Wenn er vom Krieg in der Ukraine spricht, wird seine Stimme leise. Die Erlebnisse des vergangenen Jahres haben den Pfarrer der Reformierten Kirche in Transkarpatien (Ukraine), Péter Szeghljánik, spürbar mitgenommen. Jede Woche fahren zwei Kleinbusse von seiner Gemeinde aus dem Westen der Ukraine in Richtung der Kriegsgebiete, verteilen Hilfsgüter und frisch gebackenes Brot.
Auch als er Mitte Januar von dem Hubschrauberabsturz nahe Kiew hörte, bei dem der ukrainische Innenminister und weitere Menschen starben, setzte er sich sofort in seinen Bus und brachte einem Krankenhaus in Kiew Stromgeneratoren und Spielzeuge für die Kinder, deren Kindergarten durch den Absturz zerstört worden war, erzählt er.
„Als kleiner Dienst sehe ich unsere Aufgabe darin, dorthin zu fahren, wo gerade die Not am größten ist“, sagt er bei einem Gespräch anlässlich eines Besuches beim Gustav-Adolf-Werk in Württemberg (GAW) und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg am vergangenen Freitag in Stuttgart. Er leistet mit Unterstützung des Gustav-Adolf-Werks Württemberg Hilfe hauptsächlich für Gemeindeglieder der Reformierten Kirche in Transkarpatien.
Dass er sich selbst mit solchen Busfahrten in Gefahr begibt, ist ihm bewusst. Aber er fahre immer nur los, wenn er das Gefühl habe, dass Gott ihn zu dieser Aufgabe schickt. „Dann wird er mich auch bewahren.“
„Es ist sehr schwierig geworden durch die Lebensumstände, die heute gegeben sind, durch die Ängste, die die Menschen in ihrem Herzen tragen, durch die wirtschaftlichen Hindernisse und Schwierigkeiten – die Lage ist nicht einfach“, sucht der Pfarrer nach Worten für die beinahe unaussprechliche Situation in seinem Heimatland.
Bei seinem Besuch in Deutschland hat er gemeinsam mit Mitarbeitern des GAWs einen weiteren Lastwagen mit OP-Mänteln und Paketen für Schutzkeller gepackt und auf den Weg in die Ukraine geschickt. In den Paketen befinden sich Gasbrenner, Trinkwasser und haltbare Lebensmittel. „Wir beten für Frieden, aber wir müssen uns trotzdem auf schlechtere Situationen vorbereiten“, so der Pfarrer, der Beauftragter der Reformierten Kirche in Transkarpatien für Hilfstransporte im ganzen Land ist.
Militärisch gesehen könne man angesichts der Übermacht Russlands schnell verzweifeln. Aber als Christ glaube er an Wunder, und daran, dass Gott Frieden schaffen und die Verantwortlichen dazu bringen könne, dass wieder Friede wird.
Besonders begeistert erzählt Pfarrer Szeghlijánik von einer besonderen Hilfslieferung: Letztes Jahr habe er vom GAW je zehn Tonnen Saatkartoffeln und Saatmais erhalten und gemeinsam mit Binnenflüchtlingen – aber auch einem Landwirt aus Württemberg – diese in brachliegenden Feldern ausgesät. Die Felder wurden nicht bewirtschaftet, weil ihre Besitzer im Krieg waren oder das Land verlassen hatten. Die Saataktion war ein Erfolg: „Diese Woche haben wir einen Lastwagen voller Kartoffeln an Bedürftige verteilt, die von den Samen der Hoffnung aus Deutschland stammen“, sagt der Pfarrer der Gemeinden in Csonkapapi und Kispapi.
Wenn Hilfe benötigt wird, hilft auch die ganze Gemeinde des Pfarrers mit: „Es reicht, nur einmal eine Bitte auszusprechen, und die Menschen kommen. Sei es, wenn das Saatgut in die Erde gesät werden soll, sei es, wenn ein Lebensmittelpaket verpackt werden soll: Die Gemeinde steht immer zur Hilfe und ist da.“ Auch als in den ersten Tagen Flüchtlinge, die in dem Dorf Schutz suchten, versorgt werden mussten, habe die Gemeinde geholfen. Gemeindeglieder hätten gekocht, Wäsche gewaschen und alles, was nötig gewesen sei, gemacht.
Nur noch rund 325 von 1100 Menschen im Jahr 2014 leben zurzeit in der Kirchengemeinde des Pfarrers. „Die Last ruht auf wenigeren Schultern als zuvor“, sagt Pfarrer Péter Szeghljánik. Als der Angriff Russlands auf die Ukraine vor fast einem Jahr begann, sind weitere Menschen geflüchtet. „Man kann sie dafür auch nicht verurteilen“, sagt der Pfarrer.
Immer wieder verteilt Szeghlijánik auch Bibeln oder andere christliche Literatur zusätzlich zu den Hilfslieferungen und merkt, wie dankbar viele Menschen darüber sind, dass sie neben Nahrung auch einen geistlichen und seelsorgerlichen Trost erhalten.
Egal ob er eine alleinstehende Frau seiner Gemeinde besucht oder in einem Militärkrankenhaus einen Bekannten trifft, begrüßt er die Menschen auf ungarisch oder ukrainisch mit dem Gruß „Segen und Frieden“. Denn: „Segen und Frieden - das ist es, was wir brauchen“, so der evangelische Pfarrer.
Pfarrer Péter Szeghljánik sagt: „Was heute aktuell ist, kann morgen nicht mehr aktuell sein.“ Sicher sei nur, dass nichts sicher sei. Noch immer leben fünf geflüchtete Familien im Dorf des Pfarrers. Er will nun als nächstes Solarmodule und Akkus anschaffen, damit günstiger Energie erzeugt und auch gespeichert werden kann.
In Deutschland sind die Kirchengemeinden auf dem Gebiet der Evangelischen Landeskirche in Württemberg derweil auf der Suche nach längerfristigem Wohnraum für die Geflüchteten, so Klaus Rieth, Verantwortlicher für die Ukraine-Hilfe in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Für die Hilfe vor Ort in Württemberg würde viel gespendet.
Michael Proß, Geschäftsführer des Gustav-Adolf-Werks Württemberg, stellt dennoch fest, dass die Spendenbereitschaft beinahe ein Jahr nach Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine nachgelassen habe.
Material von epd erweitert um Material der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
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