Im August 1942 wurden 1078 Juden von Stuttgart aus in das KZ Theresienstadt deportiert. Daran erinnerte am Sonntag, 21. August, eine Gedenkveranstaltung. Man müsse seine Stimme nutzen, um Hasspredigern und Lügnern entschlossen zu widersprechen, sagte dort Landesbischof Gohl.
Vor 80 Jahren, im August 1942, wurden 1078 Jüdinnen und Juden vom Inneren Nordbahnhof in Stuttgart in das Konzentrationslager (KZ) Theresienstadt deportiert. Daran erinnerte am Sonntag, 21. August 2022, eine Veranstaltung an der Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ in der Otto-Umfrid-Straße (Innerer Nordbahnhof).
Bei der Deportation am 22. August 1942 handelte es sich um die letzte große Deportation aus Stuttgart. Wie bereits Ende November 1941 und im April 1942 wurden Jüdinnen und Juden aus ganz Württemberg, Hohenzollern und anderen Landesteilen auf Anordnung der Gestapo zunächst auf den Killesberg gebracht. Dort wurden sie ihrer Besitztümer beraubt und in der „Ehrenhalle des Reichsnährstandes“ interniert. Anschließend mussten sie zu Fuß und mit Bussen zum Inneren Nordbahnhof in Stuttgart gehen und fahren.
Die anschließende Zugfahrt dauerte zwei Tage. Viele der Menschen überlebten die ersten Tage und Wochen im KZ Theresienstadt nicht. Beinahe alle anderen Menschen wurden in den folgenden Monaten dort, in Treblinka, Maly Trostinez und Auschwitz ermordet. Nur 48 Personen überlebten.
Zu der Gedenkveranstaltung war Garry Fabian, der als Kind ins KZ Theresienstadt deportiert wurde, von Australien nach Stuttgart gekommen. Junge Menschen konnten dort mit ihm ins Gespräch kommen. Außerdem lasen Jugendguides des Gedenkstättenverbundes Gäu-Neckar-Alb e. V. biografische Texte deportierter Jüdinnen und Juden vor.
Michael Kashi aus dem Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, und Dr. Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, hielten Grußworte. Vor der Hauptveranstaltung gab es um 14 Uhr bereits ein Stilles Gedenken mit Rabbiner Yehuda Puschkin am Gedenkstein auf dem Killesberg.
Forschungen hatten ergeben, dass auf der „Wand der Namen“ in der Gedenkstätte noch etwa 440 Namen fehlten. Diese wurden nun veröffentlicht.
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl sagte in seinem Grußwort: „An diesen Orten begegnen wir den Namen von realen Menschen. Ihre Namen regen unsere Fähigkeit zum Mitgefühl an. Mitgefühl mit den Opfern des Hasses auf Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma. Und Mitgefühl mit Menschen, die getötet wurden, weil sie krank oder behindert waren.“
Weiterhin appellierte Landesbischof Gohl:
Dr. Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, hielt anlässlich der Gedenkveranstaltung fest: „Wir erinnern heute hier an Menschen, die vom Stuttgarter Nordbahnhof aus in den Tod geschickt wurden. Erinnern ist der Schlüssel und die einzige Chance, um nicht zu vergessen. Denn Vergessen kommt dem Ungeschehen-Machen gleich. Nur die Erinnerung stoppt den Wahnsinn.“
Mehr denn je müssten wir heute innehalten und fragen, wie es mit der Mitmenschlichkeit in unserer Gesellschaft aussieht. „Was tun wir, damit sich solche Taten nicht wiederholen?“, sagte Bischof Fürst und hielt fest: „In Zukunft können wir uns nicht mehr herausreden. Denn im Erinnern wissen wir, wohin unser Wegsehen führen kann, aber auch, was wir durch unser Hinsehen verhindern können.“
Schirmherr der Gedenkveranstaltung am heutigen Sonntag war Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Auch die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg sowie die Landeshauptstadt Stuttgart unterstützten die Veranstaltung. Insgesamt waren mehr als 20 Initiativen und Institutionen daran beteiligt. Der Verein Zeichen der Erinnerung e. V. organisierte das Gedenken.