11.10.2023

50 Jahre Seminar für Seelsorge-Fortbildung

Beziehungsfähigkeit, Verhalten in Konflikten und die pastorale Identität – die Fort- und Weiterbildungen am Seminar für Seelsorge-Fortbildung haben die Arbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen in der Seelsorge im Fokus.

Haupt- und Ehrenamtliche fortbilden, damit Seelsorge in herausfordernden Zeiten gelingt – das ist seit 50 Jahren die Aufgabe des Seminars für Seelsorge-Fortbildung in Stuttgart-Birkach. Am 27. Oktober 2023 wird das Jubiläum mit Vorträgen und Festakt gefeiert. Die Anmeldung ist noch bis zum 13.10. möglich. Im Interview erzählen Pfarrer Jochen Schlenker, Pfarrerin Rahel Mack und Pfarrer Ulrich Rost von ihren Schwerpunkten und davon, welche Themen ihnen aktuell besonders oft begegnen.

Die Entwicklung der eigenen pastoralen Identität ist Thema der Kurse für Hauptamtliche. Hier Teilnehmende mit Pfarrer Jochen Schlenker.
Pfarrer Jochen Schlenker

Beschreiben Sie bitte kurz die Aufgaben des Seminars für Seelsorge-Fortbildung.

Pfarrer Jochen Schlenker (Studienleiter Fachbereich Pfarrpersonen, Diakone, Diakoninnen) 

Die Aufgabe besteht in der Aus-, Fort- und Weiterbildung in Seelsorge von Haupt- und Ehrenamtlichen in der Landeskirche; insgesamt haben wir durchschnittlich 206 Teilnehmende pro Jahr. Mein Fachbereich, der der Hauptamtlichen, umfasst Pfarrerinnen und Pfarrer bzw. Diakoninnen und Diakone. Unser Hauptangebot besteht aus sechswöchigen Weiterbildungskursen in Klinischer Seelsorge (KSA). „Klinisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang: erfahrungsbezogen, es hat nichts mit einem Krankenhaus zu tun. Ferner bieten wir thematisch orientierte Fortbildungen an, die bis zu einer Woche dauern, wie z.B. „Konflikte verstehen & wagen“, „Seelsorge bei assistiertem Suizid“, oder „Seelsorge in Social Media“. Fachbereichsübergreifend bieten wir ferner Supervision an.

Pfarrerin Rahel Mack

Pfarrerin Rahel Mack (Studienleiterin Fachbereich Ehrenamtliche):

Im Bereich Ehrenamt bieten wir Kurse (KESS-Kurse) an, übers Jahr möglichst in jeder Prälatur, für die Bereiche Gemeinde-, Klinik-, Alten- und Pflegeheimseelsorge. Diese Ehrenamtlichen sind schon während der Kurse in diesen Praxisfeldern tätig und machen dort Seelsorgebesuche. Nach erfolgreichem Abschluss des Kurses erhalten sie ein Zertifikat und werden für zwei Jahre für einen bestimmten Bereich beauftragt. Für alle, die diese Kurse schon abgeschlossen haben, gibt es Weiterbildungsangebote unter dem Begriff „Auffrischungstage“ zu unterschiedlichen Themen, zum Beispiel „Trost und Hilfe in der Seelsorge“ sein. Das KSA-Lernmodell ist auch für diese Kurse grundlegend.

Pfarrer Ulrich Rost

Pfarrer Ulrich Rost (Studienleiter Pfarrpersonen an Berufsanfang, Studierende):

Für den Bereich der Studierenden und den der Pfarrerinnen und Pfarrer in den ersten Amtsjahren gilt das Gesagte entsprechend. Uns ist es wichtig, die KSA schon am Berufsanfang anzubieten. In dieser Phase kann das erfahrungsbezogene Lernen und unsere Inhalte eine große Hilfe sein, beim Entwickeln der eigenen pastoralen Identität, des eigenen Profils und Arbeitsstils. Wir bieten den Kurs für Studierende einmal pro Jahr an. Wir haben in der Regel zwei bis dreimal so viele Bewerbungen wie Plätze, so dass wir auswählen müssen. Am häufigsten nehmen Studierende im letzten Drittel ihres Studiums teil.

Welche Methoden verwenden Sie?

Pfarrer Jochen Schlenker:

Wir arbeiten sehr praxisbezogen, es sind insgesamt vier Methoden:

Zu einem Großteil arbeiten wir mit anonymisierten Gesprächsprotokollen (Gedächtnisprotokollen) aus der Seelsorge, die die Teilnehmenden mitbringen. Mit theoretischen Inputs setzen wir dann dort an, wenn es passt. Wenn z.B. die Frage auftaucht: Wie führe ich mit einem Ehepaar, das sich in einem Streit befindet, ein Gespräch? – dann führe ich einen Input aus der Systemik ein. Eine andere Methode ist das Besprechen einer Predigt. Dabei geht es nicht darum, wie man eine Predigt verfasst und hält, sondern darum, wie die betreffende Person ihren Glauben ins Gespräch bringen kann. Ferner gibt es Theorieteile, die wir anhand dessen, was die Gruppe braucht, auswählen – Menschen, die in der Klinikseelsorge tätig sind, benötigen etwas anderes als solche, die im Gemeindedienst arbeiten. Wir haben ein Curriculum, aber wir orientieren uns sehr am Bedarf. Die Theorie handelt etwa vom Umgang mit Menschen mit Demenz oder von Gesprächstypen oder -haltungen. Schließlich arbeiten wir mit gruppendynamischen Elementen: Der Pfarrberuf ist ein Kommunikations- und ein Beziehungsberuf. Wir schulen die Beziehungsfähigkeit, also reflektieren die Teilnehmenden zum Beispiel darüber, wie sie sich in Konflikten verhalten. Ziel ist immer, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren und auf dieser Grundlage neue Erfahrungen zu machen.

Pfarrer Ulrich Rost:

Die Elemente sind im Kursprozess fortlaufend miteinander verschränkt, das macht die hohe Qualität des Angebotes aus. Es geht um die Kompetenz der Person. Diese ist in unserer aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Situation wichtiger denn je – mit allen Umbrüchen, mit den ausdifferenzierten Milieus, in denen nicht das Amt autorisiert, sondern ganz stark die Person. Pfarrpersonen müssen in ihrer Situation imstande sein, authentisch zu reagieren, mit Intuition und Rollenklarheit. Dazu gehört eine authentische Identität.

Pfarrer Jochen Schlenker:

So ist es – das Amt trägt weniger, daher ist es in unserem Beruf wichtig, gut, aufrichtig und verlässlich, einladend Beziehungen mit Einzelnen und mit Gruppen gestalten zu können.

Pfarrerin Rahel Mack:

Die Kurse für Ehrenamtliche enthalten pro Kursabend einen Theorieteil, je nach dem Arbeitsbereich der Teilnehmenden, dieser ist teilweise deckungsgleich mit den Inhalten der Kurse für die Hauptamtlichen, ggf. etwas basaler. Beispiele für Themen sind Seelsorge mit Kranken, mit Sterbenden, Kommunikationstheorie, aber auch die Reflexion des eigenen Glaubens. Auch wir arbeiten prozessorientiert. Der zweite Teil des Kursabends ist die Besprechung von Gesprächsprotokollen in Kleingruppen. Dabei schlüpfen die Teilnehmenden in eine der Rollen als seelsorgende Person oder als Besuchte. So kann die Position der jeweils anderen Person erlebt werden, z.B. in der Rolle der dementen Person erlebt der Teilnehmende dann, dass er oder sie nicht gut begreifen kann, was der Seelsorger von ihr möchte.

Welchen Fragen oder Themen begegnen Sie derzeit besonders häufig?

Pfarrer Jochen Schlenker:

Ganz klar: Erschöpfung wegen vieler Veränderungsprozesse und dadurch wenig Zeit für Seelsorge. Seelsorgetermine sind oft „weiche“ Termine, dadurch kommen sie nur am Rand vor oder im Rahmen von Kasualien – das ist ein großes Thema. Uns begegnen auch häufig die Unterschiede der Generationen in ihrem Bild von sich selbst als Pfarrperson und in ihrer Gemeindearbeit. Ich beobachte einen großen Wandel darin, wie die eigene Rolle ausgestaltet wird: Ich hatte z.B. eine jüngere Kollegin im Kurs, die ihre Predigt auf Instagram veröffentlicht und sich selbst dafür entsprechend zurechtgemacht hat. Eine ältere Kollegin war befremdet, mit einem religiösen Angebot so aufzutreten. Zu dem Thema der Rolle als Pfarrperson gehört auch die Abgrenzung von Privatleben und Beruf und die Frage, wie ich eine Rolle geistlich gestalte und wie ich mein geistliches persönliches Leben als Pfarrperson gestalte.

Pfarrer Ulrich Rost:

Ich sehe noch das Thema Sinn und Motivation im Pfarrberuf angesichts der schrumpfenden Kirche und der gesellschaftlichen Situation – das taucht schon bei den Kursen mit Studierenden auf.

Pfarrerin Rahel Mack:

…und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Thema bei den Studierenden, gerade bei Frauen. Im Ehrenamt zieht sich die Frage durch, wie man mit Hilflosigkeit, mit eigener Ohnmacht im Gespräch umgeht. Ehrenamtliche wollen helfen und können es nicht immer – das ist in der hauptamtlichen Seelsorge übrigens nicht anders – es gilt, hier die eigene Motivation und das Verhalten in den Kursen zu reflektieren. Daneben taucht die Frage auf: Was ist das Spezifische an der Seelsorge? Wie unterscheide ich mich von anderen Gesprächsangeboten, wie z.B. den Grünen Damen und Herren. Ob und wenn ja, wie biete ich das Gebet an oder auf Glaubensthemen ein? Die Sinnfrage spielt hier auch zunehmend eine Rolle. Es gibt viele Männer und Frauen, die mitten im Berufsleben stehen, und eine Tätigkeit suchen, die neben dem Beruf für sie sinnstiftend ist. Man kann generell nicht sagen, dass es sich bei diesem Ehrenamt um eines für „70 plus“ handelt.

Über 200 Teilnehmende besuchen pro Jahre die Kurse des Seminars für Seelsorge-Fortbildung.

Angesichts des 50-jährigen Jubiläums – welche Perspektiven haben Sie für das Institut für Seelsorge?

Pfarrer Jochen Schlenker:

Die eine Herausforderung ist, die Seelsorge zu stärken – wie kann Seelsorge überhaupt noch stattfinden in dieser Verdichtung der Aufgaben, in der Vergrößerung der Räume, der Zuständigkeit, der steigenden Zahl der Gemeindemitglieder durch den Pfarrplan. Wie kann Kirche seelsorglich bleiben, auch wenn es nicht zum klassischen einstündigen Gespräch auf dem Sofa kommt?

Ich halte unsere Fortbildungen weiterhin für nötig in der Bildung der Person und ihrer Beziehungsfähigkeit. Dafür müssen wir gute Formate finden, an denen die Hauptamtlichen überhaupt noch teilnehmen können, so dass dies auch bei einer ausgedünnten Pfarrerschaft und der angespannten Vertretungssituation noch möglich ist.

Pfarrer Ulrich Rost:

Wir wollen die hohe Qualität der Fortbildungen aufrechterhalten: Die Kurse für Hauptamtliche haben maximal acht, die für Ehrenamtliche maximal 12 Teilnehmende. Wir decken über 50 Kurswochen pro Jahr ab, immer mit einer Leitung durch zwei Personen; das geht nicht mit unseren drei Stellen (237,5%), sondern nur, weil es den Arbeitskreis von 35 Supervisoren und Kursleitenden gibt, der zum Seminar gehört, die neben ihrer sonstigen Tätigkeit immer wieder einen Kurs leiten.

Pfarrerin Rahel Mack:

Die Kurse fürs Ehrenamt haben sich bewährt. Was sich momentan ändert, ist eine gestiegene Nachfrage durch die Notfallseelsorge – für Notfallseelsorgende ist ein Gesprächsführungskurs Voraussetzung, um überhaupt die Ausbildung machen zu können. Man möchte und muss durch die veränderte Gesamtsituation inzwischen mehr Ehrenamtliche in die Notfallseelsorge bringen. Insgesamt haben wir durch unsere Arbeit die Bedarfe gut im Blick: In der Alten- und Pflegeheimseelsorge zum Beispiel ist das Engagement nach Corona fast zum Erliegen gekommen; durch einen Kurs für Ehrenamtliche wird diese Arbeit wieder aufgenommen und unterstützt.

Hinweis für Kirchengemeinden

Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontaktdontospamme@gowaway.elk-wue.de nachzufragen, ob die Nutzungsrechte für den jeweiligen Zweck vorliegen. Gerne können Sie alle Bilder nutzen, die Sie im Pressebereich unserer Webseite finden.

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