Beim Jahresempfang der beiden evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden im Stuttgarter Neuen Schloss haben sich am 12. Dezember über 280 Gäste aus Politik, Kirchen, Diakonie und Gesellschaft mit dem Thema „Gemeinsam stark – Inklusion, Teilhabe, Nächstenliebe“ beschäftigt. Es sprachen Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landtagspräsidentin Muhterem Aras, Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Württemberg) und Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart (Baden). Rund 60 Menschen mit Behinderung organisierten die Bewirtung, unterhielten die Gäste musikalisch und nutzten die Gelegenheit, sich mit Vertreterinnen und Vertretern von Kirche, Diakonie und Politik auszutauschen. Menschen mit einem höheren Unterstützungsbedarf erzählten auf dem Podium von ihrem Leben und ihrem Weihnachtsfest.
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl sagte in seiner Begrüßung: „Menschen mit Unterstützungsbedarf sind wir alle. Aber bei manchen unter uns ist dieser Bedarf größer und führte in der Vergangenheit oft zu Ausgrenzung und Abhängigkeit. Wir sind überzeugt: Inklusion und Teilhabe sind eine praktische Anwendung des biblischen Menschenbilds ‚Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn‘. So heißt es im ersten Kapitel der Bibel. […]
Doch diese Ebenbildlichkeit ist keine körperliche Ähnlichkeit oder der Ausdruck von überragender Stärke. Sie drückt aus, dass jeder Mensch eine unverlierbare Würde vor Gott hat. Diese Zuschreibung hat eine geistliche Seite, aber auch eine politische. Kirche und Gemeinwesen haben die Aufgabe, diese Würde zu schützen und immer wieder neu ins Gespräch zu bringen. Als Kirche und Diakonie tun wir das in vielfältiger Form. […] In den Bereichen der sogenannten Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie arbeiten in kirchlich-diakonischen Einrichtungen allein in Württemberg über 13.000 Beschäftigte. Dabei werden rund 4.000 Menschen in Tagesstruktur mit Pflegebedarf betreut und ca. 10.000 Werkstattbeschäftigte in Werkstätten. Ebenfalls rund 10.000 Menschen werden in unterschiedlichen Wohnformen von über 50 Trägern der Diakonie betreut.“
Die Landesbischöfin der badischen Landeskirche, Prof. Dr. Heike Springhart, sagte: „Uns Menschen verbindet, dass wir verletzlich sind und sein dürfen. Geburt und Tod sind Übergänge, die das besonders verdeutlichen. Es ist eine wichtige Aufgabe von Gesellschaft, Kirche und Politik, unsere Verschiedenheit und Verletzlichkeit anzuerkennen und allen Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das ist die Basis von Inklusion, Teilhabe und Nächstenliebe.“
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte in seinem Grußwort: „Von der jüdischen Philosophin Hannah Arendt stammt der denkwürdige Satz: ,Politik beruht auf der Tatsache der Pluralität der Menschen.‘ Unser Zusammenleben als Menschen mit und ohne Behinderungen ist eine der Bewährungsproben für diesen politischen Anspruch. Weil sich da – mit den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen – wirkliche Pluralität beweist. Damit es im Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen den Blickwechsel der Inklusion gibt, geht es um die volle und barrierefreie gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Das meint Inklusion. Aber machen wir uns nichts vor: Teilhabe zu ermöglichen und Inklusion zu garantieren, ist mitunter ein anspruchsvoller Weg. Da gibt es ganz viele praktische Barrieren. Aber auch viele bürokratische Hemmnisse. Wie überall beim Bürokratieabbau gilt auch hier: Wir brauchen mehr Ermöglichungskultur! Die Kirchen sind in unserer Gesellschaft wichtige Impulsgeber, wenn es um Solidarität, Partizipation und Humanität geht. Und auch Garanten dieser humanen Grundüberzeugung. Weil wir Christen glauben, dass Gott den Menschen erschaffen hat. Und das meint, dass jeder Mensch in der Ebenbildlichkeit Gottes erschaffen ist und deshalb jeder Träger dieser unantastbaren Würde ist.“
Muhterem Aras, Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, sagte in ihrem Grußwort: „Ohne ein Mindestmaß an Nächstenliebe funktioniert kein Gemeinwesen, keine Gesellschaft und erst Recht keine Demokratie. Denn Nächstenliebe heißt Zusammenhalt. Sie setzt voraus, die Menschenrechte zu verinnerlichen. Zu verinnerlichen, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind; dass sie sich im Geiste der Geschwisterlichkeit begegnen sollen. Aus dieser Erkenntnis heraus folgt, niemanden herabzusetzen oder auszugrenzen, sondern sich im Gegenteil den Herabgesetzten und Ausgegrenzten zuzuwenden. Nächstenliebe ist nichts, was ein Parlament verabschieden oder eine Verfassung verordnen kann. Auch die wertvolle wohltätige Arbeit der Kirchen, etwa der Caritas und der Diakonie, kann sie der Gesellschaft nicht vollständig abnehmen. Nächstenliebe muss aus der Zivilgesellschaft selbst kommen. Das gilt es politisch zu fördern. Gerade jetzt, im aktuellen Krisenmodus, wenn eine Jede und ein Jeder hadert und die Gefahr droht, andere aus den Augen zu verlieren.“
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