Gottliebin Dittus war eine einfache Frau, aufgewachsen im Dorf Möttlingen oberhalb von Calw, die begierig alle Bildungsmöglichkeiten nutzte, die sich ihrem in äußerlicher Armut und Enge verlaufenden Leben boten: die Volksschule im Dorf, Konfirmandenunterricht, Gottesdienste und Kinderlehre beim Möttlinger Pfarrer Christian Gottlob Barth. Als seine Musterschülerin tut sie sich schwer, als Johann Christoph Blumhardt an Barths Stelle tritt. Aber gerade er wird zum Seelsorger in einer schweren Krankheit, die sie von 1841 bis Ende 1843 durchzumachen hat.
In ihrem engen Logis, das sie mit drei Geschwistern bewohnt und das heute eine Dauerausstellung über Blumhardt und Gottliebin Dittus beherbergt, treten unerklärliche Poltergeräusche auf. Sie erzählt, dass eine durchsichtige Gestalt, nur von ihr wahrgenommen, um im Haus versteckte Papiere gebeten habe, die auch gefunden und als Utensilien zum Ausüben von Zauberei gedeutet werden.
Der behandelnde Arzt ist ratlos
Die junge Frau leidet an Ohnmachten und Krämpfen; der behandelnde Arzt ist ratlos, ebenso Blumhardt. Schließlich kommt er zu der Überzeugung, hier sei etwas Dämonisches am Werk: „Wir haben lange genug gesehen, was der Teufel tut; nun wollen wir auch sehen, was Jesus vermag.“ Die bewusstlose Frau erwacht, spricht die betenden Worte nach; die Krämpfe hören auf. Von exorzistischen Aktionen hält sich Blumhardt fern. Er vertraut allein auf das Gebet, zu dem er auch Gottliebin auffordert, und bleibt dabei, auch als die Krankheit sich auf dramatische Weise steigert. Blumhardt schreibt von Blutungen, aus der Haut hervortretenden Gegenständen, Selbstmordversuchen.
An Weihnachten 1843 überträgt sich die „Besessenheit“ auf Gottliebins Bruder Hansjörg und die Schwester Katharina. Aus dieser lässt sich, so Blumhardts Schilderung an seine vorgesetzte Behörde, ein „Dämon“ vernehmen, der sich als vornehmer Satansengel ausgibt und jetzt in den Abgrund fahren müsse. Aus Katharina brüllt es heraus: „Jesus ist Sieger! Jesus ist Sieger!“ „Das war der Zeitpunkt“, schreibt Blumhardt, „da der zweijährige Kampf zu Ende ging.“ Gottliebin ist geheilt und kann ein normales Leben führen. Eine Erweckung des ganzen Dorfes schließt sich an; Heilungen seelischer und körperlicher Krankheiten ereignen sich.
Die Treue Gottes erfahren
Gottliebin Dittus ist ein anderer Mensch geworden, ebenso ihr Seelsorger. Sie haben im Gebet die Treue Gottes erfahren. In den überwältigenden Ereignissen sehen sie den Auftrag, für den endgültigen Sieg Gottes über das Reich der Finsternis zu arbeiten. Christus werde bald wiederkommen; vorher werden sich neue Ausgießungen des Heiligen Geistes ereignen, ein „Rennen und Jagen“ nach dem Reich Gottes in der ganzen Welt.
Als Blumhardt 1852 im Kurhaus Bad Boll ein Seelsorgezentrum gründet, das von Gästen aus aller Welt besucht wird, leitet Gottliebin zusammen mit Blumhardts Frau Doris die umfangreiche Hauswirtschaft. Sie erweist sich als der energische Teil in diesem Gespann. Man beschreibt sie nicht als anmutig und liebenswürdig, sondern als „grobkörnige“ Persönlichkeit, die auch gegenüber Gästen von Stand ihre Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit nicht preisgibt. 1855 heiratet sie Theodor Brodersen; aus der Ehe gehen drei Söhne hervor. Am 26. Januar 1872 stirbt sie an Magenkrebs; nicht die Angst vor dem Tod, sondern die Hoffnung auf das Reich Gottes bestimmt ihre letzten Stunden – für Blumhardts Sohn Christoph ein prägendes Erlebnis, das ihn befähigt, nach Blumhardts Tod ein glaubwürdiger Nachfolger des Vaters zu werden.
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