Die Sommertagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode im Stuttgarter Hospitalhof ist zu Ende gegangen.
Am Freitag befassten sich die Landessynodalen unter anderem mit Berichten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Landeskirche und mit dem Projekt „Familie stärken“. Weiterhin wurde eine Gesetzesänderung beschlossen, womit die sogenannte ACK-Klausel als Voraussetzung für die Wählbarkeit in Diakonie-Mitarbeitervertretungen fällt. Am Samstag debattierten die Synodalen über assistierten Suizid und wie Kirche die Menschen von Anfang bis Ende ihres Lebens begleiten könne.
Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt
Ursula Kress, Leiterin der Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, berichtete von der Präventionsarbeit und zum Stand der Aufarbeitung. Inzwischen gibt es in der Kirchlichen Anstellungsordnung die Verpflichtung, bei bestimmen Berufsgruppen das Führungszeugnis vor der Einstellung einzusehen. Bei Neuanstellungen wie bestehenden Arbeitsverhältnissen müssen außerdem eine Selbstauskunft und eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben werden. Ein weiterer Baustein in der Präventionsarbeit sei ein sich derzeit in der Entwicklung befindendes Trainingstool zur Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt für landeskirchliche Mitarbeitende. Diese Maßnahmen würden ergänzt durch eine regelmäßige Abfrage zur Umsetzung der Schutzkonzeptentwicklung auf Gemeindeebene sowie durch die Verankerung des Themas in Fort- und Ausbildungen. Im Bereich der Aufarbeitung verwies die Fachstellenleiterin auf zwei Studien, die derzeit zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt durchgeführt werden: Für den Herbst erwarte man Ergebnisse der „ForuM“-Studie sowie den Bericht des „Auf!“-Projekts der Universitätsklinik Ulm.
Reinhard Winter, Diplompädagoge und Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts Tübingen, ergänzte den Bericht um Erfahrungen aus der Betroffenenarbeit. Aus Gesprächen sei hervorgegangen, dass ein Großteil der Befragten finanziell bedürftig sei – eine direkte Folge der erlebten sexualisierten Gewalt in der Jugend und Kindheit, da viele große Schwierigkeiten hätten, beruflich Fuß zu fassen. Die traumatischen Erfahrungen aus der Kindheit wirkten sich bis heute aus. Die Bedürfnisse, die aus den erfahrenen Übergriffen entstünden, seien aber höchst unterschiedlich und hingen davon ab, welche Bewältigungsmöglichkeiten es im Leben gegeben habe. Die Aufarbeitung durch die Landeskirche und die Diakonie erlebten viele Betroffenen als zögerlich und unentschlossen. Gleichzeitig wurde von Betroffenen die gute Arbeit der Fachstelle für sexualisierte Gewalt der Landeskirche gelobt.
Partnerschaft, Ehen und Familien stärken
Die Landessynode setzte sich außerdem mit dem Abschluss des Projekts „Partnerschaft, Ehen und Familien stärken“ auseinander. Prof. Dr. Johanna Possinger hat mit einem Team von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg im Rahmen des Projekts eine Studie zu den Wünschen von Familien an Kirche durchgeführt und vor der Synode die Ergebnisse vorgestellt. Studienautorin Possinger empfiehlt Gemeinden, ihre Familienarbeit inklusiv, armutssensibel und offen für plurale Familien zu gestalten. Außerdem solle die Beziehungsarbeit mit Familien in den Fokus gerückt werden. „Die Familie muss als Grundstein religiöser Sozialisation betrachtet werden“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Jugend, Siegfried Jahn. Deutlich werde in der Studie aber, dass Familien sich stark ausdifferenziert hätten. Außerdem stünden sie immer stärker unter Druck – sowohl im Inneren durch die Familienangehörigen als auch durch Belastungen von außen, etwa die Vereinbarkeit von Schule, Arbeit und Zeit für die Familie. Das Projekt habe gezeigt, wie wichtig das Arbeitsfeld „Familie“ sei und „Weichen für die weitere Arbeit mit und für Familien gestellt“, so Bildungsdezernentin und Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami.
Neuer Antrag zur Trauung gleichgeschlechtlich Liebender
Mit einem selbstständigen Antrag wurde die Trauung gleichgeschlechtlich liebender Ehepaare abermals in den Blick der Landessynode genommen. Der Antrag, sie der Trauung von Mann und Frau in jeder Hinsicht gleichzustellen, wurde an den Theologischen Ausschuss und den Rechtsausschuss verwiesen. Begründet wurde der eingebrachte Antrag damit, dass „durch den 2019 beschlossenen Kompromiss noch immer ein Prinzip der Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Personen innerhalb der Landeskirche“ herrsche. Die 15. Landessynode hatte im Jahr 2019 ein Gesetz beschlossen, das Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare in bis zu einem Viertel der rund 1.200 Kirchengemeinden der Landeskirche ermöglicht. Wenn diese Zahl erreicht wäre, sollte sich die Landessynode erneut mit dem Thema befassen. Aktuell bieten ca. 100 Gemeinden Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare an.
Wegfall der ACK-Klausel als Voraussetzung für die Wählbarkeit in Diakonie-Mitarbeitervertretungen
Nach intensiver Diskussion hat die Landessynode beschlossen, dass Mitarbeitende in Einrichtungen des Diakonischen Werks Württemberg künftig auch dann in die Mitarbeitervertretung gewählt werden können, wenn sie nicht Mitglied einer Kirche sind. Bislang war dafür noch die Mitgliedschaft in einer Kirche Voraussetzung, die wiederum Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen sein musste.
Aktuelle Stunde zum Thema assistierter Suizid
In der Aktuellen Stunde waren sich viele Synodale einig, dass palliative Versorgung sehr wichtig sei und dafür deutlich mehr finanzielle Mittel bereitstehen müssten. Angebote, die Menschen in letzten Lebenslagen unterstützten, müssten ausgebaut werden.
Es gebe eine breite Palette an Angeboten im Bereich Suizidprävention, zum Beispiel Beratungs- und Unterstützungsangebote in diakonischen Bezirksstellen, die Telefonseelsorge oder auch die Jugendarbeit. Es sei wichtig, sich als Gemeinde zu fragen: „Spüren Menschen vor Ort, dass sie angenommen sind in schwierigen Zeiten?“ und dass Gemeinden „caring communities” werden sollten – gleichzeitig müssten aber die individuellen Personen und Individualrechte ernstgenommen werden, wenn es um die Entscheidung für oder gegen das Erlauben des selbstbestimmten Suizids gehe.
Weiter wurde die Sorge geäußert, dass aus dem selbstbestimmten Sterben Geschäftsmodelle von Unternehmen, die davon profitieren wollten, entstehen könnten. Man müsse vorsichtig sein, es Menschen zu einfach zu machen zu sterben. Ein weiterer Aspekt der Debatte war die seelsorgerliche und menschliche Problematik, was mit dem Umfeld passiere, das mit der Frage nach dem Suizid umgehen müsse.
Auch wurde Verständnis geäußert für medizinisch extreme Fälle, in denen es verständlich sei, dass es Leid geben kann, das absolut unerträglich ist und bei dem selbst die Palliativmedizin versagen könne. Die jetzige rechtliche Situation sei nur schwer erträglich für die Menschen, die in dem Bereich tätig seien. Und auch Menschen in belastenden Lebenssituationen bräuchten Perspektiven.
Oberkirchenrätin Prof. Dr. Annette Noller, Vorstandvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg berichtete: „Die Diakonie begleitet aus dieser Haltung heraus in vielfältigen Krisen Menschen”, erklärte Noller. Durch gute Begleitung könnten Menschen in schweren Lebenskrisen wieder leben und weiterleben. „Das ist das Grundziel der diakonischen Arbeit.”
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl nahm zum Abschluss Stellung zur Entscheidung der EKD zur „Woche für das Leben”. „Wir waren überrascht von der Entscheidung der EKD. Die ,Woche für das Leben’ ist eine Riesenchance. Wir wollen auf Landesebene dieses wichtige Thema wachhalten.”
Fusion der Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt und der Beauftragungen für den interreligiösen Dialog
Weiterhin begrüßte die Synode die angestrebte Fusion der Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt (KDA) der Landeskirchen in Baden und Württemberg. Angesichts einer bereits existierenden intensiven Kooperation der KDAs in beiden Landeskirchen sei die Fusion eine naheliegende und konsequente Fortsetzung dieses Weges. Einer ähnlichen Konstruktion stimmte die Synode auch für den christlich-jüdischen und den christlich-islamischen Dialog zu. Die beiden Arbeitsfelder sollen künftig von den jeweiligen württembergischen Beauftragten für beide Landeskirchen betreut werden. Im christlich-jüdischen Gesprüch ist dies bereits faktisch vollzogen, im christlich-islamischen Gespräch steht die Veränderung voraussichtlich 2026 an.
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