicht. Denn wenn auf ein großes, steiles Kirchendach eine zusätzliche einseitige Dachlast von mehreren Tonnen montiert wird, ist nicht die Farbe der Solarmodule entscheidend, sondern ob die Statik dieser Anforderung Stand hält.
Ist Photovoltaik auch bei Pfarrhäusern in Landesbesitz möglich?
Siglinde Hinderer: Theoretisch ist auf jedem Gebäude eine PV-Anlage möglich. Es ist Sache des Eigentümers, dies zu entscheiden. In diesem Fall wäre das Vermögen und Bau Baden-Württemberg, mit der die Kolleginnen und Kollegen im Gespräch sind. Da die Landesverwaltung selbst ehrgeizige Klimaziele hat und Netto-Treibhausneutralität bei ihren Gebäuden bis 2030 erreichen will, hoffen wir hier, dass das Thema Photovoltaik in der nächsten Zeit deutlich Fahrt aufnimmt.
Müssen Kirchengemeinden grundsätzlich die Anlagen selbst finanzieren und betreiben, oder kommt auch die Verpachtung der Dachflächen an PV-Betreiber in Frage?
Siglinde Hinderer: Denkbar sind alle drei Möglichkeiten: die PV-Anlage selbst zu installieren und zu betreiben, die Anlage zu installieren und anschließend zu verpachten, oder gleich das Dach an jemanden zu verpachten.
Wir empfehlen, dass die Kirchengemeinden PV-Anlagen und ggf. auch Stromspeicher selbst anschaffen und diese aus den laufenden Zuweisungen des Kirchensteueraufkommens der Kirchengemeinden, dem Zuschuss des Kirchenbezirks und Anteilen des Ausgleichstocks finanzieren.
Bei Modellen mit unterschiedlichen Besitzern und Betreibern sind vor allem Rechtsfragen zu klären: Wer ist für die Wartung zuständig, wer kommt für die Kosten auf, wenn das Dach vorab oder während der Betriebsdauer ertüchtigt werden muss, und wer trägt die Kosten für den Rückbau der Anlage nach Beendigung des Betriebs? Theoretisch kann die PV-Anlage auch vorübergehend an Dritte verpachtet werden, die dann vom günstigeren, eigenverbrauchten Strom profitieren. Als Betreiber trägt der Pächter dann aber auch das Risiko von Reparaturen und schwankenden Stromerträgen je nach Sonnenscheindauer.
Ökonomisch ist das nicht unbedingt attraktiv, denn beim Verpachten der Dächer werden inzwischen nur noch sehr geringe Dachpachten erzielt. Und eine Förderung durch den Ausgleichstock entfällt in diesem Fall.
Kirchengemeinden haben eher abends einen hohen Verbrauch, wenn die Sonne nicht mehr scheint – können sich große Anlagen dann über die Einspeisevergütung rentieren?
Siglinde Hinderer: Mit dem Kirchengesetz zum Klimaschutz hat sich die Landeskirche verpflichtet, aus der Nutzung fossiler Energieträger auszusteigen und bis zum Jahr 2040 Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Der Ausbau der gebäudenahen Solarstromgewinnung trägt zur Erfüllung dieser Forderungen bei und hilft, den CO2-Ausstoß zu senken, unabhängig davon, ob der Strom selbst verbraucht oder ins Stromnetz eingespeist wird. Daher sehen wir die Installation auch nicht „nur“ unter der Voraussetzung, dass sich eine Anlage nach möglichst kurzer Zeit rentiert.
Die kürzesten Amortisationszeiten erreicht man dort, wo möglichst viel Strom selbst verbraucht wird. Für die Mehrzahl unserer Gebäude liegt der Eigenverbrauch aber deutlich unter 20% der mit neu installierten, technisch leistungsfähigen PV-Anlagen erzeugbaren Strommenge. Auch die Installation eines Batteriespeichers steigert den Eigenverbrauch nicht erheblich. Werte über 50% Eigenverbrauch messen wir in Kindergärten, Schulen und unseren Verwaltungsgebäuden, also überall dort, wo tagsüber Strom verbraucht wird. Dort kann die Überschusseinspeisung Sinn machen. In den meisten anderen Gebäuden ist Volleinspeisung die wirtschaftlich bessere Variante.
Ein wesentlicher Faktor ist der richtige Zeitpunkt der Installation. Wenn keine extra Gerüstkosten anfallen, weil das Dach sowieso saniert wird und damit auch die Lebensdauer der Dacheindeckung gewährleistet ist, hat dies finanzielle Vorteile. Was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass vor der Gebäudesanierung die Möglichkeit, eine PV-Anlage zu installieren, mit überprüft werden sollte – falls diese nicht sowieso verpflichtend ist.
Bezuschusst die Evangelische Landeskirche Württemberg die Investition in neue PV-Anlagen bzw. Batteriespeicher?
Siglinde Hinderer: Wir unterstützen Investitionen in PV-Anlagen und Stromspeicher mit einem Zuschuss aus dem Ausgleichsstock. Für die Planung der PV-Anlage bzw. des Stromspeichers kann eine Förderung von 50% der Gesamtkosten bis maximal 2.500 Euro pro Anlage und Gebäude beantragt werden. Die PV-Anlage wird mit einem pauschalen Zuschuss von max. 800 Euro pro kW installierter Leistung gefördert werden, und Stromspeicher werden mit einem Betrag von maximal 500 Euro pro kWh bezuschusst. Voraussetzung für die Bezuschussung ist, dass sich das Gebäude im kirchlichen Eigentum befindet und die geplante PV-Anlage Eigentum der Kirche ist.
Wie bekommen Kirchengemeinden Unterstützung, wenn Sie über die Anschaffung einer PV-Anlage nachdenken?
Siglinde Hinderer: Die Evangelische Landeskirche in Württemberg bietet den Kirchengemeinden unterschiedliche Beratungsleistungen an: Von der Beratung zu technischen Fragen, der Größe der Anlage, Betreibermodell, Speichergröße, Angebotsbewertung, Netzanschluss und Marktstammdatenregister. Wir bieten Unterstützung bei baurechtlichen Fragen und Fragen zum Denkmalschutz an. Ebenso helfen wir bei Fragen zur Förderung durch den Ausgleichsstock. Vorab gibt es die Möglichkeit, sich auf unserer Webseite ausführlich zu informieren.
Ist es richtig, dass es ein kirchliches Gesetz zum Klimaschutz in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gibt, welches die Photovoltaik-Initiative stark unterstützt?
Siglinde Hinderer: Das ist richtig. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2024 in Kraft, mit dem Zweck einen Beitrag zum Klimaschutz durch die Reduzierung der Treibhausgasemissionen hin zu Netto-Treibhausgasneutralität zu leisten und den Einsatz erneuerbarer Energien mit voranzutreiben. Mit diesem Gesetz treten wir für den Erhalt der Schöpfung und für mehr Klimagerechtigkeit ein und mit unsere Photovoltaik-Initiative wollen wir dazu einen auch nach außen sichtbaren Beitrag leisten.
Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontakt