Kürzlich hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Ergebnisse ihrer sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU VI) vorgestellt. Alle zehn Jahre erforscht die EKD mit diesen Untersuchungen, welche Einstellungen Menschen zu Religion und Kirche haben, welche Erfahrungen sie mit kirchlichen Angeboten gemacht haben und welche Erwartungen sie an die Kirche in der Zukunft haben. Im Rahmen der Herbsttagung der württembergischen Landessynode haben nun Dr. Edgar Wunder (Wissenschaftlicher Referent, Sozialwissenschaftliches Institut der EKD) und Dr. Fabian Peters, Kommissarischer Leiter des Referats für Finanzplanung, Haushalt, Steuern, Finanzcontrolling und Statistik im Evangelischen Oberkirchenrat, die Ergebnisse den Synodalen erläutert. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnissse.
1. Grundlagen zur KMU VI: Seit 1972 führt die EKD alle zehn Jahre Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen zu Perspektiven von evangelischen Kirchenmitgliedern (seit 1992 auch von Konfessionslosen) durch. Die Daten der sechsten KMU wurden vom 14.10. - 22.12.2022 von Forsa erhoben. Sie sind repräsentativ für die in Privathaushalten lebende Bevölkerung in Deutschland ab dem 14. Lebensjahr. Unter den insgesamt 5282 Befragten sind erstmals in der Geschichte der KMUs nicht nur Evangelische und Konfessionslose enthalten, sondern auch Katholische und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften. Damit ist die KMU VI erstmals repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.
2. Religiöse Großwetterlage: Religiosität in Deutschland hat zwei Dimensionen: die kirchennahe und die kirchenferne Religiosität. Beide sind rückläufig. Die kirchenferne Religiosität sinkt jedoch schneller. Aus den zwei Dimensionen ergeben sich vier religiös-säkulare Orientierungstypen: die Kirchlich-Religiösen, die Religiös-Distanzierten, die Säkularen und die Alternativen. Diese Religiositätstypen lassen sich wiederum in weitere Subtypen unterteilen. Mit einem Anteil von 56 Prozent gehört die Mehrheit der deutschen Bevölkerung der Gruppe der Säkularen an. Diese Gruppe gilt als kaum noch religiös ansprechbar. Nicht nur die Kirchenbindung geht deutlich zurück, sondern auch Religiosität insgesamt.
3. Die Kirchen als Organisation: Zwei Drittel der evangelischen und drei Viertel der katholischen Kirchenmitglieder tendieren zum Kirchenaustritt. Die Kirchen haben es mit in der Hand: Sie können drohenden Austritten mit Reformen entgegenwirken. Protestantinnen und Protestanten entscheiden sich vor allem aus Gleichgültigkeit gegenüber Religion und Kirche für einen Kirchenaustritt. Gleichzeitig gibt es hohe Reformerwartungen an die Kirchen. Mehr als drei Viertel aller evangelischen Kirchenmitglieder finden, dass die Reformen ihrer Kirche in die richtige Richtung gehen. Über alle Konfessionen hinweg herrscht eine große Zustimmung zur ökumenischen Orientierung und Zusammenarbeit zwischen den Kirchen. Sowohl Kirchenmitglieder als auch Konfessionslose erwarten von der Kirche ein soziales Engagement, das über den Bereich des Religiösen hinausgeht. Die Kirchen stehen vor schwerwiegenden, multiplen Krisen und sehen sich großen Reformerwartungen ausgesetzt.
4. Konfessionelle Differenzierung: Die konfessionellen Unterschiede sind verblüffend gering. So gut wie keines der traditionellen konfessionellen Stereotype lässt sich heute noch empirisch bestätigen. Keine relevanten Unterschiede zwischen den Konfessionen finden sich bei sozio-demografischen Merkmalen, Wertorientierung und religiositätsbezogenen Merkmalen. Kleine Unterschiede lassen sich beim regelmäßigen Gebet und Kirchgang erkennen. Katholische erwarten nichts Anderes von ihrer Kirche als Evangelische, aber der Reformdruck auf die katholische Kirche ist größer.
5. Reichweite und Wirksamkeit: Die Reichweite der Organisation Kirche in die Gesellschaft hinein ist nach wie vor hoch, sie geht in vielerlei Hinsicht nicht zurück. Die Teilnahmequoten an Konfirmation, Religionsunterricht, kirchlichen Kindergärten und kirchlichen Jugendgruppen sind stabil. 35 % der Bevölkerung hatten in den letzten zwölf Monaten Kontakt zu einer kirchlichen Einrichtung. 45 % hatten Kontakt zu Personen, die in der Kirche tätig sind. Die Hälfte erachtet diese Begegnungen allerdings als nicht oder wenig relevant für das Leben. Kirchenmitglieder engagieren sich überdurchschnittlich oft ehrenamtlich. Die Kirchen spielen eine wichtige zivilgesellschaftliche Rolle und stärken unsere Demokratie.
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