| Landeskirche

Klimaschutzgesetz: Was es für die Kirchengemeinden bedeutet

Interview mit Siglinde Hinderer, Leiterin des landeskirchen Umweltreferats

Bis 2040 soll die Evangelische Landeskirche in Württemberg klimaneutral werden – das hat die Landessynode bei ihrer Herbsttagung im vergangenen Jahr beschlossen. Das entsprechende kirchliche Klimaschutzgesetz formuliert nicht nur das Ziel, sondern benennt auch die Bereiche, die dazu beitragen müssen, wie Mobilität, Beschaffung und vor allem die kirchlichen Immobilien, denn sie steuern zu den CO2-Emissionen der Landeskirche den größten Anteil bei. Was bedeutet das konkret – vor allem für die Kirchengemeinden? Müssen sie Gebäude und vielleicht sogar Kirchen aufgeben? Darüber haben wir mit Siglinde Hinderer gesprochen, die beim Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart das landeskirchliche Umweltreferat leitet.

Siglinde Hinderer leitet das Umweltreferat im Oberkirchenrat.Bild: Hinderer

Wo liegt der Schwerpunkt des Klimaschutzgesetzes?

Siglinde Hinderer: Die Emissionen im Gebäudebereich konnten wir zwar in den vergangenen Jahren schon deutlich reduzieren, aber sie machen immer noch 70 Prozent der Gesamt-C02-Emissionen der Landeskirche aus. Darum liegt dort der Schwerpunkt.

Wie sieht denn der Plan für die landeskirchlichen Gebäude aus?

Siglinde Hinderer: Was jede Kirchengemeinde machen kann, ist ein gutes Energiemanagement. Das heißt, die Gebäude effizient zu bewirtschaften. Das fängt bei einer regelmäßigen Verbrauchsdatenkontrolle an, beinhaltet aber auch die regelmäßige Überprüfung der Räume: Wo kann Energie gespart werden? Wird wirklich nur geheizt, wenn Menschen da sind? Sind die Temperaturen an den Heizkörpern richtig eingestellt? Zu diesen Maßnahmen gibt es aus der Vergangenheit schon viele Erfahrungen und Checklisten. Dazu gehören auch Konzepte wie die Winterkirche, also die Verlegung der Gottesdienste in Gemeindehäuser während der Heizperiode. Im zweiten Schritt sollte man bei Gebäuderenovierungen oder -sanierungen Klimaneutralität schon mitdenken. Der dritte Schritt ist schließlich die Reduktion der Gesamtgebäudefläche. Wenn ich weniger Fläche habe, muss ich weniger heizen. Hier müssen Kirchengemeinden gut hinschauen: Gibt es kleinere, geschicktere Räume, die genutzt werden können? Wo können Gemeinden kooperieren? Wo können andere unsere Räume mitnutzen? Solche und ähnliche Fragen müssen wir uns stellen.

Wie unterstützt die Landeskirche die Gemeinden bei diesen Aufgaben?

Siglinde Hinderer: Für das Energie-Management der einzelnen Gemeinden werden bereits Hilfestellungen angeboten. Dazu werden auch neue Stellen geschaffen, wie die Stelle einer Klimaschutzkoordination, die zum Beispiel Mesnerinnen und Mesner schult, wie Heizungen optimal eingestellt werden. Auch bei der Bauberatung stocken wir gerade auf, um die Kirchengemeinden gut beraten zu können.

Nach welchen Kriterien sollen Gemeinden bei der Reduktion von Flächen vorgehen?

Siglinde Hinderer: An dieser Frage arbeiten wir intensiv im Baudezernat der Landeskirche. In einer ersten Grobanalyse soll zunächst bewertet werden, in welchem Zustand Gebäude grundsätzlich sind, was es kosten würde, sie zu sanieren, wie viel Energie sie verbrauchen und wie teuer ihr Unterhalt heute ist und zukünftig sein wird. Aus den erfassten Daten soll dann in einem Klima-Cockpit eine Art Ampelsystem entstehen, das anzeigt, ob es sinnvoll erscheint, das Gebäude im Bestand zu lassen, es aufzugeben oder eben Maßnahmen zu treffen, um das Gebäude zu halten. Diese Übersicht geht dann an die einzelnen Kirchenbezirke. Im Bezirk muss dann überlegt werden, wie viele und welche Gebäude benötigt werden. Ob die einzelne Kirchengemeinde die Empfehlung dann umsetzt, entscheidet sie selbst. Behält sie ein Gebäude entgegen der Empfehlung, muss sie zukünftig damit rechnen, dass sie nicht wie bisher die entsprechenden Fördermittel für Sanierungen erhalten wird. Im Gegenzug können die Gebäude, die im Bestand bleiben, besser gefördert werden.

Heißt das: Kirchen, die nicht gut zu dämmen sind, müssen abgestoßen werden?

Siglinde Hinderer: Es gibt viele mögliche Lösungen. Es kann bedeuten, Gebäude aufzugeben oder aber auf alternative Konzepte zu setzen wie die Winterkirche oder körpernahe Wärmesysteme, die sich dann aus erneuerbaren Energien speisen. Die Prognosen darüber, wie viele Menschen unsere Kirche voraussichtlich verlassen werden, legen es nahe, dass wir auch Gebäude abstoßen müssen. Das liegt aber in der Verantwortung der Gemeinden vor Ort: Zu schauen, wie eine Umnutzung organisiert werden kann, etwa durch die Diakonie oder durch Umwandlung in Wohnraum. Aber es wird auch Fälle geben, in denen die Lösung lautet, das Gebäude abzugeben.

Wie kann sichergestellt werden, dass die Einsparungsbemühungen nicht zu Lasten des Gemeindelebens gehen? Konkret: Darf der Seniorenkreis künftig nur noch bei 17 Grad stattfinden?

Siglinde Hinderer: Wir wollen nicht mit „du darfst“ oder „du darfst nicht“ argumentieren. Wir setzen auf Freiwilligkeit. Das Kirchengesetz zum Klimaschutz trifft dazu auch keine Entscheidungen. So viel sei gesagt: Wenn wir es schaffen, die Gebäude gut zu sanieren und mit Solaranlagen oder Wärmepumpen auszustatten, dann werden auch zukünftige Seniorennachmittage nicht bei 17 Grad stattfinden müssen.

Das Klimaschutzgesetz sieht Nettotreibhausneutralität bis 2040 vor. Um zu überprüfen, wo die Kirche sich auf dem Weg zu diesem Ziel befindet, müssen Zwischenstände erfasst werden. Wie soll das in der Praxis aussehen?

Siglinde Hinderer: Wir müssen den Fokus auf die energieintensiven Dinge legen, und das ist der Energieverbrauch in den Gebäuden. Das Klimaschutzgesetz schreibt vor, dass diese Daten in den Gemeinden einmal im Jahr erfasst werden. Im Bereich der Mobilität geht man eher von Schätzungen aus. Für unser Klimaschutzkonzept haben wir exemplarische Berechnungen für Land- und Stadtgemeinden durchgeführt, die beispielsweise auch den Weg der Gottesdienstbesucherinnen und -besucher in die Kirche berücksichtigen. Die Unterschiede sind gewaltig: Im städtischen Bereich gab es eine Gemeinde, in der 1,3 Personen durchschnittlich im Auto saßen, in einer Diasporagemeinde waren es im Durchschnitt 3,5 Personen. Das zeigt, dass es keine pauschalen Lösungen gibt, sondern dass es auf die einzelnen Gemeinden zugeschnittene Ideen braucht.

Setzen Sie auch auf Learning-by-Doing?
Siglinde Hinderer: So ist es. Egal, ob wir den Bereich der Heizungen anschauen in Kombination mit denkmalgeschützten Gebäuden oder die Mobilität – es gibt viele Bereiche, in denen wir noch nicht abschätzen können, wie die Situation 2040 genau aussieht, sei es die Anzahl der Gemeindeglieder oder die Anzahl der Gebäude. Wir müssen uns dabei gemeinsam auf den Weg machen und gemeinsam nach Lösungen suchen, uns vernetzen und Lösungen miteinander teilen. Neben dem Klimaschutzgesetz gibt es alle fünf Jahre ein fortgeschriebenes Klimaschutzkonzept, mit dem Zwischenziele formuliert werden sollen und mit dem nachgesteuert werden kann, wenn wir feststellen, dass wir in einem Bereich hinterherhinken.

Hintergrund

Die 16. Württembergische Evangelische Landessynode hat während ihrer Herbsttagung 2022 ein Klimaschutzgesetz für die Landeskirche beschlossen. Das Gesetz sieht vor, bis 2040 Nettotreibhausneutralität zu erreichen, die vor allem durch Maßnahmen im Gebäude- und Mobilitätssektor erreicht werden soll. Die Regelungen des Gesetzes umfassen die Gesamtheit der Kirchengemeinden, Kirchenbezirke, kirchlichen Verbände und kirchlichen öffentlich-rechtlichen Stiftungen.


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