Bei der Herbsttagung der Landessynode haben Ursula Kress und Miriam Günderoth von der zuständigen Fachstelle den aktuellen Stand beim Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Landeskirche vorgestellt. Indem man mit den Betroffenen fortlaufend im Gespräch sei, komme die individuelle Aufarbeitung sexualisierter Gewalt immer weiter voran. Auch die Arbeit an Schutzkonzepten sei weit vorangeschritten.
Ursula Kress, Beauftragte für Chancengleichheit im Oberkirchenrat, und Miriam Günderoth, Leiterin der Projektstelle Prävention, fokussierten sich in ihrem Bericht auf die Themen Prävention und individuelle Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Rahmen der Betroffenenbeteiligung. Sie wiesen darauf hin, dass im nächsten Tagesordnungspunkt die strukturelle und historische Aufarbeitung im Rahmen der Vorstellung der AUF!-Studie näher betrachtet würden. Der Rücktritt der EKD-Ratspräsidentin Annette Kurschus hätte verdeutlicht, dass Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Mitte des kirchlichen Alltagsgeschäfts angekommen seien und diejenigen, die die Aufarbeitung voranbringen, besonders im Fokus stünden und eine Vorbildfunktion erwartet würde. Dies ließe sich auch in ihrer täglichen Arbeit feststellen, so Ursula Kress.
Rahmenschutzkonzepte, Schulungen und Web-Basiertes Training als Säulen der Prävention
In Hinblick auf Präventionsmaßnahmen stellte Miriam Günderoth ein in weiten Teilen fertiggestelltes Rahmenschutzkonzept vor. Dieses beinhaltet Materialien zur Erarbeitung eigener Bausteine für ein Schutzkonzept für Kirchengemeinden und Einrichtungen, sowie methodische Überlegungen zur Erarbeitung, Formulare für Regelungen aus landeskirchlichen Gesetzen und Textbausteinen für die Zusammenfassung. Die Materialien stehen bereits jetzt im Dienstleistungsportal zur Verfügung und sollten bis zum nächsten Jahr auch über die Lernplattform www.digitales-lernen-kirche.de für Ehrenamtliche zugänglich sein. Erfreulich sei, dass bereits in 90% der Kirchenbezirken eine Arbeitsgruppe gebildet worden sei, die ein Schutzkonzept erarbeitet habe oder gerade in der Erarbeitungsphase sei. Ein genauerer Überblick sei mit der nächsten Umfrage zum kirchlichen Leben über AHAS Anfang nächsten Jahres möglich.
Die Regelungen des Schulungskonzeptes „hinschauen-helfen-handeln“ der EKD seien maßgebend für die Schulung und Sensibilisierung von Mitarbeitenden. Nach Abschluss des 8. Kurses im Herbst 2023 befänden sich 65 Personen im landeskirchenweiten Netzwerk. Von den Pfarrpersonen der Landeskirchen hätten zum gegenwärtigen Zeitpunkt fast alle eine Grundschulung nach EKD-Konzeption besucht.
Als dritter Baustein der Präventionsmaßnahmen sei das bei der letzten Synode angekündigte Web-basierte-Training nun in der Testphase und solle ab Januar für Mitarbeitende in Kirchengemeinden, Kirchenbezirken und Einrichtungen eingesetzt werden. Günderoth wies aber gleichzeitig darauf hin, dass dieses Training keine Grundlagenschulung ersetze und nur als Ergänzung verstanden werden dürfe. Sie warb außerdem dafür, dass nach der Erstellung eines Schutzkonzeptes die Prävention sexualisierter Gewalt nicht als abgeschlossen betrachtet werden dürfe, sondern als Querschnittsthema kirchlicher Arbeit implementiert werde müsse.
Aufarbeitung zeigt unterschiedliche Bedürfnislagen
Ursula Kress berichtete, dass bereits im Frühjahr 2023 Interviews mit Herrn Winter und Frau Wilser von der Betroffenenbeteiligung geführt wurden (siehe Bericht von der Sommersynode 2023). Im Oktober wurden den Betroffenen die Präventionsmaßnahmen von Landeskirche und Diakonie vorgestellt und von diesen mit Erstaunen über die Vielfalt wahrgenommen. Beim 3. Betroffenenforum ergab eine Umfrage über die Bedürfnisse von Betroffenen eine Bandbreite an Forderungen von einmaligen Zahlungen bis hin zu lebenslanger Rente von 300 bis 400 Euro monatlich. In der Zwischenzeit liegen bereits Forderungen von Betroffenen vor. Einige Betroffene hätten sich mit den bisherigen Bemühungen zufrieden gezeigt. Detlev Zander, Sprecher des Beteiligungsforums der EKD berichtet von der AG Vereinheitlichung, die eine Richtlinie für EKD-weiten Anerkennungsleisten erarbeite. Stefan Werner, Direktor im Oberkirchenrat, habe bei diesem Treffen zugesagt, diese Richtlinie für Württemberg zu übernehmen. Er hat den Betroffenen außerdem eine weitere Anerkennungsleistung in Höhe von 5.000 € durch die Landeskirche zugesagt. Für die Auszahlung, die gerade vorbereitet werde, seien kurzfristig 900.000 Euro aus der Rücklage zu entnehmen. Neben der finanziellen Unterstützung der Betroffenen, gebe es darüber hinaus einen großen Bedarf an Beratungs- und Unterstützungsleistung verschiedener Art.
Auf höherer Ebene wurde in Zusammenarbeit mit der AG Kirchen und AG Aufarbeitung der EKD sowie den Bevollmächtigten der Kirchen bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und Diakoniepräsident Ulrich Lilie eine Gemeinsame Erklärung erarbeitet, die am 13. Dezember 2023 unterzeichnet werden soll. Darin sind für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt folgende Aufgaben formuliert:
Zur Erfüllung dieser Aufgaben solle ein Gremium eingerichtet und auch in Württemberg eine Geschäftsführung für die regionale Aufarbeitungsarbeit der Landeskirche und der Diakonie geschaffen werden.
Zum Abschluss ihres Vortrags betonte Ursula Kress, dass die Erfahrungen um den Rücktritt von Kurschus gezeigt haben, dass ein proaktives Handeln dem Reagieren vorzuziehen sei. Sie forderten, dass die Landeskirche mit gutem Beispiel vorangehen und sich ein Schutzkonzept geben solle. Zudem müsse für eine gute Präventions- und Aufarbeitungsarbeit die Fachstelle mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Der Weg der Aufarbeitung haben sich – trotz vieler Windungen – bisher gelohnt, so Kress zum Abschluss ihres Vortrags.
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