Die Herbsttagung der Landessynode der württembergischen Landeskirche ist am 2. Dezember im Stuttgarter Hospitalhof zu Ende gegangen. Die Synode verabschiedete den Jahresabschluss 2021, den Jahresabschluss 2022 und den Nachtragshaushalt 2024. Dr. Jörg Antoine, kommissarischer Leiter des Dezernats für Finanzmanagement und Informationstechnologie im Oberkirchenrat, bescheinigte der Landeskirche solides und gutes Wirtschaften, sprach aber auch die wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahre an, die sich auch schon im Nachtragshaushalt für 2024 zeigen.
„Nun sag', wie hast du's mit der Religion?“ – Vorstellung der Kirchenmitgliedschafts-Untersuchung VI (KMU) und relevante Einsichten der Studie für Württemberg
Dr. Fabian Peters, kommissarischer Leiter des Referats Finanzplanung, Haushalt, Steuern, Finanzcontrolling und Statistik im Oberkirchenrat, erklärte das Anliegen der KMU VI mit der sogenannten „Gretchenfrage“ aus Goethes Faust: "Nun sag', wie hast du's mit der Religion?" Ein Ergebnis der Studie war, dass evangelische und katholische Christen sich in ihren Werten, Haltungen und Gottesdienstbesuchen kaum mehr unterscheiden, es aber deutliche Unterschiede zu Nichtmitgliedern zum Beispiel beim ehrenamtlichen Engagement gibt. Dieses ist in den kirchlichen Kerngruppen beinahe doppelt so hoch wie bei Konfessionsungebundenen. Erstaunlicherweise ist inzwischen die Konfirmation der unter evangelischen Christen am häufigsten genannte Faktor für die religiöse Prägung, mehr noch als die eigene Mutter. Noch eine wichtige Erkenntnis: Je weniger Geld die Menschen verdienen, desto häufiger führen sie die Kirchensteuer als Austrittsgrund an. Kirche muss also besser erklären, wofür sie das ihr anvertraute Geld einsetzt und welche Wirkung es zum Beispiel durch Diakonie oder konfessionelle Kindertagesstätten entfaltet. Austrittsgrund Nummer eins für Evangelische sei die Kombination aus Bedeutungslosigkeit der Religion fürs eigene Leben und dem Zahlen der Kirchensteuer.
„Wir können Großtrends nicht einfach umkehren, das wäre eine Allmachtsfantasie, aber wir können den Wandel gestalten“, so Dr. Edgar Wunder, wissenschaftlicher Referent beim Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD. Er wies darauf hin, dass die soziale Reichweite der Kirche wesentlich größer sei als die religiöse. Das dürfe man nicht aus dem Blick verlieren.
Bericht über Zukunfts- und Innovationsprozesse in der Landeskirche
Im Bericht des Ausschusses für Kirchen- und Gemeindeentwicklung skizzierte Ausschussvorsitzender Kai Münzing, dass die Transformation in der Landeskirche in Richtung Zukunft in zahlreichen Projekten eingeläutet sei. Beispielhaft nannte Münzing die Einrichtung von Projektpfarrstellen Innovation, den Innovations- und Ehrenamtstag 2024 unter dem Motto „Gemeinde begeistert (..)“ als Austauschplattform und der entwickelten Innovationslandkarte mit aktuell rund 100 Projekten im Bereich der Landeskirche, das Projekt „multiprofessionelle Teams“ für Erprobungsräume auf Gemeinde- und Distriktebene und das seit April 2023 neue „Zentrum für Gemeindeentwicklung und missionale Kirche“ im Oberkirchenrat.
Grußwort von Prof. Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) an die Landessynodalen
Die Ereignisse seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und die anschließenden Geschehnisse würden die Israelitische Religionsgemeinschaft und jüdische Menschen in Baden-Württemberg massiv betreffen, schilderte Traub in ihrem Grußwort vor der Landessynode am Donnerstag. Weiterhin gab sie Einblicke in die Herausforderungen für die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs und merkte auch kritischen Umgang seitens der Kirche an.
Die jetzigen Zeiten würden sichtbar machen, wie wichtig der Dialog, Trialog und der Austausch in Friedenszeiten seien. Diese Beziehungen würden durch solch schwierige Zeiten tragen und dabei helfen, dass man diese gut überstehen könne, so Traub. „Dafür bin ich dankbar.“ Traub weiter: „Krisen sind ein Anlass, stärker daraus hervorzugehen. Und ich wünsche mir, dass wir aus dieser Prüfungszeit gestärkt hervorgehen.“
Grußwort von Dr. Michael Blume: „Der Antisemitismus ist eine Ideologie, ein Dualismus der Hoffnungslosigkeit.“
Am Freitag ermutigte Dr. Michael Blume, der Beauftragte der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, in seinem Grußwort an die Landessynode dazu, den engen Kontakt mit den jüdischen Gemeinden zu suchen. Blume wies auf den Aspekt der Hoffnung als gemeinsames Merkmal der abrahamitischen Religionen hin, ohne die es keine Chance gegen Antisemitismus und Verschwörungsmythen gebe. Bereits am Tag zuvor, dem ersten Sitzungstag, hatte sich die Landessynode intensiv mit dem Thema Antisemitismus befasst.
Bericht der Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt
Ursula Kress, Beauftragte für Chancengleich im Oberkirchenrat, und Miriam Günderoth, Leiterin der Projektstelle Prävention, konzentrierten sich in ihrem Bericht auf die Themen Prävention und individuelle Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Rahmen der Betroffenenbeteiligung.
Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt sind in der Mitte des kirchlichen Alltagsgeschäfts angekommen. Dies ließe sich in der täglichen Arbeit feststellen, so Ursula Kress. Miriam Günderoth stellte ein in weiten Teilen fertiggestelltes Rahmenschutzkonzept für Präventionsmaßnahmen vor. Erfreulich sei, dass bereits in 90 Prozent der Kirchenbezirke eine Arbeitsgruppe gebildet worden sei, die ein Schutzkonzept erarbeitet habe oder gerade in der Erarbeitungsphase sei. Von den Pfarrpersonen der Landeskirche hätten zum gegenwärtigen Zeitpunkt fast alle eine Grundschulung nach EKD-Konzeption besucht. Ein Web-basiertes Training zur Sensibilisierung solle ab Januar für Mitarbeitende in Kirchengemeinden, Kirchenbezirken und Einrichtungen eingesetzt werden. Günderoth wies aber gleichzeitig darauf hin, dass dieses Training keine Grundlagenschulung ersetze und nur als Ergänzung verstanden werden dürfe. Sie betonte, auch nach der Erstellung eines Schutzkonzeptes dürfe die Prävention vor sexualisierter Gewalt nicht als abgeschlossen betrachtet, sondern müsse als Querschnittsthema kirchlicher Arbeit implementiert, aber auch laufend überprüft und angepasst werden.
Bericht der AUF! Studie: Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in Einrichtungen der Ev. Landeskirche in Württemberg - Ergebnisse und Empfehlungen
Dr. Harald Haury und Simone Korger von der Universitätsklinik Ulm präsentierten der Synode die Ergebnisse der AUF!-Studie, mit der die Evangelische Landeskirche in Württemberg die Klinik beauftragt hatte. In dieser wissenschaftlichen Studie wurden einerseits die Missbrauchsfälle um Alfred Zechnall historisch aufgearbeitet, begünstigende Faktoren gegen sexualisierte Gewalt und für wirksame Prävention aufgezeigt und in einem zweiten Teil heutige Schutzkonzepte untersucht. In seinen Schlussbemerkungen wies Haury darauf hin, dass die Übergriffe Zechnalls nicht ohne seine konservativ-pietistischen Netzwerke möglich gewesen wären. Netzwerke seien zwar wichtig, aber auch problematisch, weil sie der Verwischung von Verantwortung Vorschub leisteten. Stattdessen bräuchte es eine präzise Zuordnung von Verantwortlichkeit und ein Ethos der Transparenz. Zweitens helfe sexuelle Aufklärung, um sexuelle Grenzüberschreitungen als solche benennen zu können. Drittens mahnte er zur Vorsicht, Religion und Sexualität obsessiv zu vermengen. Das führe zwar nicht unausweichlich zu sexualisierter Gewalt, ließe sich aber für die Ausübung von sexualisierter Gewalt ausnutzen. Zuletzt warnte er, dass kein kirchliches Milieu gegen das Vorkommen sexualisierter Gewalt gefeit sei. Es gelte, Risikokonstellationen zu erkennen und nach Möglichkeit zu entschärfen. Für das Erkennen solcher problematischen Konstellationen sei Prävention ein wichtiger Faktor.
Simone Korger, die als Psychologin am zweiten Teil der AUF!-Studie mitarbeitete, widmete sich der Frage, was für wirksame Präventionsmaßnahmen notwendig sei. Ziel des zweiten Teils der AUF!-Studie sei es gewesen, Schutzkonzepte aus verschiedenen Einrichtungen, die zum Tatzeitpunkt teilweise mit Zechnall in Verbindung standen, zu überprüfen. Es sei positiv hervorzuheben, dass in allen Einrichtungen Selbstverpflichtungserklärungen vorhanden seien. Die Befragten hätten als Stärken dieser Erklärungen formuliert, dass sie klare Handlungsvorgaben und damit Sicherheit böten sowie ein Maß an Objektivität bei Entscheidungen. Bei Interventionsprozessen hätten die Befragten die Nähe von Betroffenen und Beschuldigten als problematisch erlebt. An mancher Stelle fehle es außerdem an klaren Handlungsempfehlungen. Zudem sei die personelle Kapazität an vielen Stellen zu gering. Die Einrichtungen hätten in Folge der Befragungen individuell Rückmeldungen zu den jeweiligen Schutzkonzepten bekommen und Überarbeitungen und Verbesserungen bereits teilweise implementiert, so Korger. Im Hinblick auf die Landeskirche formulierte die Psychologin Empfehlungen (nachzulesen auf elk-wue.de).
Synodalpräsidentin Sabine Foth forderte im Anschluss an den Bericht als notwendigen Reaktion unter anderem die konsequente und ausnahmslose Implementierung von Schutzkonzepten in der Landeskirche und deren laufende Anpassung. Dieser Einschätzung schlossen sich alle Synodalen in der Aussprache an.
In Vertretung von Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, der zur Feier und Verabschiedung von Bischof Dr. Gebhard Fürst vorzeitig abreisen musste, vertagte die Prälatin von Ulm, Gabriele Wulz, die Landessynode mit einem Wort auf den Weg.
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